Kapitel 38

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„Hallo und herzlich willkommen bei ‚Die Staats-AG - Voltaire oder Revolutionär’. Heute findet die Vorauswahl der Geschworenen statt, die in diesem epochalen Prozess die Entscheidung treffen sollen. Ihnen kommt eine äußerst wichtige Rolle zu und... Ah, aber da sehe ich gerade Herrn Nolting, den Staatsanwalt auf mich zukommen. Er wird sicher...“ Die Reporterin eilte auf den Staatsanwalt zu, doch dann hielt sie inne und wies den Kameramann mit energischen Gesten an die Kamera auf den Mann zu richten der nicht weit hinter Nolting einher stolzierte. „Sehen sie das, meine lieben Zuschauerinnen und Zuschauer? Herr Nolting scheint von einer verdächtigen Gestalt verfolgt zu werden. Was hat der Kerl an? Sieht ganz nach einem Damenmantel aus Pantherfell und einer Afro-Perücke aus... Sicher ein verrückter Landstreicher. Die tapferen Soldaten hier vor dem Gerichtsgebäude werden sich um ihn kümmerieeeks....!!!“

Für einige Augenblicke verschwand die Reporterin vom Bildschirm. Eine Taube, die einer der tapferen Soldaten gerade abgeschossen hatte, war auf ihrem Kopf gelandet.

Von irgendwo weiter hinten erklang ein gewaltiger Krach und flammende Trümmer flogen durchs Bild. Die Kamera wackelte.

Dann kam aus der selben Richtung eine leise, entrüstete Stimme: „Es war nicht meine Schuld. Ich habe die Handgranate nur fallen lassen, weil diese Frau so geschrien hat! Warum macht die auch so ein Theater? Was ist schon so besonderes daran, dass einem eine tote Taube auf den Kopf fä...“

Die Kamera wurde gerade wieder rechtzeitig gerade gerückt um zu zeigen, wie zwei Gerichtsdiener versuchten, den Mann mit der Afro-Perücke daran zu hindern das Gebäude zu betreten.

„Verdammt noch mal, lasst das sein!“, rief der Mann. „Was habt Ihr denn? Sitzt meine Perücke schief? Ich habe gedacht es würde euch Typen passen wenn ich in diesem Aufzug hier antanze!“

Gerichtsdiener Nummer eins schnaubte. „Ja, ja. Jetzt kommst du erst einmal mit zur Polizeistation. Wir stecken dich eine Weile in die Ausnüchterungszelle, dann kannst du gehen. Aber wehe, du...“

„Verzeihung?“

Der Gerichtsdiener drehte halb den Kopf, ohne jedoch seine Beute loszulassen.

„Ja?“

Ein Anwaltsgehilfe mit einem Lächeln auf dem Gesicht, das schon eher dem verzweifelten Grinsen eines Irren glich, hatte ihm auf die Schulter getippt.

„Was halten Sie davon diesen Herrn loszulassen?“

„Loslassen?? Ist das Ihr Ernst?“

„Ja. Das ist Herr Haake, der Anwalt der Verteidigung.“

Gerichtsdiener Nummer eins riss die Augen auf und starrte den dicken Mann an, der gerade seine Afro-Perücke zurecht rückte.

„Der Anwalt der Verteidigung? Der da?“

„Ja. Und bevor Sie mich fragen ob das mein Ernst ist: Ich wünschte er wär's nicht, aber er ist's. Ich schlage vor Sie entschuldigen sich bei ihm, lassen ihn das Gebäude betreten und begleiten mich in die nächste Kneipe auf einen doppelten Whiskey. Ich brauche einen.“

„Nun, was den letzten Teil angeht, dagegen habe ich nichts...“

*~*~*~*~*~*

Nolting schnaubte abfällig und drängte sich durch die Masse der Presseleute in der Vorhalle.

„Dieser Wurm Haake ist eine Schande für alle Anwälte“, sagte er immer wieder im Vorbeigehen. „Und jeder der nicht mindestens drei Schrauben locker hat, wird darin mit mir übereinstimmen.“

Einer der Presseleute, mit einem Kameramann dicht auf den Fersen, sprang auf ihn zu.

„Sie sagen also, wer so angezogen ist, könne unmöglich als Anwalt praktizieren?“

„Ja, natürlich! Er würde sofort zum Gespött der Leute.“

„Dann könnten Sie uns bitte das dort drüben erklären? Dort links, am Tisch der Anklage.“

Der Reporter deutete zu Noltings Anwaltsgehilfen. Sie alle lächelten unter ihren enormen, pechschwarzen Rasta-Perücken etwas schüchtern in die Kameras.

*~*~*~*~*~*

Schmidt und Braun bogen sich in ihrer Zelle vor Lachen.

„Wie...“, schnaufte Schmidt, und deutete mit einem wackelnden Zeigefinger auf den Fernseher, der einen tobenden Nolting zeigte der seine Anwaltsgehilfen durch das Gerichtsgebäude hetzte, „wie um alles in der Welt hast Du das angestellt?“

„Nun, als ich von Haakes geplantem Aufzug erfuhr, dachte ich ein wenig Solidarität unter der Anklage könnte nicht schaden... es ist erstaunlich, was fünf mal 7 Millionen Dollar ausrichten können.“

„Fabelhaft! Einfach FA-BEL-HAFT!!!“

*~*~*~*~*~*

Es hatte etwas gedauert bis Nolting sich wieder beruhigt hatte, aber es war ihm schließlich gelungen, mithilfe einer Tasse Kamillentee und einer gewaltigen Schimpfkanonade in Richtung seiner Anwaltsgehilfen. Jetzt saß er am Tisch der Anklage und ließ den Blick seiner stahlbebrillten Augen über die Geschworenen schweifen.

Er sah viele Kronen. Und Schärpen. Und Diademe. Und Zepter.

„Was zum Teufel ist hier los?“ zischte Nolting einem seiner Assistenten, der inzwischen seine amüsante Kopfbedeckung abgenommen hatte zu. „Die Soldaten hätten doch ungeeignete Personen vom Gerichtsgebäude fernhalten sollen! 9 von 10 der Kandidaten haben ihren eigenen Staat!“

Der Anwaltsgehilfe räusperte sich. „Herr Nolting, haben Sie die Verhaltensweise der Soldaten dort draußen beobachtet? Ich würde sagen es kommt ganz darauf an wen die als ungeeignet bezeichnen...“

„Das ist einfach ungeheuerlich!“

„Ja, Herr Nolting.“

Ein Gerichtsdiener trat vor. „Ruhe bitte! Ruhe bitte! Alle Anwesenden erheben sich bitte. Der Richter kommt!“

Als der Richter eingetreten war und sich niedergelassen hatte, setzten sich auch alle anderen wieder und blickten erwartungsvoll zum Richterstuhl empor.

„Die Sitzung ist eröffnet. Also... Geschworenenkandidat Nummer 1, Alfons Hintermeier – oh, Verzeihung, Seine Majestät König Alfons Hintermaier vom Ellenweg 3.“

*~*~*~*~*~*

Nolting stürmte mit rotem Gesicht aus dem Gerichtsgebäude. Reporter scharten sich um ihn, doch er stieß sie beiseite und steuerte geradewegs auf den nächsten Soldaten zu.

„Holen Sie Ihren Hauptmann! Ich verlange ihn sofort zu sprechen!“

„Tut mir leid, der Hauptmann ist nicht zu sprechen.“

„Und warum nicht?“

„Er hat gestern bei der Demonstration ein Schild auf den Schädel bekommen und ruht sich aus. Der Doktor kümmert sich um ihn.“

„Dann eben den Feldwebel oder wer hier sonst gerade das Kommando hat!“

„Geht leider auch nicht.“

„Ach, er ruht sich wohl auch aus?“

„So könnte man es ausdrücken, ja. Allerdings braucht er keinen Arzt mehr. Er war etwas unvorsichtig beim Granaten jonglieren.“

„Was für Soldaten seid ihr denn? Ihr seid eine Bande von Wahnsinnigen!!“

„Jawoll!“

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Wieder mal ein Kapitel Staats-AG! Ich hoffe euch gefällt Haakes Perücke? :-)

GLG

Robert

P.S: Der externe Link führt mal wieder zu meinem Twitter-Account wo es alle News über meine Stories gibt :) 

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