When Someone Smiles [An Inspector Calls]

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Beschreibung: Es ist ein alternatives Ende. Es geht darum, was gewesen wäre, wenn Goole nicht den Tod des Mädchens prophezeit hätte, sondern wenn die junge Frau hätte gerettet werden können.

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Keine Suizide.
Diese Worte hallten in Erics Kopf wider, wie ein Echo.
Er hatte noch die Chance, Sarah zu suchen, sie zu finden. Sie zu retten.
Er achtete nicht weiter auf die Worte seiner Eltern, von Sheila oder Gerald.
Schnellen Schrittes ging er an ihnen vorbei.
»Ich gehe sie suchen«, waren die einzigen Worte, die er noch in den Raum warf, bevor er sich seinen Mantel griff und in die Nacht hinaus verschwand, wie vor wenigen Minuten noch dieser mysteriöse Mann, der plötzlich in ihrem Esszimmer gestanden und seinen Vater gefragt hatte, ob er eine Eva Smith kenne.

Er rannte die Auffahrt hinunter und die Straße entlang.
Eric wollte keine Zeit mehr verlieren.

Es hatte auch etwas Gutes gehabt, dass Goole von ihnen allen ein Geständnis abverlangt hatte. Ob sie die selbe Frau gemeint hatten, oder ob es doch gänzlich unterschiedliche Mädchen gewesen waren, von denen ein jeder von ihnen geredet hatte, war irrelevant, es war nur wichtig, dass seine Eltern ihm nun nach all dem bestimmt erlauben würden, um Sarahs Hand anzuhalten, auch wenn sie nicht der selben Klasse angehörten.
Er würde sie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit überreden können, das Angebot anzunehmen, das er ihr vor wenigen Tagen unterbreitet hatte, jetzt, wo er die Einverständniserklärung von Arthur und Sibyl Birling fast schon in der Tasche hatte.
Und selbst wenn sie es nicht erlauben würden, so würde er mit ihr fortgehen, irgendwohin, wo sie niemand kannte.
Er liebte Sarah, er liebte sein Kind, das unter ihrem Herzen heran wuchs, daran bestand kein Zweifel mehr.
Als er noch vor knapp einer halben Stunde erfahren hatte, dass das tote Mädchen seine Sarah war, war es, als hätte man ihm das Herz aus der Brust gerissen. In diesem Moment hatte er begriffen, dass er sie brauchte, dass er sie liebte, wie niemanden sonst auf dieser Erde.

Der Nebel zog herauf und die grauen Schleier legten sich über das grüne Land wie ein weißes Tuch.
Eric Birling hatte die ersten Häuser der Stadt mittlerweile erreicht und rannte durch die regennassen Häuserschluchten zu der kleinen Parkanlage, bei der sie sich das letzte Mal getroffen hatten.

Die Balustrade des steinernen Gebäudes, das im Zentrum der Wiese erbaut worden war, war mit einigen Lampen behängt worden, die die Umgebung mit ihrem warmen, gelben Licht schwach beleuchteten.
In einiger Entfernung standen in einem angedeuteten Halbkreis Klappstühle, die mit einem grünen Stoff bezogen waren, drumherum, und auf einem dieser Stühle saß Sarah, eine Flasche mit einer durchsichtigen Flüssigkeit in der Hand haltend.
Er rannte auf sie zu.

»SARAH«, rief er, als er mit Entsetzen ansehen musste, wie sie bereits die Flasche an die Lippen hob, kurz davor, einen Schluck von dem tödlichen Gift zu nehmen.

Als sie ihren Namen hörte, hielt sie inne.
Sie sah Eric auf sich zukommen, seine Haare hingen ihm in nassen Strähnen in die Stirn, seine Wangen waren tränennass.

Endlich war er bei ihr angekommen.
»Sarah«, flüsterte er atemlos. »Bitte tu das nicht. Bitte!«
Die junge Frau sah in die Augen ihres Retters, sah in die Augen des Mannes, der der Vater ihres Kindes war, der der junge Mann war, den sie in den letzten Wochen so oft getroffen hatte, den sie mochte.

Erics Hand zitterte merklich, als er ihre Wange berührte, über die kalte, blasse Haut strich.

Es war doch jemand gekommen, um sie zu retten.
Die bodenlose Verzweiflung, die schon seit einigen Tagen Besitz von ihren Gedanken ergriffen hatte, verflüchtigte sich nach und nach, doch das lähmende Gefühl der Angst blieb dennoch bestehen.

Es gab zu viele Variablen in der Zukunft, die sie sich im Moment vorstellte, die sie sich wünschte, die eintreten könnten, wenn sie ihren Plan jetzt aufgab.

Den Tod als einzige Alternative zum Leben zu wählen, war grässlich, doch was blieb ihr für eine andere Wahl?
Konnte sie wirklich mit Eric mitgehen, alles hinter sich lassen, nur auf sein Wort vertrauen?
Konnte sie das wirklich?

Sie wusste aus eigener Erfahrung, dass es Menschen gab, die hinterhältige Absichten verfolgten, die einem nicht helfen würden, sollte man in Not geraten.

Aber nach einigen Sekunden des Nachdenkens kam sie zu dem Schluss, dass Eric Birling keiner dieser Menschen war. Er hatte sogar Geld von seinem Vater gestohlen, um es ihr geben zu können, was zwar der falsche Weg war, aber die Tat allein bewies schon zur Genüge, dass er so einiges tun würde, um ihr zu helfen. Und etwas in ihrem Inneren sagte ihr, dass sie auf ihn vertrauen konnte.

Gemeinsam würden sie mit Sicherheit einen anderen, besseren Weg finden.
Eine Geschichte musste nicht immer in Blut und Tod enden.

Sarah ließ die Flasche fallen, die ins Gras fiel, woraufhin der Inhalt verschüttet wurde und sich in das dunkle Erdreich verflüchtigte.
Dankbar fiel sie ihm um den Hals.

Sie war Eric wichtig, es gab vielleicht doch noch eine andere Lösung, als den Weg in den Tod.

Vielleicht fand sie bei Eric Birling ihr Happy End, vielleicht würden sie glücklich werden können.
Sie hoffte es so sehr.
Eric strich ihr durch das nasse Haar, hielt sie in seinen Armen.
Dann, nach endlosen Minuten des gegenseitigen Haltens und Haltgebens, löste sich Eric ein Stück weit von ihr.
Seine Augen suchten ihren Blick, während seine Finger die ihren fest umschlossen.
»Sarah«, hauchte er, »ich möchte dich noch einmal fragen, weil ich nicht glauben kann, dass es Zufall ist, dass ich die Möglichkeit bekommen habe, dich vor dem Tode zu erretten, möchtest du mich heiraten?«

Sarah stockte der Atem, als sie diese Worte aus Erics Mund hörte.
Sie wusste, noch einmal konnte sie nicht Nein sagen. Nicht um ihret Willen und nicht um den Willen ihres Kindes.
Sie würden einen Weg finden, da war sie sich sicher und daran wollte sie mit aller Macht glauben.

Aber ein Rest Zweifel blieb haften.
Was, wenn Eric es sich anders überlegen würde?
Wenn er eine andere Frau traf, die er mehr liebte?
Wenn seine Eltern es nicht erlauben würden?

Aber als sie in seine dunklen, warmen Augen sah, die sie flehend anblickten, vergaß sie all ihre Zweifel.
Wenn sie es nicht wagte, wenn sie dieses Risiko nicht einging, würde sie nie erfahren, ob es nicht die richtige und vielleicht beste Entscheidung wäre, die sie jemals treffen würde.
Sie mochte Eric, vielleicht würde sie ihn irgendwann auch lieben, aber er besaß ein gutes Herz und einen tadellosen Charakter, und das war alles, was für sie zählte.
Trotzdem er ein paar Laster hatte, aber wer hatte die nicht?

Erneut wallten die Tränen in ihren Augen auf und liefen ihr in Strömen über die Wangen.
Sie nickte, fiel Eric erneut um den Hals, bevor sie ihn auf die Lippen küsste.
Das strahlende Lächeln, das sich auf seinen Lippen ausbreitete, als sie sich wieder von einander lösten, gab ihr Hoffnung.

Sie würden es schaffen, irgendwie.
Aber von jetzt an war sie nicht mehr allein, sie konnte sich auf ihn verlassen.
Sie war ihm wichtig.
Und diese Erkenntnis erfüllte sie mit einer ungeheuren Welle der Euphorie.

Eric erhob sich, reichte ihr die Hand, um ihr aufzuhelfen.
Sie ergriff sie und kam auf die Füße. Er zog seinen Mantel aus, um ihn ihr sogleich um die Schultern zu legen.
Gemeinsam und Hand in Hand verließen sie die Wiese und gingen den Weg zurück zum Anwesen der Birlings.

Keiner von ihnen bemerkte die hochgewachsene Gestalt, die sie aus dem Schatten eines Torbogens heraus beobachtete. Ein sanftes Lächeln umspielte die Züge des Mannes, der sich von der Mauer abstieß und in die entgegengesetzte Richtung in die Dunkelheit der Nacht davon ging.

- Ende -

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LG, Mare.

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