25 - autre monde

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Es dauerten keine Minuten bis ich die Hintertür aufmachte und in die Kälte trat, während die kalte Luft mir wieder ins Gesicht schlug, sodass ich spürte, wie sehr dadurch begannen, meine Wangen zu glühen.

Auf einem Hof voller Toten herrschte ironischerweise eine Totenstille, denn kein Klirren der Schaufeln im Zusammenspiel mit der Erde, noch die Stimmen von Ouissem und Nima waren zu hören. Lediglich die langsamen Schritte, die ich durch den lockeren Erdboden wagte. Durch die einsame Laterne, die am Eingang des Friedhofs ruhte, erkannte ich dunkle Flecken an meinen Händen. Wohlmöglich das Blut von Karim. Sein Blut klebte an meinen Händen, welches bereits in den feinsten Strukturen getrocknet war. Sofort hob ich mein Gesicht und versteckte meine Hände in meinen hinteren Hosentaschen vor mir selber. Als könnte ich auf diese Weise die Wahrheit vertuschen und vor ihr fliehen. Vergeblich.

Das Rascheln der Blätter bewegte mich dazu, meine Gedanken zu sammeln und weiterzugehen, auch wenn ungewollt die verschiedensten Szenarien mir durch den Kopf schossen.
Ich blickte nach links und rechts, als ich schon einiges an Weg hinter mir ließ und doch die beiden nicht fand. Etwas schneller lief ich durch die losen Blätter, während wohlmöglich die zurückgelassenen Seelen dieses Friedhofes hier rum schwirrten und ich mehr als nur dankbar war, diese nicht zu sehen. Vielleicht unter anderem Karim, der mich möglicherweise gerade von A bis Z beleidigte, sowie meine Familie und meine gesamten Generationen vor mir.
„Es tut mir leid..", faselte ich leise vor mich hin, als ich mir bei dem Gedanken feuchte Augen verursachte, die ich in der nächsten Sekunde weit aufriss, während mir eine große Hand den Mund zu hielt und mein Atem durch die Nase sich verschnellerte.
„Pschtt!", stieg mit der Duft von O.g. in die Nase, als er mich zu sich drehte und gegen einen Baumstamm drückte. Noch immer verwirrt blickte ich ihm in die Augen, als er seinen Zeigefinger auf seine schmalen Lippen legte, und wir wenige Zentimeter von einander entfernt standen. Ich verstand nicht ganz, was los war, doch ich verweilte leise dort, als ich ein anderweitiges Rascheln von Blättern hörte.
War das Nima?

„Hallo?", rief eine tiefe, deutlich ältere und fremde Stimme, weswegen mir beinahe ein Quieken entflohen wäre, hätte mir Ouissem nicht rechtzeitig den Mund feste zugehalten.
Mein Atem verschnellerte sich wieder so schnell, dass ihm wahrscheinlich dadurch die Hand schwitzte, während er mich warnend ansah und fester zudrückte, sodass kein Millimeter mehr zwischen uns war.

Wo verdammt war Nima und wer war dieser Mann? Etwa der Wärter?
Was ist, wenn er Wind von unserem Verbrechen bekommen hatte?

Ich drückte fest die Augen zu, als nach ewigen Minuten sich die Hand von O.g. lockerte, und er mich wütend ansah und doch nichts sagte.
„Ich-", begann ich gerade, mich rechtfertigen zu wollen, als er mich mit seiner Handinnenfläche wieder unterbrach, und ich somit vermummte.
Er zerrte mich durch den Friedhof hinter sich her, während wir an einem ganz anderen Ort ankamen, an dem plötzlich die Lichter des Vans angingen. Nima müsste wohl den Wagen vorab geholt haben, weswegen Ouissem die Tür aufriss, ein letztes Mal hinter sich blickte und mich reindrängte. Er setzte sich zeitgleich zu mir nach hinten, als ich ihn laut, erleichternd und erschöpft ausatmen hörte.

„Bist du behindert, wo warst du Duha?", drehte sich Nima wütend kurz zu mir, während er fuhr. Ich antwortete ihm nicht, und das auch gewollt, denn jede Antwort würde keinen Sinn ergeben. Es war einfach dumm, denn ich hätte einfach warten müssen, das wusste ich.
„Mit wem rede ich überhaupt", wurde seine Stimme lauter, bis sich allerdings O.g zu Wort meldete: „Nima chill, es reicht", sagte er, als Nima nicht locker ließ.
„Bruder-", wollte er sich gerade wütend weiterhin rechtfertigen.
„Ist gut Nima, ich hab dich nur um einen Gefallen gebeten.", sprach er genervt weiter und holte sein Handy raus, als wäre nichts passiert.
„Diggi willst du mich verarschen? Du legst Karim um? Und wie hast du dir das vorgestellt? Dass niemand nach dem suchen wird und er verschollen bleibt?", widersprach er ihm, während ich dachte mich verhört zu haben. Sofort blickte ich vom Rückspiegel ab, auf dem ich aufmerksam Nima beobachtete, und sah vielversprechend zu O.g., der mir einen kurzen und kalten Blick schenkte und nichts erwiderte.
„Wallahi Ouissem ich bin ein Hund, wenn ich dir nochmal einen Gefallen tue. Khinzir mache ich", nickte er schnell und wütend, während er weiterhin und permanent vor sich hin faselte, bis wir am Block ankamen.
Wortlos stiegen wir aus, während Nima sofort beleidigt verschwand. Somit verblieben wir beide in Zweisamkeit und stiegen nach einigen Schritten in den Fahrstuhl.

„Wozu hast du Nima angelogen?", brach ich die Stille mutig, während der Fahrstuhl bis in den 7. Stock komische Geräusche von sich gab. Ich spielte mit meinem Daumen, während ich ihm nervös in die Augen sah und ungewollt die überschüssige Haut am Rand der Fingerkuppen abriss.
„Ich hab doch gesagt, dass es unser Geheimnis bleibt.", sah er mir entspannt in die Augen, bis die Fahrstuhltür sich öffnete und ich spürte wie das feuchte Blut an meinem Finger Rand runterfloss.
Ich bemerkte durch das erhellte Licht im Gang, wie blutverschmiert meine Klamotten tatsächlich waren, was auch O.g. tat, sodass ich abrupt stehen blieb und er mir gleich tat.
Ich zog mit einer Hand das weiße T Shirt zitternd stramm, während auf meinen weißen Sneakern Bluttröpfchen sich bemerkbar machten. Menschliches Blut - nichts, was ich nicht sehen konnte, während in vielen OP's bereits meine Hände in Handschuhen blutverschmiert waren.
Aber diesmal war es anders.

„Ich- ich muss zur Polizei Ouissem", drehte ich mich in schnellen Schritten um, bis ich relativ schnell daran gehindert wurde, als er mich fest am Arm packte, sodass es weh tat, und mich zu sich drehte, während ich selbst nicht meine Tränen wiedermals unterdrücken konnte.
„Duha mach nichts, was du bereuen wirst", hielt er mich noch immer fest, als denke er, ich würde in nächster Gelegenheit direkt auf das Revier rennen, was ich auch wirklich getan hätte.
„Ich werd damit nicht durchkommen", bereute ich vielmehr die Vertuschungsaktion: „Ich hätte einfach die Polizei rufen sollen.", legte ich meine blutige Hand auf die Stirn und schloss die Augen.
„Sie hätten dir nicht geglaubt Duha. Es wäre Mord mit Motiv geworden. Das sind korrupte Remmos, denk vernünftig. Du bist nicht gemacht für den Knast", lockerte sich sein Griff, mit dem Gedanken, mich wahrscheinlich umgestimmt zu haben.
„Vergiss nicht, dass du da nicht alleine drin steckst. Du, ich, Nima.", sah er mir prüfend in die Augen. Ich verstand ihn. Sobald ich mich selber verpfeife, sind die beiden auch dran.
„Ich werd nicht nochmal im Knast landen.", sagte er, was wie eine Bedrohung schon klang, oder bildete ich mir das ein?
„Hast du mich verstanden?", fragte er mich schon beinahe genervt, während ich ihm angestrengt in die Augen sah, die immernoch gefüllt waren.
„Duha, das ist kein verficktes Kinderspiel.", sagte er angestrengt, als ich ihm nicht antwortete und er unmittelbar vor mir stand.
„Ich werde mich stellen, alleine Ouissem."

O.G. - Aus der ZelleWhere stories live. Discover now