12: Wie du mir, so ich dir...

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"Was machst du hier?"
Vollkommen durchnässt, war ich zu Hause angekommen, nur um festzustellen zu müssen, dass mein... okay, was genau war er eigentlich für mich? Ich war mir in letzter Zeit nicht mehr sicher Adoptivbruder noch die richtige Beschreibung für Jake war. Kumpel? Freund? Das traf es wohl noch weniger...

Er saß jedenfalls auf der Kante meines Bettes und hielt sein Smartphone in die Luft. Neben ihm lag eine angebissen Tafel Nuss-Vollmilch Schokolade, die eindeutig nicht mir gehörte.
"Glaub ja nicht ich bin gerne hier, in deinem rosaroten Prinzessinenreich..."
"Ich hab nicht einmal mehr einen roten Teppich! Und rosa tut meinen Augen weh..."
"Aber hier habe ich dummerweise perfektes W-LAN, was man von meinem Zimmer nicht gerade behaupten kann. Und ich muss noch eine Menge recherchieren"
"Wir können gerne die Zimmer tauschen"
Jake verzog das Gesicht, blickte aber immer noch auf sein Handy und nicht auf mich.
"Nein danke, aber ich werde diesen Raum noch eine Weile belegen müssen"
Das war unglaublich unverschämt! "Und wo soll ich mich deiner Meinung nach umziehen?"
Ich deutete an meinem Körper herab, auf meine nasse Kleidung.
"Im Bad?"
Ich schnaubte, zog aber ein T-Shirt und eine trockene Jeans aus meinem Kleiderschrank.
"Das kommt auf die Liste"
Leicht verwirrt blinzelte er mich an. "Was denn für eine Liste?"
"Die auf der steht, was dir noch heimzahlen muss"

Innerhalb von Sekunden, hatte ich mich umgezogen und mir die Haare so einigermaßen trocken geföhnt. Nun schlich ich mich zur Türe von Jakes Zimmer. Wie du mir, so ich dir. dachte ich ein wenig hämisch, als ich hineinschlüpfte. Keine Ahnung was ich erwachtet hatte, aber das Zimmer war überraschend... normal. Das Einzige, was mich ein bisschen störte, waren die in einem seltsamen Braunton gestrichenen Wände. Ich beschloss Jake bei der nächsten Gelegenheit damit aufzuziehen. Langsam ließ ich meinen Blick durch den Raum schweifen. Er war geräumig und groß, Jake hatte einen ordentlichen Schreibtisch mit einem Laptop und einen kleinen Drucker. Doch das war nicht das, was meine Aufmerksamkeit besonders fesselte. An der Wand hing ein gerahmtes Foto, das dünne Glas auf dem Rahmen zierte eine dünne Staubschicht. Es war schon einige Jahre alt, doch ich erkannte die darauf abgebildeten Personen trotzdem. Phil hatte kindlichere Gesichtszüge, aber an seinem provokanten Grinsen hätte ich ihn immer erkannt. Ich hatte bisher nie versucht mir Phil jünger vorgestellt. Natürlich, ich hatte nicht geglaubt, dass er schon bei seiner Geburt einen halben Kopf größer als ich gewesen war, aber irgendwie war es mir trotzdem schwer gefallen ihn mir anders vorzustellen. Vielleicht war das der Grund warum ich ihn von allen auf dem Foto abgebildeten am faszinierensten fand. Alice hatte sich kaum verändert, jedoch sah sie Phil auf dem Foto extrem ähnlich, was ich Phils längeren Haaren zuschrieb. Jake lächelte. Das konnte er? Unglaublich... Nady und Wendy knitten vor den anderen, wobei Wendys Haare in einem tiefen Kobalbblauton schimmerten, das kein bisschen besser war als das aktuelle rosa. Ganz am Rande des Bildes sah ich Alec Hand in Hand mit einem mir unbekanten, recht hübschen Mädchen mit einem neckischen Grinsen. Ich runzelte die Stirn. Wendy und Alec sprachen in der Schule nicht sonderlich viel mit den Anderen. Was war wohl passiert, was einen Keil in ihre Freundschaft getrieben hatte? War es nur diese Elementegeschichte? Ich war mir da nicht hundertprozentig sicher...

Jakes Schreibtisch hätte ich vielleicht niemals angerührt. Okay, hätte ich vielleicht schon. Ich hätte wahrscheinlich ein Herzchen auf seinen Collegblock gemalt oder seine akribisch geordeneten Bleistifte vertauscht. Natürlich nicht aus Bosheit, sondern einfach um Jake zu zeigen, wie es war, wenn fremde Leute in privaten Räumen schnüffelten. Oder ich wäre einfach sofort aus dem Zimmer gelaufen und hätte noch Jahre darüber gekichert, dass er von meinem heimlichen Besuch nichts bemerkt hatte. Doch leider, leider musste mir dieses blöde Blatt Papier ins Auge fallen...
"Was zur Hölle... Prophezeiungen des Nostradamus?"
War das nicht der Spinner mit einem Fabel für den Weltuntergang gewesen? Warum hatte Jake die Prophezeiungen von ihm auf seinem Schreibtisch liegen? Mit steigendem Interesse ging ich seinen Papierkram durch. Anscheinend sammelte der Prophezeiungen, was ich irgendwie verständlich, aber auch ganz schön durchgeknallt fand. Ganz unten entdeckte ich etwas, was mein Herz höher schlagen ließ: Es war eine Kopie. Genauer gesagt eine Kopie aus dem verbrannten Buch. Mit Sicherheit war das die Prophezeiung von der Nady gesprochen hatte. Innerlich dankte ich Gott dafür, dass Jake sie kopiert hatte, faltete das Papier zusammen und steckte es in meine Hosentasche. Jake hatte immerhin noch meine Kette. Wie du mir, so ich dir...
Plötzlich hörte ich sich näherne Schritte und mein Herz setzte einen Schlag aus. Leicht panisch schlüpfte ich in den Kleiderschrank. Ein orginelleres Versteck fiel mir auf die Schnelle nicht ein.

Kurz, ich weiß aber immerhin :) über 2.000 reads? Was?! Ich hätte niemals mit 10 gerechnet. Danke, Danke, Danke!

Im Kreis der Elemente {Unüberarbeitete Fassung} Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt