Aus der Stille und der Verzweiflung können Wunder entstehen

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Er wusste nicht, wie lange er in dem Schwimmbad geblieben war, aber als er wieder aus dem Gebäude heraustrat, setzte bereits die Dämmerung ein. Die anderen Jungs waren längst wieder weg, wahrscheinlich war ihnen langweilig geworden, als er nicht während der ersten halben Stunde wiedergekommen war und sie hatten sich verzogen, um keinen Ärger zu bekommen, wenn ihm in dem baufälligen Gemäuer etwas zugestoßen wäre.

Der Junge hatte nicht die geringste Ahnung, wie diese Nilpferde in das leere Becken des Schwimmbads gekommen waren, eigentlich war das sogar unmöglich, weil sie da gar nicht überleben konnten, aber die Begegnung mit ihnen hatte ihm das Gefühl von Zugehörigkeit gegeben und er war glücklich darüber, einige Stunden bei den Tieren verbracht zu haben.
Er hatte einfach nur neben den Nilpferden am Boden des Beckens gesessen und sich eines seiner geliebten Bücher, das er immer mit dabei hatte, aus seinem Rucksack genommen und gelesen.
Er wusste, dass ihm diese Geschichte sowieso niemand glauben würde, weswegen er sich vornahm, sie für sich zu behalten.
Das war sein kleines Geheimnis.

Beeskow, 1983:

Nun war er in der siebten Klasse. Vor zwei Jahren war er mit seinen Eltern in die Stadt Beeskow gezogen, weswegen er auch die Schule hatte wechseln müssen.
Nach dem, was er im Schwimmbad erlebt hatte, hatten ihn die anderen Jungen einfach ignoriert. So hatte er immer noch keine Freunde gefunden gehabt.
Aber er hatte angefangen, die Nilpferde zu zeichnen und er hatte beschlossen, sich über die Tiere zu informieren. Erst hatte er sich jedes Buch, das er über diese Tiere finden konnte, aus der Bibliothek ausgeliehen, und als er keine weiteren Bücher über Nilpferde finden konnte, hatte er kurzerhand sein Taschengeld gespart und sich im Buchladen für ein paar Mark noch ein bisschen mehr Lektüre besorgt.

Er war ziemlich froh, jetzt in Beeskow zu sein, weil er diese Stadt vom ersten Augenblick an geliebt hatte. Auch mit dem Finden von Freunden war es irgendwie leichter. Er hatte zwar noch keine, aber zumindest kam er mit ein paar seiner Mitschüler sehr gut zurecht.

Die Nilpferde hatte er immer mal wieder gesehen, sie ließen ihn nicht im Stich. Sie schienen immer in seiner Nähe zu sein, sie verließen ihn nie, auch wenn sie manchmal für ein paar Stunden nicht da waren, so kamen sie doch immer wieder. Als er sich am ersten Schultag auf den Weg zur Oberschule gemacht hatte, waren die beiden großen Tiere die ganze Zeit über neben ihm hergetrottet, aber es schien, als wäre er der Einzige, der sie wahrnehmen konnte.

Als er gerade in seinem kleinen Zimmer saß, die Schulaufgaben vor sich liegen habend, erinnerte er sich daran, als er mit seinem Vater einen Film im Fernsehen gesehen hatte. Sie hatten Westfernsehen geguckt und es war sein zwölfter Geburtstag gewesen, als sie sich den Film »Tron« angesehen hatten. Er mochte den Film, die Handlung war zwar ungewöhnlich aber sehr kreativ und die Idee dahinter war faszinierend und regte seine Kreativität an. Es wurde ab diesem Tag sein Lieblingsfilm.

Er blickte wieder auf seine Physikaufgaben und schrieb schnell die Lösung der Aufgabe auf das karierte Blatt Papier. Der Bleistift in seiner linken Hand huschte über das Papier, während er in wenigen Minuten noch die anderen Aufgaben löste.

Als er nach weiteren zehn Minuten seine Hefte, Bücher und das Federmäppchen mit den Stiften in seine Ledermappe gesteckt hatte, sprang er von seinem Stuhl auf und verließ sein Zimmer, dessen Wände mit seinen Zeichnungen der Nilpferde und einigen Bildern zu »Tron«, die er ebenfalls angefertigt hatte, nebst einiger Kurzgeschichten, die er in sein Notizbuch geschrieben hatte, großzügig beklebt waren.

Er stürmte durch den Flur, zog sich schnell seine Schuhe an, warf sich seine Jacke über und verließ das Haus, nicht ohne sich noch den Rucksack zu schnappen, in dem sich seine Taschenlampe, Zeichenblock und Notizbuch, ein paar Stifte und sein Buch befanden, das er momentan las, und verließ schnellen Schrittes das Haus.

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⏰ Last updated: May 30, 2022 ⏰

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