Kapitel 6

28 8 17
                                    

Als wir dieses Mal den Ratssaal betraten, war die Stimmung eine ganz andere. Der erste, den ich sehen konnte, war Cyrus. Villains bester Freund, der ihn damals zu meinem achtzehnten Geburtstag begleitet hat. Später in Arubien war er mir gegenüber immer kühl, aber jetzt sprühten seine Augen vor Feindseligkeit.

Die Delegation aus Alhambrien bestand aus fünf Kriegern und einer Kriegerin. Zwei von ihnen gehörten zu jenen Fae, denen ich damals in der Arena gegenüberstand. Villain dachte damals, ich hätte sie getötet, aber das hatte ich nicht.

„König Vaughn, Prinzessin Arabella." Cyrus knappes Kopfnicken konnte ich beim besten Willen nicht als Verbeugung abnehmen, aber ich drückte kommentarlos Vaughns Arm und nahm am gegenüberliegenden Tischende Platz.

„Was führt Euch hierher?", fragte ich und beobachtete, wie Cyrus Blick zu Vaughns Hand glitt, die auf meiner lag. Ich meinte einen spöttischen Zug um seine Mundwinkel gleiten zu sehen, dann wurde seine Miene wieder neutral.

„Wie ich hörte, laufen die Vorbereitung für Eure Krönungszeremonie auf Hochtouren." Anscheinend hatte er kein Interesse daran augenblicklich den Grund seines Erscheinens darzulegen.

„So ist es", bestätigte ich. Ich sah mir die Kriegerin genauer an und erkannte mit einem mulmigen Gefühl, eine nicht abzustreitende Ähnlichkeit zu jemandem, an den ich mich eigentlich nicht erinnern wollte.

Vaughns Miene wurde kühler als Cyrus demonstrativ eine Augenbraue hob und meinem Blick folgte. „Wie ich sehe, erkennt Ihr Elianas Ähnlichkeit mit ihrem Bruder. Als Kinder sahen sie sich zum Verwechseln ähnlich."

Die ersten Züge der aufwallenden Schuldgefühle wurden von einer Welle eisigen Zornes davon gespült. Ja, ich hatte Elion getötet, aber ich hatte keine Wahl gehabt. Außerdem hatte ich mich monatelang selbst dafür bestraft. Und irgendwann ist einfach genug.

„Du darfst dich nicht entschuldigen." Vaughns Stimme in meinem Kopf beruhigte die eiskalten Wogen etwas.

„Das hatte ich keinesfalls vor. Kannst du die Gedanken auffangen, die sie austauschen? Ich glaube Villain hatte erwähnt, dass das zu Cyrus magischen Fähigkeiten gehört." Vaughn lachte leise und zog sich dann aus meinem Geist zurück.

„Cyrus." Meine Stimme klirrte vor Kälte. „Ihr kommt in mein Land. Sitzt im Ratssaal einer Burg, die von einer ganzen Armee umgeben ist, die lediglich auf einen Fingerzeig von mir wartet, und wagt es Euch derart respektlos zu äußern?" Ich sah sie über den Tisch hinweg an und legte meine Unterarme ab. Einzelne Blicke glitten zu Vaughns und meinem Zeichen, die Hauptaufmerksamkeit lag jedoch auf den Narben an meinen Handgelenken.

„Ich frage Euch ein letztes Mal nach dem Grund Eurer Anwesenheit auf alejandrischem Boden und möchte hierbei noch anmerken, dass wir keine Schritte gegen Euer Land eingeleitet haben, obwohl ihr Morlas Armee freies Geleit gewährt habt."

Ich konnte das Zähneknirschen förmlich hören. Cyrus versuchte erst gar nicht seine Wut zurückzuhalten.

„Es gibt einen Vertrag", knurrte er. „Wir haben unseren Teil eingehalten und erinnern Euch hiermit an die Erfüllung Eurer Pflicht."

„Die da wäre?" Vaughns Magie begann zu brodeln. Nach außen wirkte er noch immer vollkommen ruhig und gelassen, aber ich spürte es in seiner Aura, die langsam dunkler wurde. Er war so wütend, dass er dabei war, die Kontrolle zu verlieren.

„Wie ihr in diesem Vertrag nachlesen könnt, war es Villains Teil des Vertrags Euch in den Norden zu begleiten, woraufhin Ihr einwilligt ihn als Gegenleistung zu ehelichen."

„Das ist Schwachsinn!" Rouven trat vor und Oraziel schirmte Vaughn, dessen Magie begann lauter als das Kaminfeuer zu knistern, unauffällig vor den neugierigen Blicken der alhambrischen Delegation ab. „Belle stand unter einem Bann und hat nicht aus freien Stücken gehandelt. Der dunkle König ist nicht ihr Vater und hatte somit kein Recht sie zu verheiraten. Der Vertrag ist ungültig." Vaughns Magie treib die Raumtemperatur in die Höhe und ich ließ schnell eine sanfte Brise aufkommen.

Ich stand auf, schob seelenruhig die Ärmel meines Kleides über meine Handgelenke und legte den Kopf schief, betrachtete sie abwartend. Man sagte, je stärker der Wille, desto größer die Magie. Und mein Wille, mein Wunsch, das Bedürfnis, mich der Anwesenheit dieser Personen zu entledigen, war enorm.

„Schön, dass wir das geklärt haben. Bliebe nur noch eine Kleinigkeit." Ich formte meine Magie zu einer Druckwelle, mit der ich die sechs Fae an die Wand hinter ihnen schleuderte und festnagelte. Cyrus keuchte und Elianas Augen waren zu schmalen Schlitzen verzogen. „Ist dieser", ich wedelte in einer unbestimmten Geste und mit einem amüsierten Grinsen auf die Schriftrolle, „ungültige Vertrag, der Grund für Villains plötzliche Abreise?"

Cyrus Lippen verzogen sich zu einem schmalen Strich. Er schnaubte verächtlich. „Prinz Villains Abreise hatte mehrere triftige Gründe." Er sah vielsagend zwischen Vaughn und mir hin und her.

„Ich habe Aurelion nicht für derart leichtsinnig gehalten. In dem Zustand, in dem sich Euer Land derzeit befindet, könnt Ihr Euch nicht erlauben, Euer Nachbarsland zu bedrohen." Cyrus hitziger Blick wurde dunkler und verschwamm für einen Moment. Wahrscheinlich hielt er gerade Rücksprache mit seiner Delegation.

„Und zu welchem Entschluss seid Ihr gekommen", fragte ich mit lieblicher Stimme. Ich lehnte mich lächelnd vor und sah zufrieden, wie Cyrus die Erkenntnis erreichte, dass ich über seine Fähigkeiten im Bilde war und ihm somit diesen Vorteil nahm. Er schien darauf nicht antworten zu wollen. Nichts anderes hatte ich erwartet.

„Ihr könnt Eurem König die Einladung zu meiner Krönung überbringen und gleichzeitig mitteilen, dass das Erscheinen Eurer Person nicht erwünscht ist. Und jetzt, hinaus. Ich habe noch Pläne für den Abend." Ich legte meine Hand auf Vaughns Arm und strich ihm mit der anderen in einer eindeutigen Geste über die Schulter, bevor ich mich auf seinem Schoß niederließ und Cyrus und seine Delegation von meiner Magie ruppig aus dem Saal schieben ließ.

„Das war super, Belle! Du bist eine Naturgewalt", freute sich Rouven. Oraziel ging vorausschauend auf Abstand.

„Raus." Vaughns Stimme duldete keinen Widerspruch. Er packte meine Hüfte und zog mich ruckartig näher. Er zitterte vor Wut und in seinen Augen stand pures, wildes Chaos. Wirbelnde Schlieren in den verschiedensten Grüntönen zogen mich in ihren Bann. Ich hörte nicht mehr, wie die Flügeltür geschlossen wurden und die Wächter die Anweisung erhielten niemanden einzulassen. In Vaughns Augen tobte ein Feuer und ich wusste genau, was er jetzt brauchte.

_____________

Ich habe mich sehr gefreut, dass ihr euch ein neues Kapitel von TLK gewünscht habt 💛

Seid ihr bereit für das nächste?🔥🔥

The Lost Kingdom | PausiertWhere stories live. Discover now