Sie zog ihren Mantel aus und ich bat sie in mein Zimmer, wo sie sich so vorsichtig auf mein Bett niederließ, dass es beinahe so rüberkam, als befürchte sie, es würde unter ihr zusammenbrechen.
Ich setzte mich neben sie.

„Bist du gekommen, um mir endlich mal die Wahrheit zu sagen?"

Sie zupfte an einem Ende meiner Bettdecke herum. „Ja, ich schätze, das hast du verdient."

Endlich.

Sie holte tief Luft. „Janny meinte, er hätte dir erzählt, dass er schwul ist."

Ich nickte langsam.

„Seine Eltern haben damals nicht besonders gut darauf reagiert."

„Oh", sagte ich leise. „Das tut mir leid."

„Ja", sagte sie. „Die Zeit danach war ziemlich heftig für ihn. Es gab andauernd wirklich unschöne Diskussionen deswegen mit seinen Eltern und ..." Sie brach ab.

„Und du hattest Angst, dass deine Eltern genau so reagieren würden?", fragte ich vorsichtig.

Sie zuckte mit den Schultern. „Ja und nein. Guck, Janny hatte keine Wahl, er steht halt auf Männer. Ich hingegen ... ich weiß auch nicht, ich meine, ich dachte, ich könnte einfach weiterhin nur Typen daten, verstehst du?"

„Hm", machte ich und dachte immer noch darüber nach, wie nett ich Carmen damals gefunden hatte.
„Und willst du das durchziehen?", fragte ich dann. „Also nie wieder Mädchen zu daten?"

Sie sah weg und es entstand eine kurze Pause.

„Nein."

Erneut verstrich ein kurzer Augenblick, in dem keiner von uns beiden etwas sagte.

„Okay", meinte ich irgendwann langsam. Für einen kurzen Moment war mir ihr Plan gar nicht mal so dumm vorgekommen.

Sie musste meine Gedanken erraten haben, denn sie seufzte leise. „Die Sache ist die: Ich will meine Eltern nicht enttäuschen, aber ich kann nichts dafür, wenn ich mich in irgendwen verliebe. Ich weiß nicht, wie sie reagieren werden. Vielleicht ist es so wie bei Janny, vielleicht ist es aber auch ganz anders. Aber das, worauf es wirklich ankommt, ist, dass ich nicht mein Leben lang meine wahren Gefühle unterdrücken kann, nur um es meinen Eltern recht zu machen. Verstehst du?"

Ich nickte langsam. Sie hatte recht, sie konnte nicht einfach einen Teil von sich verleugnen. Er würde nicht einfach verschwinden.

Sie blickte wieder zu mir zurück und das Licht der Deckenbeleuchtung ließ die kleinen goldenen Punkte in ihren Augen tanzen.

„Und? Was denkst du darüber?", fragte sie vorsichtig.

Das war eine verdammt gute Frage. Gute Fragen erkennt man daran, dass man keine Antwort auf sie hat.

„Ich habe ehrlich gesagt noch nicht darüber nachgedacht."

„Oh, okay." Sie wendete ihren Blick ab.

Ich hasste dieses ständige unangenehme Schweigen. Ich musste irgendwas sagen, um es zu brechen. Irgendwas.

Naja, irgendwas außer „Willst du mit mir zum Schulball gehen?".

„Wie bitte?", Minou sah mich verwirrt an.

Okay, stopp! Das hatte ich gerade nicht wirklich gefragt, oder? Das war doch nur in meinem Kopf gewesen, oder nicht? Wieso zur Hölle hatte ich das AUSGESPROCHEN?
Ich meine, ich habe das nicht mal geplant oder so. Ich will das nicht mal! (Vermutlich.) Ich weigere mich, zu glauben, dass ich es war, die diesen Satz gerade ausgesprochen hat!

Doch Minou schien mindestens genau so überrascht davon dem zu sein, was ich gerade gefragt hatte, wie ich selbst. „Aber ... ich dachte, du hasst mich?"

Ich beschloss, die Frage, ob ich das eben jetzt ausgesprochen hatte oder nicht, für einen Moment zu ignorieren und schüttelte den Kopf. „Ich hasse dich nicht."
Ich machte eine kurze Pause, um meine Gedanken zu ordnen. „Ich meine, du hast mich verletzt. Sehr. Aber ich hasse dich nicht."

Ihre Augen glitzerten und ich befürchtete, dass jeden Moment Tränen anfangen könnten, über ihr Gesicht zu laufen.

„Ich -", fing ich an, doch sie unterbrach mich, indem sie sich zu mir beugte und ihre Lippen auf meine drückte.

Nach wenigen Sekunden machte sie sich von mir los, doch ihr Gesicht war immer noch nur Millimeter von meinem entfernt.
„Ja, ich will mit dir zum Ball gehen, Vera", flüsterte sie leise und bevor ich darauf antworten konnte, fing sie schon wieder an, mich zu küssen.

Ich legte vorsichtig eine Hand auf ihren Rücken und erwiderte den Kuss.

Zebrawelt ✔Donde viven las historias. Descúbrelo ahora