Chapter 1

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Ein dezentes, leises Zwitschern drang aus den sonnendurchfluteten Kronen der rötlichen Ahornbäume und erfüllte die Luft mit einem Gefühl der Behutsamkeit, gefolgt von dem des tristen Alltages. Es schien fast so, als wäre die Zeit stehen geblieben und die Geschehnisse der letzten Jahre wären nie passiert. Ein leises zwitschern, was schon fast leidend klang, drang aus den unteren Gestrüppen. Knackend und raschelnd schob sich eine Hand durch das dichte Pflanzenwerk. Gekonnt umklammerte diese, wie ein Jäger, der auf seine Beute lauerte, das kleine Wesen. Seine Bewegungen hoben es in die Lüfte für eine bessere Betrachtung seinerseits. Hilflos und quietschend blickte es hoch in die goldenen Bernsteinfunkelnden Augen. Ein Schock durchfuhr das Tier. Leicht schreckhaft rückte es nach hinten, gegen die Fingerwände des menschlich wirkenden Geschöpfes. Der kleine Vogel fürchtete sich nicht nur wegen der Größe seines „Retters“, sondern auch wegen dessen Aura, die er wahrnehmen konnte.

>> Hab keine Angst, kleiner Freund. <<

Ein dezentes Lächeln zierte dessen Lippen und mit einem leichten Augenaufschlag versuchte er so wenige Bewegungen wie möglich zu machen. Kurz verweilten seine Augen regungslos auf dem Tier in seinen Händen, bis er schließlich sich aus seiner Trance löste und mit einem tiefen seufzen, aus seiner hockenden Pose, schwungvoll aufstand. Leicht analysierend fiel sein Blick nach oben zu einem nicht allzu hoch liegenden Ast. Anscheinend hatte sein kleiner Fund versucht, seine Grenzen zu überschreiten und war dabei nicht allzu weit gekommen. Behutsam setzte er den Vogel zurück auf seinen zugehörigen Platz, in die Nähe seines Nestes.

>> Ich wünschte, die Menschen wären auch so wie du. Du hast nicht auf die Anweisungen anderer gewartet, ob du nun fliegen dürftest oder nicht. Nein… du hast eigenständig gedacht und gehandelt… . Gib diese Lektion bitte auch in Zukunft an deine Nächsten weiter. Sie sollten wissen, dass ihnen die Welt offen steht, wenn sie auch mal Eigeninitiative ergreifen und selbstständig handeln. <<

Der Mann wollte sich gerade umdrehen und gehen, als ihm eine einzelne Feder entgegenflog. Sie musste anscheinend von dem kleinen Vogel gewesen sein, anders hätte er sich die Ähnlichkeit und zeitnahe Begebenheit nicht erklären lassen können. Ganz sanft und elegant landete sie in seiner Hand. Bei näherer Betrachtung konnte dieser ein dezentes Gold – blaues Muster erkennen.

>> Da fällt mir ein, ich müsste noch einmal mit einem gewissen Yaksha sprechen. Das letzte mal dass ich Alatus zu mir gerufen hatte, ist wahrlich schon eine Ewigkeit her. <<

Alatus war ein Adepti. Ein Wesen, das man aus Büchern und Legenden als Halb-Bestie kannte. An sich waren sie nur eine Untergruppe und fielen in den Begriff der Quilin. Jedoch waren sie alle Ableitungen und andere Formen von verschiedenen Göttern und göttlichen Untertanen. Jeder von ihnen hatte eine ganz besondere Eigenschaft. Manche nannte man Xiezhi. Sie besaßen ein einzelnes Horn inmitten ihres Kopfes. Andere wiederum bezeichnete man als Yakshas. Sie waren Halbwesen. Oftmals Tiere, die sich im laufe des Lebens, seit Anbeginn der Zeit, mit den Menschen angefreundet und angepasst hatten. Mit Begeisterung fanden diese die Wesen auf zwei Beinen recht amüsant und faszinierend. So probieren sie sich selbst aus in der Kunst des menschlichen Lebens und vermehrten sich sogar mit einigen ihrer Art. Somit trägt nach neuesten Erkenntnissen die heutige Bevölkerung Liyues in ihren Venendas dunkle Blut der Quiling , ohne es oftmals selbst zu wissen. Ein jeder hatte dabei seine speziellen Aufgaben. Die des jungen Yakshas beinhalteten die Vernichtung der dunklen Dämonen. Mit Speeren und alleiniger Manneskraft drängte er diese zurück in die Unterwelt.

Alatus, der ein stolzes Alter von mittlerweile 2245 Jahren erreicht hatte und unter dem Namen Xiao bekannt war, war neben vielen anderen seiner Art ein großer Anhänger von Rex Lapis gewesen. Als Gott des Landes Liyue trug er viele Titel und Namen. Doch der bekannteste war der Name „Morax“, der Gott der Verträge. Durch diesen Titel entstand nicht nur der Name des Geldes in Liyue, sondern auch der Name „Göttervater der Adepten“. Zusammen mit dutzenden hatte er in den Archonten Kriegen Seite an Seite mit ihnen gekämpft. Unzähliges Leid musste der junge Yaksha mit ansehen. Miterleben wie Freunde, Familie und Bekannten dahingerafft wurden, begleitet von grauenhaften Schmerzesschreien, die einem das Blut in den Adern gefrieren ließen. Ihre Schreie hallten bis heute noch oftmals durch seinen Kopf und versuchten ihn mit dem dunklen Schleier des Todes von innen heraus zu zerreißen. Das war auch einer der Gründe, warum er persönlich nicht oft schlief. Zumal er das eh nicht nötig hatte und es für ihn nicht hilfreich war, um zu überleben.
Es gab nur eine Person, bei der er sich so wohl gefühlt hatte, dass er in seltenen Momenten diesen Schmerz vergessen konnte und kurz zur Ruhe kam, um für ein paar Minuten seine Augen zu schließen.

Archon Assassin | Zhongchi Where stories live. Discover now