Kapitel 5

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„Hältst du es für eine gute Idee nach Nyrea zurückzukehren?", fragte Coilin, der neben mir durch die Gärten schlenderte. Ich wiegte nachdenklich den Kopf. Noch immer pulsierten der Mut und die Zuversicht in mir, ausgelöst durch die unzähligen aufsteigenden Faelichter. Es war eine Erinnerung, einer dieser Moment, von dem ich wusste, dass ich noch lange Kraft aus ihm schöpfen würde.

„Ein Teil von mir wehrt sich dagegen", antwortete ich und strich über ein dunkelgrünes Blatt, das von roten Linien durchzogen war. „Aber ich glaube, dass es unumgänglich ist dorthin zurückzukehren."

Wir gingen weiter, vorbei an hohen, mit Efeu berankten Torbögen, die meine Sehnsucht nach Calea verstärkten. Merkwürdig, wie man immer erst bemerkte, wie sehr man etwas liebte, wenn man es verloren hatte.

„Wie ist es mit dir? Vermisst du dein Zuhause?"

Coilins eisblaue Augen wurden eine Spur dunkler. „Wie auch bei eurer Ankunft verbrachte ich die meiste Zeit mit Reisen. Torins bloße Nähe bereitet mir seit jeher Unbehagen, Schmerz und Wut. Und mein Vater... Torin ist sein Erstgeborener. Der Thronfolger."

„Dennoch darf er ihm nicht jegliche Willkür durchgehen lassen."

„Weißt du, dass ich anfangs dachte, dass er es gewesen sein muss, der den Pfeil auf dich abgeschossen hat? Weil er sich in seinem Stolz durch deinen Sieg im Skulpturenpark derart erniedrigt gefühlt hat. Doch dann habe ich die Magie erkannt, die in diesem Pfeil lag und in dir. Da wusste ich, dass es weder Torin noch jemand anderes aus dem Eisvolk war. Es war dein Pfeil."

Ich nickte. „Weißt du", fuhr er fort. „Mein Vater hat von mir immer die Rolle als sein Stellvertreter vorgesehen. Treu ergeben, bis in den Tod. Und ich habe mich immer wieder gefragt, wie jemand so naiv und leichtgläubig sein kann, um für einen anderen zu sterben. Aber als diese Krone auf deinem Kopf erschien, die Linien auf deiner Haut golden schimmerten und auf deiner Stirn Monde und Sterne erstrahlten, hatte ich genau dieses Gefühl. Dass ich alles dafür tun würde, damit du am Leben bleibst. Dass ich für dich sterben würde."

„Du darfst dich für niemanden opfern, Coilin. Nicht für mich, nicht für deinen Bruder."

„Ach, Belle. Ich war bereit, weil ich das große Ganze gesehen habe. Deine Bestimmung, das Reich zu vereinen, es zu seinem alten Glanz zurückzuführen." Coilins ungewohnte Ernsthaftigkeit machte den Wahrheitsgehalt seiner Aussage unbestreitbar.

„Ich bin froh, dass ich dich habe", erwiderte ich mit einem Kloß im Hals und legte meinen Kopf an seine Schulter.

„Meinst du, ihr habt noch so ein drittes Tattoo übrig? Ich würde mich bestimmt überreden lassen auch so eins zu tragen." Schelmisch grinsend deutete er auf Vaughn und mein Zeichen und ich brach in lautes Gelächter aus.

„Du bist unmöglich!" Er verbeugte sich und ich knuffte ihn. „Danke, das habe ich gebraucht."

„Stets zu Diensten, meine Königin. Und jetzt komm, die Geduld deines überaus liebenswürdiger Seelengefährten kennt Grenzen, die ich nicht unbedingt kennenlernen möchte."

„Das glaube ich dir."

„Ich würde viel lieber...", begann er, doch ich hinderte ihm am Weiterreden, indem ich ihm die Hand auf den Mund hielt.

„Wag es ja nicht!", warnte ich ihn.

„Du weißt doch gar nicht, was ich sagen wollte", verteidigte er sich schmunzelnd.

„Oh, ich habe da so eine Ahnung, mein Freund."

„Ich weiß nicht, wovon du redest." Betont unschuldig hob er die Schultern, zwinkerte anzüglich und schlug den Weg zurück in die Burg ein. Ich streckte seinem Rücken die Zunge raus, dann folgte ich ihm.

The Lost Kingdom | PausiertWhere stories live. Discover now