Kapitel 25

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Es ist ja nicht so, dass ich nicht genügend Zeit hätte, um von dem einem Ort zum anderen zu gelangen.
Doch irgendwie schaffte ich es immer wieder, meine Zeit mit anderen unwichtigen Dingen zu füllen.
Wenn ich eine meiner Stärken beschreiben müsste, dann wäre es definitiv nicht Pünktlichkeit, sondern ‚Wie schaffe ich es auf unerklärlicherweise zu fast allem zu Spät zu kommen'.

Während ich den Korridor entlanglief, um noch rechtzeitig zur heutigen Zaubertrankstunde zu kommen, fragte ich mich, wann der Tag kommen würde, an dem ich meinen Alltag mit einem Hauch Pünktlichkeit füllen würde.
Ich konnte es mir noch so sehr vornehmen, irgendetwas hielt mich stetig davon ab.

Als ich den Klassenraum betrat, waren bereits alle Schüler anwesend. Glücklicherweise standen die meisten noch verstreut und waren in Gespräche verwickelt, sodass ich mich unbemerkt durch die Klasse schlängeln konnte.
Ich versuchte meinen Atem zu regulieren, und ignorierte den stechenden Schmerz an meinen Rippen.
Mein Körper war definitiv nicht für so viele Sprints am Tag ausgelegt.

Doch die heutige Aussicht auf die Stunde gefiel mir.
Obwohl ich sonst am Tisch der Slytherins abseits saß, hatte Draco es geschafft, dass nur noch neben ihm ein Platz frei war. Blaise saß auf meinem Stammplatz.

Als ich mich auf den Platz setzte, beäugte mich Blaise nur mit einem leichten Grinsen von der Seite. Ich versuchte seinen offensichtlichen Gesichtsausdruck und sein dämliches Grinsen nicht näher zu deuten.
Doch mich ließ das Gefühl nicht los, dass Draco und er über uns gesprochen haben.
So viel zu: es soll keiner erfahren!

Noch bevor ich die Chance hatte, meine Sachen aus meiner Tasche zu kramen, ließ Draco seine Hand auf meinem Oberschenkel nieder.
Mein Atem stockte.
Ich hörte nur halbwegs wie Slughorn die Stunde einläutete und nach irgendeinem Gesetz fragte. Gedanklich konnte ich mich jetzt nicht auf irgendwelche Gesetze konzentrieren. Diese Hand löste in mir enorme Schwingungen aus.

So unauffällig wie Möglich versuchte ich zu Draco hinüberzusehen. Seine Mundwinkel zogen sich zumindest ein Stück in die Höhe, als meine Augen auf ihm landeten.
Ich zog schnell das Buch Zaubertränke für Fortgeschrittene aus meiner Tasche und widmete mich wieder den Geschehnissen im Unterricht zu.
Zumindest versuchte ich es.

Gerade als Hermine, die Definition von Golpalotts-Drittes-Gesetz runter rasselte, spürte ich wie Dracos Finger langsam über meinen Oberschenkel strichen.
Ich hatte das Gefühl, dass mir die Bluse und die Krawatte den Hals abschnürten. Das Atmen fiel mir immer schwerer, was wohl letztlich einfach an meinem kleinen Sprint hier hin lag..

Um dem ganzen Entgegenzuwirken und meinen Körper zu beruhigen, ließ ich meine Hand auf die von Draco gleiten. Ich bemühte mich ruhig zu atmen und versuchte Hermine's Worten zu folgen. Ich verstand so gut wie überhaupt nichts.

Als mein Blick durch die Klasse glitt, bemerkte ich erleichtert, dass ich nicht die einzige war.
Selbst der neu ernannte Zaubertrank Meister Potter war die Verwirrung deutlich ins Gesicht geschrieben.
Die Gryffindor's sammelten wie üblich zehn Punkte durch Hermine's Super- Gehirn und Slughorn ergänzte ihren kleinen Vortrag mit einer weiteren Erläuterung.

Doch so sehr ich mich bemühte, ihm zuzuhören, verstand ich immer noch rein gar nichts. Ich versuchte seine Worte auf ein Blatt zu kritzeln, doch das fiel mir deutlich schwer, weil Draco's Hand immer noch auf meinem Bein lag und mich völlig aus dem Konzept brachte.

Es ging um Gegengifte.
Und die verschiedenen Bestandteile und Substanzen die im jeweiligen Gift enthalten sind.
Und dann müssen die Giftsubstanzen ... ach ich verstand überhaupt nichts mehr. 

Unsere Aufgabe bis zum Ende der Unterrichtsstunde wurde es, ein Gegengift für eines der jeweiligen Fläschchen vom Pult zu entwickeln.
Ich trat nach vorne und nahm mir ein Fläschchen mit dunkelgrüner Flüssigkeit. Mit der Farbe fühlte ich mich zumindest vertraut.

Als ich an meinem Platz zurückkam, ließ ich die Flüssigkeit in meinen Kessel fließen und zündete das Feuer an.
Das sah doch schon mal ziemlich professionell aus. Außerdem hatte Hermine dasselbe getan.

Doch ich hatte keine Ahnung wie es überhaupt weiter gehen sollte. Ich zog mein Exemplar Zaubertränke für Fortgeschrittene zu mir und blätterte umher.
Ich landete auf der Seite, auf welcher Goldpalotts Drittes Gesetz aufgeführt wurde und las es mir noch einmal durch. Hermine sprach immerhin auch immer in einer Blitzgeschwindigkeit. Da konnte man ja gar nichts verstehen.

... das Gegengift für eine Giftmischung ist mehr als die Summe der Gegengifte für jeden einzelnen Bestandteil."
Es wäre vielleicht erst einmal aufschlussreich, den Trank in einzelne Bestandteile zu trennen und zu erkennen, welche Substanzen für das Gift benutzt wurden.
Und diese dann?
Ich zog mir meine Notizen zur Hand, doch die Wortfetzen die ich von Slughorn aufgeschnappt hatte, ergaben für mich einfach keinen Sinn.
Konnten wir denn nicht einfach einen Trank brauen? Ich war nicht bereits dazu mein Gehirn weiter anzustrengen.

Mein Blick glitt zu den anderen an meinem Tisch, die ebenso wie ich ziemlich verunsichert und überfordert mit der Aufgabe schienen.
Gegen Ende der Stunde schaffte ich es noch meinen Trank zumindest in 10 verschiedene Substanzen zu trennen, die ich kleine Phiolen füllte. Draco hatte mir den Zauberspruch verraten, doch selbst er hatte Schwierigkeiten mit seinem Gift.

Glücklicherweise erlöste Slughorn uns nach einer gefühlten Ewigkeit von der Aufgabe.
Und wie es mittlerweile üblich war, wurde Potter mit Hauspunkten belohnt. Als einfache Antwort hatte er Slughorn einen Bezoar vor die Nase gehalten. Wirkt gegen alle Arten von Giften. Da hätte ich auch drauf kommen können!

Ich säuberte meinen Arbeitsplatz und stopfte genervt  meine Unterlagen zurück in meine Tasche. Die meisten Schüler hatten bereits den Klassenraum verlassen, demnach nutzte ich die Chance um mit Draco zu sprechen.
„Hast du gleich schon etwas vor?", fragte ich ihn, als ich meine einzelnen Werkzeuge säuberte.
„Außer ein paar Hausaufgaben. Nein ich habe nichts zu erledigen.", entgegnete er und zog fragend eine Augenbraue in die Höhe.
„Perfekt!"

Seine Mimik veränderte sich kaum, als ich meine Tasche über die Schulter gleiten ließ. Ich war etwas aufgeregt, doch ich hoffte, dass mein Plan aufging.
Als wir gemeinsam den Klassenraum verließen, war Draco's fragende Miene immer noch nicht verschwunden.
„Wohin gehen wir überhaupt?"
„Das wirst du gleich erfahren!"
Die Überraschung in seinem Gesicht genügte mir schon.

Ich hatte mir für heute etwas anderes überlegt. In den letzten Tagen war es für Draco und mich beinahe unmöglich gewesen einen Ort zu finden, wo wir wirklich ungestört waren. Nicht, weil wir irgendwelche bestimmten Dinge tun wollten - auch wenn mein Körper ein plötzliches Verlangen hatte, was ich bisher noch nicht kannte, sondern, um einfach beieinander zu sein!
Und dieser Ort lag eigentlich direkt vor unserer Nase. Die ganze Zeit! Meine Einfälle waren manchmal einfach großartig. Doch ich war wütend über mich selbst gewesen, dass ich nicht schon viel früher darauf gekommen war.

„Okay, aber ab jetzt musst du die Augen schließen!"
„Ich wüsste wirklich gerne was du vorhast.", entgegnete er.
„Lass dich einfach überraschen!"
Widerwillig und mit einem leichten Augenrollen tat Draco, was ich von ihm verlangte.

Ich ergriff seine Hand und verschränkte unsere Finger miteinander, bevor ich ihn vor den Wandteppich von Barnabas dem Bekloppten zog.
„Halt sie zumindest noch einen Moment geschlossen!", orderte ich an und Draco entwich nur ein leises Lachen.
Ich ging vor der großen steinernen Wand drei Mal auf und ab und stellte mir einen Ort vor, der unserem Gemeinschaftsraum ähnelte.

Als die Tür sichtbar wurde, zogen sich meine Mundwinkel weit in die Höhe. Mit einem stolzen und zufriedenen Grinsen im Gesicht sagte ich voller Freude: „Okay du darfst deine Augen jetzt öffnen!" und zeigte mit meinen Händen auf die große hölzerne Tür.
Als sich seine Lider öffneten erwartete mich eine Überraschung. Ich hatte mir Draco's Gesichtsausdruck mehrere Male vorgestellt, doch mit diesem Blick hatte ich nicht gerechnet.

Draco's Pupillen weiteten sich sichtbar und ich sah keineswegs Freude bei ihm. Vielmehr sah er geschockt aus.
Unsicher wippte ich von den einen auf den anderen Fuß. Der Raum der Wünsche war doch eine überaus gute Idee? Weshalb sah er aus, als hätte ich ihn direkt vor Askaban gestellt?
Ich schluckte schwer und ging einen Schritt auf ihn zu.
„Draco?"

𝐇𝐨𝐩𝐞𝐥𝐞𝐬𝐬Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt