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„Leider", zischte ich, während ich meine Hand endlich aus Davids Griff reißen konnte. Kaum dass dieses eine Wort meine Lippen verließ, fuhr die zweite Person in diesem Raum zu mir herum. Er saß auf einem der beiden Ledersesseln, die vor Blakes Schreibtisch standen und obwohl ich ihn bis eben nur von hinten gesehen hatte, hatte ich ihn natürlich sofort erkannt. Elijahs schwarzen Haare waren länger geworden. An den Seiten hatte er sie sich abrasiert, aber dafür auf dem Kopf so lang wachsen lassen, dass er sie zu einem Knoten zusammenbinden konnte. Ein schwarzer Bart zierte mittlerweile sein Gesicht und ließ ihn älter wirken. Seine Augen hatten dasselbe eiskalte Blau wie meine, was uns noch ähnlicher wirken ließ. Wie David auch hatte er an Muskeln zugelegt, die durch die schwarze Kleidung sowie die unzähligen Tattoos nur noch unterstrichen wurden. Eines fiel mir dabei natürlich direkt ins Auge. Der Tiger, der seinen kompletten Unterarm einnahm.

„Sky", hauchte mein älterer Bruder fassungslos, während er auf mich zuschritt. Automatisch wich ich zurück, stieß dabei jedoch gegen David, was wir beide allerdings ignorierten. Blake beobachtete das Geschehen mit wachsamen Augen. 

„Lija", erwiderte ich so kalt wie möglich. „Kann ich jetzt gehen?" Mit einem großen Schritt war Elijah bei mir und zog mich an seine Brust. Sofort umgab mich seine Wärme, in die ich mich sofort hineinschmiegen wollte. Schon immer war es Elijah gewesen, der es geschafft hatte, dass ich mich sicher und geborgen fühlte. Er hatte mich vor allem beschützt, was mir Schaden zufügen konnte, und mir immer zugehört, wenn ich ihn brauchte. Zumindest war es früher so gewesen. Mit diesem Gedanken schob ich Elijah von mir, der mich sorgsam musterte.

„Wo bist du nur gewesen?", hörte ich meinen Bruder flüstern, während er mich genau zu mustern begann. Sofort kam ich mir unglaublich nackt unter seinem Blick vor. Natürlich wusste ich, dass er meine Narben unter der Kleidung nicht erkennen würde, aber trotzdem konnte ich seinem Blick nicht standhalten. Ich musste hier raus. 

Sofort!

„Ich war da, wo ich sein wollte. Weit weg von dir!", zischte ich. Der Schmerz in seinen Augen ließ mich für einen Moment meine Worte bedauern, aber als ich daran dachte, was geschehen war, verschwand mein Mitleid mit ihm so schnell, wie es gekommen war.

„Was ist mit dir los, Sky?", knurrte Elijah auf. „So kenne ich dich ja gar nicht."

„Genau", erwiderte ich. „Du kennst mich nicht." Mit diesen Worten drehte ich mich um und versuchte, an David vorbei zu kommen, der sich vor der Tür aufgebaut hatte. „Wars das dann jetzt?"

„Nein!" Knurrend drehte Elijah mich wieder zu sich um. „Du sagst mir sofort, wo du warst, und wo du dich gerade aufhältst. Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich dich wieder..."

„Lijah", zischte ich auf, um den Schwarzhaarigen sofort zu unterbrechen. „Es geht dich überhaupt nichts an, wo ich was wann und mit wem mache, verstanden? Du bist nicht mehr Teil meines Lebens und das soll verdammt nochmal so bleiben. Die letzten sieben Jahre bin ich ohne dich gut zurecht gekommen und das werde ich auch weiterhin!" Das war eine Lüge, aber das musste mein Bruder ja nicht wissen. Die letzten Jahre waren eine Qual gewesen, aber mittlerweile ging es mir besser und das würde ich mir von niemandem nehmen lassen.

„Skylar", fauchte Elijah, während er mit einer Hand mein Kinn packte und mich wütend anfunkelte. „Ich glaube, du hast vergessen, wer vor dir steht."

„Du tust mir weh, Lijah", erwiderte ich so kalt wie möglich, während mir sein fester Griff Tränen in die Augen treiben wollte. Sofort ließ mein Bruder mich los, als hätte er sich verbrannt

„Entschuldige, Kleines." Tief atmete ich ein. Ich wusste, dass Elijah hier nicht der Böse war und dass er mir niemals wehtun würde. Zumindest nicht körperlich, aber trotzdem konnte ich ihm nicht verzeihen.

„Was geht hier vor?" Blakes monotone Stimme ließ uns alle zu ihm sehen. Neugier lag in seinen Augen und etwas Anderes, das ich nicht greifen konnte.

„Prez..." Elijah zog mich neben sich und legte seinen Arm um meine Schulter. Sein plötzliches Handeln überraschte mich so sehr, dass ich es zuließ. Blakes Blick glitt von meinen Augen zu Elijahs Arm. „Das ist meine kleine Schwester Skylar." Überrascht weiteten sich Blakes Augen für den Bruchteil einer Sekunde.

„Schwester?" Elijah nickte. 

„Ich habe lange nach ihr gesucht, nachdem sie vor einigen Jahren plötzlich wie vom Erdboden verschwunden ist."

„Ich?", fauchte ich wütend, während ich Elijahs Arm von mir schob. „Du warst ja wohl der Erste, der einfach so verschwunden ist!" Das stimmte. Elijah hatte mich allein gelassen und nicht einmal, als ich es mir gewünscht hatte, war er zurück gekehrt.

„Sky...", begann Elijah versöhnlich, als ein lautes Scheppern uns plötzlich aufschrecken ließ

„Fass mich nicht an, du Perverser!" Das war mein Stichwort. Blitzschnell drängte ich mich an dem abgelenkten David vorbei und stürmte aus dem Raum. Sofort erblickte ich Jules, die aus der Nische taumelte, in die David sie gebracht hatte. Hinter ihr trat Nate auf den Gang.

„Chill mal, Kleine, ich wollte doch nur..." Weiter kam er nicht, denn ich drängte mich vor ihn und packte Jules' Hand.

„Wir müssen hier schnell raus." Meine Mitbewohnerin setzte gerade dazu an, etwas zu sagen, als ich sie unterbrach. 

„Bitte." 

Skylar - Sei meinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt