Ich hasse meinen Job

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Ich hasse meinen Job

Seelen über den Fluss Styx zu bringen ist eine unangenehme und eintönige Angelegenheit. Eines Tages taucht ein lebender Mensch auf und verlangt, mit dem Manager zu sprechen.

Ich hasse meinen Job.
Ihr glaubt jetzt vielleicht, dass ich übertreibe.
Dein Job kann doch nicht so schlimm sein...
Du übertreibst nur wieder...
Halt die Klappe Charon und mach, was du immer machst...
Anderen geht es schlimmer wie dir...
Ja, ja, ich hab alles schon gehört. Und wisst ihr was?
Es interessiert mich einen Scheiß, was ihr darüber denkt.
Ich hasse meinen Job.
Punkt. Aus. Ende.
Wenn ihr diesen Job machen müsstet, würdet ihr ihn auch hassen.
Schließlich ist es Tag ein Tag aus dieselbe Leier.
„Guten Tag. Hast du eine Münze oder nicht?"
Und dann das Gejammer, wenn die arme Seele vor mir keine Münze besitzt um mich bezahlen zu können und deshalb mit den andern tausend Seelen hundert Jahre warten muss.
Ist ja nicht so, als ob sie jetzt nicht alle Zeit der Welt hatten.
Tote sind tot und werden nicht wieder lebendig. Egal wie sehr sie es sich wünschen oder wie sehr sie toben.
Auch wenn ich mir manchmal wünschte, ich könnte diese Quälgeister endlich loswerden.
Verdammt, wegen denen brauche ich inzwischen eine Waffe auf meinem Boot, damit sie sich nicht an Bord schleichen, sobald doch einmal ein vernünftig bestatteter Mensch ankommt.
Was ausgesprochen selten ist, wenn ich das anfügen darf.
Manchmal benutze ich diese Waffe—ein alter Baseballschläger, den eine der Seelen verloren hatte—deshalb einfach nur zum Spaß.
Cerberus war sehr gut darin Stöckchen zurück zu bringen, wobei ein Kopf immer damit beschäftigt war mich mit Sabber zu übergießen.
Der einzige Lichtblick in diesem dunklen Leben.
Ihr glaubt mir nicht?
Was habt ihr Gedacht? Dass die Unterwelt eine Decke voller Löcher hat durch die das Sonnenlicht fällt?
Verdammt, ich weiß nicht einmal mehr was die Sonne ist.
Vermutlich würde ich erblinden, sollte ich die Finsternis meines Arbeitsplatzes einmal verlassen.
Aber dafür müsste ich Urlaub haben.
Reines Wunschdenken!
Und dabei hätte ich ihn mir redlich verdient.
Immerhin mach ich seit meiner Geburt nichts anderes als diese sich ständig beschwerenden Seelen über diesen Fluss und damit zu ihrer Ewigen Ruhe zu bringen.
Oh, früher, da konnte ich noch ein paar Tage verschnaufen, da war der Ansturm an Menschen noch nicht so groß.
Aber jetzt?
Hin und her, hin und her, hin und her...
Manchmal weiß ich gar nicht mehr, ob ich jetzt hin oder her fahre.
Und dann, wenn wieder für einen großen Haufen gleichzeitig die hundert Jahre Wartezeit abgelaufen sind, wird es auf meinem kleinen Schiff auch noch so voll, dass man mir die Füße platt tritt.
Inzwischen rette ich auch niemanden mehr, der bei diesem Gedränge über Bord geht.
Selber Schuld.
Habe ich schon gesagt, dass ich meinen Job hasse?
Und heute, heute treibt es noch auf die Spitze!
Da nähere ich mich dem Ufer, Baseballschläger in der Hand, Sabber auf der Schulter und mit der freundlichsten Grimasse die ich aufsetzen kann und dann erwartet mich diese dumme Kuh.
Verzeiht meine Ausdrucksweise—obwohl, ihr werdet gleich verstehen.
Ich lege also mit meinem Boot an und denke mir noch, für eine Seele sieht sie noch recht lebendig aus, da sticht die mir schon mit ihrem Zeigefinger in die Brust.
Und hässlich ist sie auch noch.
Ich sag nur—schaut sie euch doch an: hageres Gesicht, gestylte blond gefärbte Haare, mehr Makeup im Gesicht als Haut und diese Kleidung erst.
Grässlich.
Aber schlimmer ist nur ihre Stimme.
Schrill und laut.
„Sind Sie hier der Verantwortliche?", giftete sie und ich starrte sie nur überrascht an.
Eine Lebende hatte hier unten nichts verloren.
„Ich habe Sie etwas gefragt! Sind Sie hier der Verantwortliche?"
Ich blinzelte und verzog aufgrund der Lautstärke ihrer Stimme das Gesicht.
„Was wollen Sie hier?", presste ich hervor und sie schien sich aufzuplustern wie ein Vogel.
„Was ich hier will? Meinen Sohn will ich wieder! Er ist vor drei Tagen bei einem Autounfall ums Leben gekommen und hat sich davor nicht für das Angebot seiner Lebensversicherung entschieden, die Summe uns, statt dieser Schlampe zu überschreiben, die seinen Bastard austrägt!"
Langsam versteht ihr vermutlich, warum ich sie eine dumme Kuh genannt habe, oder?
Und wie ich vorhin schon gesagt habe, die Toten bleiben tot. Komme was da wolle.
Aber diese Frau—diese Gefährdung für die Gesundheit—wollte mich entweder nicht verstehen oder ignorierte mich vollkommen, als ich ihr knapp ebendiesem Umstand weiß machen wollte.
„Sind Sie jetzt hier der Verantwortliche, ja oder nein?", wollte sie immer wieder wissen und ich war versucht ihr den Baseballschläger über zu ziehen.
„Ich will den verdammten Manager sprechen!", kreischte sie plötzlich und mehrere lethargische Seelen wandten sich verstört zu uns um.
In diesem Moment riss mir mein eh sehr kurzer Geduldsfaden.
Sie wollte mit dem Manager sprechen?
Gut, dann sollte sie mit dem Manager sprechen.
Ich packte sie grob am Arm und schubste sie auf mein Boot, ignorierte ihre Flüche und ihr Gezeter.
Inzwischen schmerzten mir schon die Ohren.
„Das ist Körperverletzung! Ich werde mich bei Ihren Vorgesetzen beschweren! Hören Sie—ich werde sie verklagen!", keifte die dumme Kuh weiter, während ich das Boot auf den Fluss manövrierte.
Ihr könnt froh sein, dass ihr sie nicht hören könnt, glaubt mir.
Seit wir abgelegt haben, hat sie nicht einmal die Klappe gehalten und kommt mir dabei vor wie eine hängen gebliebene Schallplatte.
Aber ich kann schon das Tor zur Unterwelt sehen, ebenso Cerberus, der friedlich danebenliegt und döst.
Und plötzlich ist die Kuh still.
Am liebsten würde ich aufatmen, aber ich habe die Befürchtung, dass sie dann wieder den Mund aufmacht.
Nein, warte, dass macht sie auch so.
„Wohin bringst du mich?", will sie beißend wissen und ich werfe ihr einen ausdruckslosen Blick zu.
„Zum Manager", antworte ich knapp und sie verschränkt die Arme vor der Brust, wirkt jedoch zufrieden.
Und still ist sie auch wieder.
Quietschend öffnet sich das Tor für uns und ich lenke das Boot in einen kleinen Seitenarm des großen Flusses, steuere das „Büro" meines „Vorgesetzten" an.
Sollte Hades sich doch mit dieser Plage herumschlagen.
Es dauert nicht lange und wir erreichen den Hafen—ein filigranes Becken mit einem einzigen Steg, der direkt zu dem herrschenden Gott führt.
„Da drin befindet sich der Manager?"
Ich nicke nur und sehe der Kuh zufrieden nach, als sie aus dem Boot klettert und den Steg entlangeilt.
Bevor ich mich jedoch retten kann, giftet sie mir ein „Sie warten hier gefälligst" zu und hämmert ihre Hand dann mehrfach gegen die Tür.
Sie hämmert sogar noch weiter, als Hades die Tür nach Innen öffnet und verpasst dem Gott damit beinahe eine Gehirnerschütterung.
„Was in aller Welten Namen wollen Sie hier?", blafft dieser und wirft mir einen finsteren Blick zu.
„Ich möchte meinen Sohn wieder zurück!", giftet die Kuh und leiert ihm die gleiche Geschichte vor wie mir.
Und auch wie ich versucht er ihr klar zu machen, dass die Toten tot bleiben.
Egal ob sie ihre Lebensversicherung umgeändert haben oder nicht.
Und nein, niemand macht Ausnahmen.
Und die Sache mit Orpheus ist frei erfunden.
Letztendlich hat Hades von der Frau genug und setzt sie zu meinem Leid wieder in mein Boot.
„Du bringst sie zurück an das Ufer und dann holst du ihren verdammten Sohn und bringst in gleich hier her. Münze hin oder her. Diese Frau ist verrückt genug um sich noch etwas anderes einfallen zu lassen", brummt der Gott und ich werfe einen ungläubigen Blick zwischen der keifenden Frau in meinem Boot und Hades hin und her.
Könnt ihr das glauben?
Jetzt soll ich auch noch umsonst arbeiten?
Anscheinend sieht mir Hades meinen Unmut an, denn er hebt beschwichtigend die Arme.
„Immerhin wird es dann wieder leise sein."
Natürlich wird es das!
Das wäre es aber auch, wenn ich ihr mit meinem Baseballschläger eine über ziehen würde und sie dann im Fluss versänke.
Und dafür müsste ich nicht umsonst arbeiten!
„Ich will mit dem Eigentümer dieses Unternehmens reden!", keift inzwischen die Kuh und ich beneide euch wirklich darum, dass ihr sie nicht hören könnt.
„Schnauze!", blaffe ich schließlich und setzte nach einem letzten wütenden Blick auf Hades das Boot wieder in Bewegung.
Und während ich erneut die schrille Stimme dieser grässlichen Frau über mich ergehen lasse denke ich noch einmal an das, was ich schon am Anfang gesagt habe.
Ich. Hasse. Meinen. Job.


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⏰ Last updated: May 23, 2022 ⏰

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