kapitel 10

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Schmerz.
In meinem Herz.
In meinem Kopf.
In meiner Seele, in meinen Sinnen, in der Art, wie ich atme.

Wie ich lebe, wie ich berührt werde, wie ich mich berühren lasse.
Ich suche dich nicht, aber meine Sinne finden dich trotzdem für mich.

Zeig mir dein Lächeln,
dein Leben.
Zeig mir deine Welt.
Und rette somit die meine.

Küss mich, halt mich fest.
Zeig mir, dass ich es Wert bin, lass mich fühlen,
dass nur du in meinem Leben fehlst.

Ich glaube, dass Romere mich hasst. In den vergangenen Tagen ist unsere Kommunikation so gut wie ausgestorben. Er hat wohl gemerkt, dass ich kein Interesse mehr hege, etwas an diesen Umständen zu ändern. Wir verbringen den größten Teil des Tages in peinlichem Schweigen, den Rest ... nun den Rest damit, uns zu beleidigen. Ich wünschte, dass ich diesen Weg niemals eingeschlagen hätte. Denn egal wie schlimm unser Verhalten tagsüber auch sein mag, nachts ist es viel schlimmer. Ich fühle mich zu Romere angezogen und an seinem schweren Atem, seiner unruhigen Haltung und der Spannung seines Körpers, der immer wieder gegen meinen streift, geht es ihm genauso. Meine Albträume haben sich wieder einen Weg an meine geistige Oberfläche gebahnt. Das ist wohl das Schlimmste, wenn mein Leben ein wenig den Bach runtergeht ... meine Nächte werden zu einer Katastrophe.

Glücklicherweise hat Romere davon aber nichts mitbekommen, weil ich absolut keine Lust habe, mich ihm zu erklären. Vor allem weiß ich nicht, was ich ihm überhaupt sagen würde. Wenigstens werde ich von Tränen auf meinen Wangen und nicht von Schreien geweckt. Die sind nämlich schon ein wenig schwieriger zu verstecken. Ich wringe den durchnässten Stoff meines T-Shirts über dem Fluss aus. Ich habe heute mehr geschwitzt als sonst, vermutlich weil die Wanderung nicht annähernd so erholsam war wie sonst. Mein Kopf ist eine Baustelle, hauptsächlich weil ich Romere aus dem Weg gehen möchte, aber mein Körper sich so zu ihm hingezogen fühlt. Ich vermisse die witzigen Momente, auch wenn es davon bisher nicht viele gegeben hat. Wegen mir.

Als ich zu unserer kleinen Campingstelle zurückkehre – es ist schon die dritte, glücklicherweise aber eine, bei welcher wir neuen Proviant abholen konnten – sitzt Romere schon wieder auf dem Boden wie ein kleiner Pfadfinder und kümmert sich um das Feuer. Es scheint ihn zu beruhigen in die Flammen zu starren, solange er nicht in mein Gesicht sehen muss. Ich suche wieder nach einem Satz, den ich ihm sagen könnte, aber mein Kopf ist wie leergefegt. Romere bemerkt meinen Blick, versteift sich, sieht mich aber immer noch nicht an. Er hat heute ausgesprochen viele Pausen bei der Wanderung verlangt, was mich mehr gestresst hat als sonst. Er hat das Geschenk Nummer zwei abgeholt – ein Federmäppchen – und ich das Geschenk Nummer vier – eine wieder verwendbare Wasserflasche.

„Soll ich dir etwas aus dem Häuschen mitbringen?", will ich von ihm wissen. Eine Weile reagiert er nicht. Vielleicht hat er mich nicht gehört. Ich seufze und fahre mir durch meine Haare, die ich mit den Fingern gekämmt habe, weil es immerhin ein guter Zeitvertreib ist.

„Romere-...", setze ich an, doch er unterbricht mich mit einem Kopfschütteln. Will er nicht reden oder will er nicht, dass ich ihm etwas mitbringe? Ich verharre noch einige Sekunden in dieser Position, darauf wartend, dass er seine Gedanken ausführt. Macht er nicht. Verdammt aber auch. Ich ermahne mich, dass ich mir das vollends selbst eingebrockt habe und zwinge mich dazu in die Hütte zu marschieren. Ich hätte besser mit ihm umgehen sollen, wenn ich nicht gewollt hätte, dass mir diese ganze Sache so zusetzt. Ich hätte ehrlich sein sollen.

Aber das ist das Problem mit der Wahrheit und mit Lügen. Sie sind ausgerichtet in einer Perspektive, die eine überwältigende Grauzone überdeckt und uns entscheiden lässt, wie viel wir einer Person mit unseren Geheimnissen, ja sogar Gewohnheiten vertrauen. Wie viel wir jemanden schätzen, lieben, brauchen. Vertrauen ist gewiss eines der schwierigsten Dinge, aber jemandem nicht zu vertrauen? Das ist Ruin auf zwei Beinen. Man merkt schnell, wer nicht vollends ehrlich ist. Wenn man die Wahl hat, zwischen einer Person, die offen und ehrlich ist und einer ... die es eben nicht ist, dann wird die Wahl nicht besonders schwer sein.

Romere hat sich ebenfalls entschieden. Er vertraut lieber auf sich selbst als sich von mir so behandeln zu lassen, wie ich es bei ihm eben getan habe. Ich kann es ihm nicht verdenken, aber es verletzt mich dennoch. Ich habe offensichtlich keinerlei Selbsterhaltung und das beißt sich mit meinem Bedürfnis, auf irgendeine Art glücklich oder zumindest zufrieden zu sein. Das traurigste dabei? Es ist alles meine Schuld.

Ein kleines Füllkapitel vor Auffahrt, am Wochenende geht's dann wieder richtig weiter...🥰

Wie seht ihr die momentane Situation zwischen Audrey und Romere so?

Save Me MaybeWhere stories live. Discover now