The Search

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Während ich das Tudor-Anwesen umrunde und nach einem Eingang suche, passiert irgendwas über mir am Himmel. Zuerst schenke ich dem Geschehen keine Beachtung, aber als das erste Donnergrollen durch die Nacht rumpelt wie ein alter Grubenhunt durch einen verlassenen Bergwerksstollen, werfe ich einen Blick nach oben.

Dunkle Wolken haben sich über dem Grundstück von Thomas Knight aufgetürmt. Blauschwarz mit grauen Rändern. Sie rotieren um eine vertikale Achse und spucken dabei Blitze in alle Richtungen. Einer davon trifft den Pferdestall. Es kracht und scheppert. Funken fliegen. Ein Teil der Dachabdeckung wird förmlich abgesprengt. Flammen schlagen aus dem darunterliegenden Gebälk. Pferde wiehern panisch.

Kurz darauf werden die Haupt- und Seiteneingänge des Anwesens aufgestoßen und mehrere Bedienstete strömen ins Freie. Einige von ihnen tragen weiße Schürzen und Häubchen. Als wäre ich am Set von Downton Abbey gelandet.

Ich nutze die Gelegenheit und schleiche mich ins Haus. Sofort steigt mir der strenge Geruch von Bohnerwachs und Reinigungsmitteln in die Nase, garniert mit dem saftigen Duft von Gebratenem und dem schwachen Gestank von Raubtieren. Thomas Knight, schätze ich. Gut möglich, dass er noch im Gebäude ist. Bestimmt lässt er seine Gefangenen nicht aus den Augen.

Beim Gedanken an eine Konfrontation mit dem Beta des Griffin-Rudels rutscht mir das Herz in die Hose. Sprichwörtlich wenigstens. Schließlich trage ich gerade nichts als mein schneeweißes Fell.

Vorsichtig bewege ich mich durch das große Haus, das aus meiner Kaninchen-Perspektive noch riesiger aussieht. Doch die Räume wirken nicht nur größer, sondern auch verwinkelter und beinahe ins Skurrile verzerrt, sodass es mir schwer fällt, auf den ersten Blick zu erfassen, wo ich mich befinde. Die Küche erkenne ich jedoch sofort. Sie ist gewaltig, mit unzähligen verchromten Arbeitsflächen und einer enormen Anzahl an Gerätschaften, auf die ein Luxusrestaurant neidisch gewesen wäre. Offenbar schätzt Thomas Knight gutes Essen. Kaum habe ich das gedacht, erinnere ich mich wieder daran, wie er bei unserem ersten Treffen rohes Fleisch genascht hat und revidiere meine Vermutung. Wahrscheinlich finde ich pfundweise tote Tiere im Tiefkühler.

Angeekelt setze ich meinen Weg fort.

Bald gelange ich an ein aufwärts führendes Treppenhaus. Die Wände sind mit dunklem Holz verkleidet und auf der Treppe liegt ein roter Läufer, der es mir leicht macht, die Stufen zu erklimmen. Durch die tiefen Fenster kann ich in die Nacht hinaussehen. Es gewittert noch immer. Weit verästelte Blitze zucken über den Himmel. Der Pferdestall brennt lichterloh und Knights Mitarbeiter haben alle Hände voll damit zu tun, die aufgebrachten Tiere zu retten.

Ich hoppele weiter. Stufe für Stufe. Dabei strenge ich meine Sinne so stark an, dass es sich anfühlt, als würden meine Ohren auf doppelte Größe anschwellen. Doch ich höre nichts außer den Geräuschen des Gewitters.

Einfach aufzugeben kommt natürlich nicht in Frage, also setze ich meinen Weg fort und durchsuche die ganze obere Etage. Allerdings finde ich nirgendwo einen Hinweis auf einen oder mehrere Gefangene. Keine verschlossenen Räume, keine seltsamen Gerüche. Niemand, der um Hilfe ruft oder verzweifelt an die Türen seines Gefängnisses hämmert.

Mit jeder verstreichenden Sekunde, in der ich nichts als neue Luxus-Räumlichkeiten zu Tage fördere, sinkt mein Mut und steigt meine Verzweiflung. Bestimmt hat dieses Anwesen eine Reihe von Geheimgängen und Priesterlöchern. Gerade Letztere sind auf alten englischen Landsitzen keine Seltenheit. Nur ... wie soll ich diese Verstecke aufspüren?

Schließlich kehre ich ins Erdgeschoss zurück, um dort weiterzusuchen.

Knights Angestellte machen mir jedoch einen Strich durch die Rechnung.

Dante & Nick: Down The Rabbit HoleWhere stories live. Discover now