Kapitel 1

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Zehn Personen sind wir. Neun Räuber und der Professor. Sieben Männer und drei Frauen.

Wir sind in Toledo und laufen auf eine Villa zu. Als wir sie betreten gucken wir sofort durch die Gegend.

Es sieht alles etwas kaputt und alt aus, aber dafür ist es abgeschieden von der Welt. So wie es eben bei einer Planung von dem vielleicht größten Raubüberfall der Geschichte sein sollte.

Wir gehen, dem Professor hinterher, die Treppe hoch und betreten eine Art Klassenzimmer. Eine Tafel und neun Sitzbänke mit Block und Stiften, so wie früher in der Schule.

Der Professor bittet uns, uns zu setzen, was wir auch sofort tun.

Ich setze mich hinter eine Frau mit längeren schwarzen Haaren, welche mich im Vorbeigehen anlächelt und mir zuzwinkert.

Natürlich tue ich es ihr gleich und schenke ihr ebenfalls ein Lächeln.

Der Professor schreibt mit Kreide Willkommen an die Tafel und sagt dazu "Herzlich Willkommen. Und ich danke euch dafür, dass ihr dieses Stellenangebot angenommen habt."

Es ertönt eine komische Lache von dem Mann, der hinter unserem Wohl ältesten Mitglied sitzt. Die Lache erinnert mich etwas an den Klang eines Maschinengewehrs.

"Wir werden hier wohnen." fährt der Kopf der Bande fort. "Fernab vom Lärm der Welt. Fünf Monate in denen wir einstudieren werden, wie wir diesen Überfall durchziehen."

"Was soll das heißen fünf Monate? Bist du verrückt, oder was?" fragt unser ältestes Mitglied. Der Professor setzt sich auf seinen Tisch:

"Seht mal, die Leute verbringen Jahre damit zu studieren, um ein Gehalt zu bekommen, ein Gehalt das im besten Falle nur ein scheiß Gehalt ist und mehr nicht. Was sind da fünf Monate?"

Er macht eine kurze Pause, damit wir die Worte einsinken lassen können, bevor er weiter redet:

"Ich habe diese Sache schon ziemlich lange im Kopf, um nie wieder im Leben arbeiten zu müssen. Und das müsst ihr dann auch nicht, genauso wenig wie eure Kinder."

Wir gucken uns kurz alle gegenseitig an, manche haben unsichere Blicke aufgesetzt, manche entschlossene.

Man kann sofort sagen, wer Bedenken oder Angst hat und wer sich die Sache mit dem Überfall bestens überlegt hat und bei jedem Scheiß dabei ist.

"Gut, im Moment kennt ihr euch nicht und ich will, dass das auch so bleibt. Ich will keine Namen, keine persönlichen Fragen und selbstverständlich auch keine persönlichen Beziehungen. Ihr müsst euch nur einen Namen überlegen, irgendetwas einfaches. Zum Beispiel wie Planeten, Nummern, Städte."

"Also, sowas wie señor 17 und señorita 23." gibt der mit der komischen Lache von sich.

"Das ist schonmal scheiße, ich kann mir nicht mal meine Telefonnummer merken." erwidert der Älteste vor ihm.

"Deswegen sag ichs ja."

"Planeten? Ich könnte Mars sein und er Uranus." zeigt unser wohl jüngstes Mitglied zwei Banken vor mir auf den mit der Lache vor ihm.

"Uranus auf keinen Fall, vergiss es."

"Was stört dich an Uranus?"

"Der reimt sich blöd."

"Wollen wir dann Städtenamen nehmen?" schlägt der Professor vor. "Städtenamen sind okay."

"Gut."

Und damit beginnt die Vorstellungsrunde.

In der rechten Reihe ganz vorne sitzt Tokio. Sie macht auf mich einen sehr sturen und impulsiven Eindruck, aber ich will nicht vorurteilen. Sie ist bestimmt auch super nett.

Der hinter ihr ist Berlin, per Haftbefehl gesucht. 27 Raubüberfälle auf Juweliere, Auktionshäuser und Geldtransporte.

Seinen größten Coup landete er in Paris auf der Champs Élysée, 434 Diamanten. Mit ihm ist es wie mit einem Hai: Man kann mit ihm schwimmen, man bleibt aber immer nervös. Er sollte den Überfall leiten.

Der, der da auf der ersten Bank in der linken Reihe hustet ist Moskau.

Er hat mal in 'ner Miene gearbeitet, in Asturias. Danach hat er begriffen, dass er weiter kommt, wenn er nach oben gräbt.

Sechs Pelz-, drei Uhrengeschäfte und die Kreditgenossenschaft in Avilés. Er kann mit dem Schweißbrenner genauso umgehen, wie mit jedem anderen Werkzeug.

Der hinter Moskau, der Typ mit der komischen Lache ist Denver. Sein Sohn.

Drogen, ausgeschlagene Zähne, kaputte Rippen. Er ist der König der Schlägereien, der reinste Hitzkopf. In einem perfekten Plan eine tickende Zeitbombe.

Rio, unser wohl jüngstes Mitglied, welches hinter Denver sitzt. Er ist der Mozart der IT.

Er programmiert seit er sechs ist und weiß alles über Alarmanlagen und Elektronik. Was die restlichen Dinge im Leben angeht, ist er wie ein Kleinkind.

Und dann sind da noch die Zwillinge, Helsinki und Oslo. Sie sitzen hinter Berlin.

Selbst für den kleversten Plan braucht man einfache Soldaten. Zwei Serben sind dafür ideal. Möglich, dass sie denken können. Wir werden es nie erfahren.

Die Frau vor mir und hinter Rio ist Nairobi. Hoffnungslose Optimistin.

Sie hat schon mit dreizehn Banknoten gefälscht und leitet jetzt unser Qualitätsmanagement. Gut möglich, dass sie verrückt ist, aber sie ist wirklich sehr lustig.

Ich bin Florenz. Die 26 jährige Räuberin, die einfach noch etwas im Leben erleben möchte. Was eignet sich dafür besser, als ein Raubüberfall?

25 erfolgreiche Raubüberfälle auf Tankstellen, kleine Geschäfte und Juweliere. Man hat mich noch nie erwischt oder überhaupt verdächtigt.

In diesem Überfall spiele ich hauptsächlich die Babysitterin und Notfallärztin. Ich passe darauf auf, dass das Team keine Dummheiten macht, dass es den Geiseln gut geht und jeder sich benimmt.

Und wenn etwas schief läuft, dann kann ich mit meinen medizinischen Kenntnissen auch Wunden verarzten.

"Stellt euch vor, die werden Tag für Tag über uns reden. Jede Familie wird sich die Frage stellen: Was machen die gerade? Und wisst ihr was sie denken werden? Jeder wird sich denken: Verdammt, warum ist mir das nicht eingefallen?"

Der Professor. Keine Vorstrafen, keine Anzeigen. Er hat seinen Ausweis zuletzt verlängert, als er neunzehn war.

Man könnte sagen, er ist ein Geist. Aber ein sehr intelligenter Geist.

"Denn im Grunde werden wir nämlich keinem Geld stehlen. Und deshalb werden sie uns mögen. Es ist entscheidend, dass wir die Menschen im ganzen Land auf unserer Seite haben!" erklärt uns der Professor und wir hören ihm alle aufmerksam zu und machen uns Notizen. Schließlich müssen wir uns das Alles merken.

"Wir werden für die Leute so was wie Helden sein, aber wir müssen vorsichtig agieren. In dem Moment, wo auch nur ein Tropfen Blut fließt, und das ist wirklich wichtig, selbst wenn es nur ein Opfer gibt, wären wir alle nicht mehr so was wie Robin Hood, wir wären nur einfache Schweinehunde! Versteht ihr?"

"Professor?" meldet sich Tokio.

"Señorita Tokio?"

"Was überfallen wir denn?" fragt sie die Frage, die wohl uns allen hier im Kopf rumschwirrt. Der Professor zeigt nach hinten zu einem Modellgebäude und wir drehen uns alle um:

"Die staatliche Banknotendruckerei."

mi amor || Berlin fanfiction (La Casa De Papel)Where stories live. Discover now