XV

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Nach dem Telefonat kam tatsächlich ein weiterer Biker in den Raum, den ich im ersten Moment nicht als einen solchen erkannt hätte. Er war älter als die anderen, sodass er wohl äußerlich auch mein Vater hätte sein können. Die grauen, langen Haare und der dazugehörige Schnauzer ließen ihn aber dennoch nicht unattraktiv wirken. Er hatte sie sich fein säuberlich zurückgegelt, sodass sie nicht in sein kantiges Gesicht fielen, das durch seine auffallend hellen Augen gekennzeichnet wurden. Er wirkte vertrauenserweckend und das war bei weitem eine schlimme Eigenschaft für mich, denn wenn es eines gab, das ich nicht wollte, dann war es leichtfertig zu vertrauen. Deshalb ignorierte ich auch das leichte Lächeln auf seinen Lippen und ließ meinen Blick weiter über seinen muskulösen Körper wandern, der in ein schwarzes Shirt und eine dunkle Hose gehüllt war, wie ich es auch von den anderen Bikern gewohnt war.

„Du bist also Sky." Die Stimme des Fremden, der wohl Doc sein musste, klang so dunkel, dass man glauben konnte, er hätte schon als Kleinkind das Rauchen begonnen.

„Wohl oder übel", seufzte ich. „Bringen wir es hinter uns." Der Fremde lachte auf.

„Du bist ganz eindeutig Snipers Schwester."

„Sniper?" Verwundert hob ich die Augenbrauen in die Höhe.

„Straßenname", erklärte Doc, ehe er auf meine Arme deutete. „Darf ich?" Schulterzuckend hielt ich ihm meinen Arm entgegen und sofort wandelte sich der Blick des Älteren von dem warmen, fürsorglichen in einen kalkulierenden. Es war faszinierend zu beobachten, wie er das Stück Stoff um meinen Oberarm abwickelte, seine Finger an meine Wunde legte und ohne jeden Zweifel genau wissen zu schien, was zu tun war. Er zog eine Tasche unter meiner Liege hervor, stellte sie neben mich und zog eine Lösung und einen Tupfer daraus hervor.

„Du solltest das Shirt kurz ausziehen, damit ich deine Wunde besser behandeln kann." Zweifelnd zog ich meine Augenbrauen in die Höhe, was Doc laut auflachen ließ. 

„Keine Angst, Sweety. Du bist etwas zu jung für mich." Ein breites Grinsen legte sich auf die Lippen des Älteren, das mich vermuten ließ, dass er trotz des Altersunterschiedes mit Sicherheit kein Problem damit hatte, Frauen in meinem Alter in sein Bett zu locken. Er war gutaussehend und das wusste er mit Sicherheit.

„Ich lasse das Shirt lieber an", erklärte ich so monoton wie möglich.

„Sorry, aber ich das geht nicht. Wenn du willst, kann Sniper dabei sein, wenn..."

„Nein." Ich wusste, dass meine Antwort zu schnell kam, als ich die Zweifel in den Augen des Bikers sah.

„Nein?"

„Nein", bestätigte ich. Eine kurze Pause entstand, die ich schließlich mit einem lauten Seufzer unterbrach. Doc würde wohl nicht nachgeben. „Du hast eine ärztliche Schweigepflicht, oder?" Nun war es an dem älteren Biker, skeptisch die Augenbraue zu heben.

„Ist das wichtig?" Wieder zögerte ich nicht.

„Ja."

„Okay", seufzte Doc auf. „Ärztliche Schweigepflicht. Und jetzt zieh das Shirt aus." Skeptisch musterte ich meinen Gegenüber, ehe ich mit zitternden Fingern den Saum des T-Shirts packte und tief einatmete. Dann zog ich es mir mit einem Ruck über den Kopf. 

„Heilige Scheiße. Sweety, wer...?"

„Keine Fragen", zischte ich, während mir die Röte in die Wangen stieg. Ich wusste, dass nichts Sexuelles in Docs Blick lag, aber da war etwas Anderes, was ich schon lange nicht mehr kannte.

Sorge.

Wut.

Und Mitleid... Verdammtes Mitleid, das ich mehr als alles andere hasste. 

Ich wusste, was er sah. Es waren nicht nur die frischen blauen Flecken und Schnitte, die kaum mehr ein paar Tage alt waren, sondern auch die Narben. Narben von Messern und Peitschenhieben, die ich alle weder gewollt noch verdient hatte. Aber sie waren nun einmal meine Vergangenheit.

Eine, der ich einfach nicht entfliehen konnte.

Skylar - Sei meinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt