X. Sleepless 🌕🌖🌗

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"Ich fürchte, dass du wohl jetzt fest als Übernachtungsgast eingeplant bist", kläre ich ihn auf. Niemand kann ihn zwingen. Ich könnte es verstehen, wenn ihm das zu verrückt ist, immerhin kennen wir uns erst seit heute Nachmittag.

"Ich kläre das. Du musst hier nicht schlafen, Magnus", versichere ich ihm und greife nach seiner Hand, um Magnus zurück zu den Partygästen zu führen. Wieder durchbrechen wir das fröhliche Geplänkel und werden eindringlich gemustert.

"Ihr habt doch nicht geglaubt, dass ihr den Wölfen entkommen könnt?", entgegnet mein Dad belustigt und deutet auf die zwei unbesetzten Stühle neben sich.
"Man wird ja wohl noch träumen dürfen", murmle ich verlegen und nehme zusammen mit Magnus Platz.

Izzy erklärt derweil für alle die Regeln, die vermutlich nicht mehr allzu präsent in den Köpfen der anderen sind. Magnus neben mir nickt verstehend. Seine Hand schleicht sich unauffällig zu meiner und ich bin mehr als glücklich über diese Geste.

Aufgrund der vielen Spieler schaffen wir tatsächlich nur eine Runde und die dauert eine gefühlte Ewigkeit. Einige versuchen immer wieder krampfhaft ein Gähnen zu unterdrücken.

Meine Mutter hat inzwischen Decken verteilt, denn mittlerweile ist es doch recht frisch geworden. Doch das Bier, welchem ich mich noch immer genüsslich widme, wärmt mein Innerstes gehörig auf. Magnus gönnt sich mit Izzy eine Flasche edlen Weißweins. Ich glaube, es ist bereits ihre zweite Flasche.

Magnus wirkt entspannt und gut unterhalten, wird von Minute zu Minute offener. Wir beide werden erst am Ende der Partie als Werwölfe enttarnt und holen schließlich für unsere Truppe den Sieg.

Als ich unauffällig auf die Uhr schiele, kann ich kaum glauben, dass es schon halb drei Uhr morgens ist. Die ersten Gäste verabschieden sich bereits und taumeln gähnend in ihr Übernachtungszelt.

Ich bin froh, dass mein gemütliches Bett in meinem alten Zimmer auf mich wartet. Meine Eltern haben nichts daran verändert, so als hofften sie noch, dass ich eines Tages wieder zu ihnen zurückkehren würde.

"Magnus, für dich auch noch ein Glas Wein?", erkundigt sich Izzy mit deutlich schwerer Zunge.
"Nein, danke. Ich muss nachher mit meinem Fahrrad noch den Weg nach Hause finden", antwortet Magnus mit einem breiten Grinsen. Ich wünschte, er würde nicht gehen, doch diese Entscheidung habe nicht ich zu treffen.

"Ach was. Du schläfst natürlich hier! So spät sollte niemand mehr mit dem Fahrrad unterwegs sein", verkündet Izzy und blickt auffordernd zu meiner Mutter.

"Ganz genau. Ich dachte, es wäre bereits entschieden, dass Magnus hier schläft. Ich habe schon eine Matratze und frisches Bettzeug in dein altes Zimmer gebracht, Alec", erklärt Mom mit einer Lässigkeit, dass mir die Worte im Hals stecken bleiben.

Magnus und ich haben hier wohl kein Mitspracherecht. Ich weiß nicht, ob ich sauer oder dankbar sein soll. Ein echter Zwiespalt.

"Ich will keine Umstände bereiten", meldet sich Magnus zu Wort, der sichtlich überrumpelt wirkt.
"Tust du nicht. Wir bestehen darauf, dass du unser Übernachtungsgast bist", mischt sich Izzy ein und zwinkert uns provokant zu.

"Na gut, wenn es für dich in Ordnung ist?", flüstert mir Magnus ins Ohr und drückt fest meine Hand.
"Natürlich", gestehe ich und erwidere seine Geste. Ich muss mich wirklich zügeln, Magnus nicht vor den Augen meiner ganzen Verwandtschaft verlangend zu küssen. Ich vermisse dieses berauschende Gefühl seiner Lippen auf meinen.

"Alec, denkt ihr daran mir noch eure Sachen rauszulegen, damit ich sie waschen kann?", erinnert mich meine Mutter. Ich nicke stumm und ehe mein Vater konkret nachfragen kann, weshalb meine Mutter mitten in der Nacht waschen will, bin ich schon aufgesprungen und helfe gemeinsam mit Magnus Gläser und Geschirr ins Haus zu tragen.

"Nur das Nötigste, Alec! Den Rest machen wir morgen Früh", höre ich meinen Dad hinter mir, den die Müdigkeit auch schon ereilt hat, da er ununterbrochen gähnt.

Nach dem dritten Tablett Gläser, dass ich in die Küche bringe, schmeißt mich meine Mutter raus.
"Los jetzt, ab ins Bett mit euch!", erwidert sie und deutet auf Magnus und mich.

Ich weiß, es bringt nichts mit ihr zu diskutieren, deshalb bemühe ich mich erst gar nicht. Gemeinsam mit Magnus schleichen ich in mein altes Zimmer. Sowohl das Gästezimmer als auch unsere Schlafcouch im Wohnzimmer sind allesamt belegt. Nicht das erste Mal bin ich froh, ein eigenes Bad in meinem Zimmer zu haben.

Wie meine Mutter bereits verkündet hat, ist mein Bett mit frischen Bettzeug bezogen, ebenso die Matratze für Magnus. Handtücher und Mundpflege-Sets warten im Badezimmer. 'Das Lightwood-Hotel hat wieder geöffnet', denke ich mir und schmunzle über den Perfektionismus meiner Mom, die es immer allen recht machen will.

Ich überlasse Magnus zuerst das Badezimmer und warte auf meinem Bett sitzend, ungeduldig darauf, dass er dieses mit wenig Stoff wieder verlässt. Vielleicht bin ich ein wenig angeheitert, aber leider nicht so viel, dass ich mich vollends locker und frei von Verlegenheit geben kann.

Die Badezimmertür öffnet sich einen Spalt und Magnus tritt nur in schwarzer Unterhose heraus. Ich bemühe mich ihn nicht anzustarren und erhebe mich vom Bett. Doch was ich mit nur einem kurzen Blick erhaschen konnte, gefiel mir sehr.

"Ich habe meine Sachen in den Wäschekorb gelegt. Ich hoffe, dass war in Ordnung?", erklärt mir Magnus flüsternd und weicht das erste Mal an diesem Abend meinen Blick aus.

"Klar. Ich stelle ihn gleich raus, vor die Tür. Leg dich ruhig schon hin", versichere ich ihm und verschwinde ins Badezimmer. Der Blick in den Spiegel trifft mich hart. Dunkle Ringe haben sich unter meine Augen gebildet und meine Haare sind ein einziges Chaos. Ich wasche mir gründlich das Gesicht und putze mir anschließend die Zähne.

Auch meine schmutzbefleckte Kleidung landet im Wäschekorb. Das Licht in meinem Zimmer ist bereits ausgeschaltet und so nutze ich die Lichtquelle aus dem Badezimmer und stelle den Korb vor die Zimmertür.

Bis auf Magnus' gleichmäßige Atemzüge ist es totenstill.
'Schläft er etwa schon?' Sicher ist auch er müde und geschafft. Dennoch hätte ich mich gern noch etwas mit ihm unterhalten.

Das Licht erlischt und ich tabse in völliger Dunkelheit zu meinem Bett.
Der Duft frisch gewaschener Bettwäsche ummantelt mich. Ich seufze. Es ist schön, wieder zu Hause zu sein und jederzeit die Möglichkeit zu haben hierher zu kommen. Liebe gibt es in meiner Familie reichlich. Auch ich habe viel davon zu geben.

"Gute Nacht, Magnus", wispere ich und murmle anschließend: "Es tut mir leid."
Schon als ich die Hoffnung fast aufgebe, noch einmal Magnus' sanfte Stimme zu hören, antwortet er mir:
"Es gibt nichts, was dir leidtun müsste, Alexander.

"Du schläfst auf dem Boden. Ich halte das nicht für fair."
"Das ist doch Unsinn! Ich schlafe ja nicht auf den Boden, sondern auf einer überraschend bequemen Matratze", entgegnet er mit amüsiertem Tonfall in der Stimme.

"Dann tut es mir leid, dass meine Mutter dich so überrumpelt hat. Sicherlich war es nicht dein Plan heute Nacht in meinem Zimmer zu verbringen. Du warst nur zu höflich, es zu sagen", fahre ich weiter fort und schlage die Bettdecke zurück. Mir ist viel zu warm, obwohl ich nur meine Unterhose trage.

"Ja. Ich gebe zu, ich war etwas überrumpelt, doch anderseits bin ich auch froh, hier bei dir sein zu können. Ich mag dich, Alexander. Sehr sogar."

Bevor ich etwas erwidern kann, fügt Magnus noch hinzu:
"Du machst dir zu viele Gedanken, Alexander. Versuch etwas Ruhe und Schlaf zu bekommen."

"Leichter gesagt, als getan", gestehe ich ihm mit hörbarer Frustration. Er kann mir doch nicht so etwas sagen und dann denken, ich schlafe danach wie ein Baby. Unruhig wälze ich mich in meinem Bett hin und her und würde am liebsten laut aufschreien.

Flowers First - Der Blumendieb 💐🏃🏻‍♂️Where stories live. Discover now