2. Fahr' oder stirb

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Ich bemerkte, wie nach und nach jeder von Torettos Gästen den Heimweg antrat. Auch der blaue Nissan Skyline fuhr gegen Abend von der Ausfahrt runter. Ein blonder Mann war der Besitzer dieses Prachtexemplars. Ich beobachtete, wie er die E Kensington Rd entlang preschte, bis ich ihn irgendwann nicht mehr sehen konnte. Ich biss mir auf die Lippen. Ob die Jungs wohl heute Abend an einem Rennen teilnehmen würden?

Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, heute Abend einfach vor der Tür zu warten, bis auch Dominic losfuhr und dann ihm hinterher zu fahren. Diese Rennen sind illegal!, erinnerte ich mich und schloss das Fenster, zog die Vorhänge zu. Ich sollte mich wirklich endlich mal um die Akten für Morgen kümmern. Ich musste noch zwei Stapel durcharbeiten, zu Morgen.

Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren, während ich am Schreibtisch saß, es draußen immer dunkler wurde und ich mich durch mehrere Haufen von Einkommenserklärungen lesen durfte. Schließlich war auch der zweite Stapel komplett durchgearbeitet und ich machte mir eine Tüte Fertigkost in der Mikrowelle warm. Kaum saß ich am Tisch und verspeiste diese, blendeten mich durch das Küchenfenster Scheinwerfer. Ich sprang auf und sah hinaus. Torettos Chevrolet fuhr aus der Einfahrt. Ohne überhaupt nachzudenken, sprang ich auf, schnappte mir meine rote Lederjacke und meine Autoschlüssel und fuhr meinen kleinen Flitzer vom Grundstück runter. Mit einer meisterlichen Geschwindigkeit - zumindest für mich - stand ich auf der Straße und preschte Toretto hinterher. »Shit! Was mache ich hier?!«, fragte ich mich selber und riss die Augen auf, als ich mein eigenes Vorhaben realisierte. Wie spät war es eigentlich? 11:43 Uhr. Ziemlich früh für Dominic. Und wenn er gar nicht zu einem Rennen fuhr, sondern vielleicht zu... irgendeinem anderen Treffen?

»Gott verdammt!«, stieß ich aus und trat aufs Gas. Natürlich war der Chevrolet schon viel zu weit vorne, ich würde ihn niemals einholen. Im Prinzip konnte ich gleich wieder umkehren. Aber irgendein Trieb bewegte mich dazu einfach weiter zu fahren. Und sei es um eine gewöhnliche Nachtfahrt. Ich hatte einfach das Bedürfnis meinen Fuß aufs Gaspedal zu drücken und die Häuser am Fenster vorbeifliegen zu sehen.

Ich hielt vor einer roten Ampel und schlug meinen Kopf aufs Lenkrad, ohne, dass ich die Hupe betätigte. Da hörte ich laute Motorengeräusche. Ich richtete mich wieder auf und sah nach links. Neben mir stand der orange Chevrolet von Toretto. Ich sah durch die Fenster und zu dem Glatzköpfigen Mann, der am Steuer saß. Er erwiderte meinen Blick, schmunzelte. Er spielte mit dem Gas, provokant. Ich wusste was er wollte. Aber ich hatte mit diesem ungetunten Auto doch nicht mal den Hauch einer Chance! Auch, wenn die Beschleunigung nicht schlecht war, mein Auto hatte viel zu wenig PS und im Endeffekt würde ich so oder so verlieren. Trotzdem packte mich Adrenalin. Aus irgendeinem blöden Grund wollte ich ihm zeigen, was ich auf dem Kasten hatte. Natürlich war klar, wie dieser Versuch ausgehen würde, aber trotzdem. Also nahm ich seine Aufforderung an und spielte ebenfalls mit dem Gas. Dominics Schmunzeln entwickelte sich zu einem kleinen grinsen, dabei schüttelte er leicht den Kopf. Ich krallte meine Hände in das Lenkrad und behielt die Ampel im Auge. Ich hatte gute Reflexe, vielleicht könnte ich einen kleinen Vorsprung rausholen. Außerdem, so klein mein Citroën auch war, er hatte eine hervorragende Beschleunigung.

Die Ampel sprang auf grün und sofort preschte ich voran. Innerhalb von Sekunden schaltete ich durch die Gänge, erreichte nach und nach die 100 km/h, die 120 km/h, die 140 km/h. Die Straße hatte bis zur nächsten Ampel einen graden Straßenverlauf, es waren vielleicht gute 700 m. 600 m zu viel für meinen - nicht für Autorennen tauglichen - kleinen Wagen. Natürlich hatte Dominic nach kurzer Zeit die Oberhand gewonnen und das ohne sein NOS (Nitrous Oxide System). Ich bekam nur seinen Staub ab und fuhr schließlich als Verlierer über die Ziellinie - die Haltelinie an der Ampel. Seufzend schaltete ich runter und tuckerte dem Chevrolet hinterher, als ich Torettos Handzeichen sah. Was kam jetzt? Wieso war ich überhaupt so blöd und hatte mich darauf eingelassen, obwohl ich doch von Anfang an wusste, dass ich keine Chance haben würde? Was war, wenn er jetzt meinen Wagen einfordern würde? Nicht mal im Traum. Er würde mit meinem Citroën eh nichts anfangen können.

Instinctual || Fast&Furious Fanfiction Where stories live. Discover now