Bran

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Bran hatte den Götterhain schon längst hinter sich gelassen. Mit ausgebreiteten Schwingen flog er über Wälder und Flüsse hinweg, während er die eisige Luft durch jede seiner schwarzen Federn dringen spürte.

Bald, als er schon dachte, dass es nicht mehr weit sein müsste, kam in der Ferne ein großes, herrschaftliches Schloss in Sicht - der Rote Bergfried von Königsmund. Nachdem er über das Meer hinweggeflogen und nur noch wenige Meter von den Wänden des Schlosses entfernt war, breitete er die Flügel aus und ließ sich sanft auf einer der mittleren Fensterbänke nieder. Mit wachsamen Augen, halb hinter einer Topfpflanze verborgen, beobachtete er, was sich im Inneren des Zimmers abspielte.

Das Fenster, auf dem Bran saß, war das einzige im Raum. Schon auf den ersten  Blick konnte man erkennen, dass es sich bei dem Raum um ein Kinderzimmer handelte. In der Ecke lagen Spielzeuge verstreut und an der Wand stand ein großes, mit einem Vorhang versehenes Gitterbett, das nun Brans Aufmerksamkeit in Anspruch nahm.

Der Junge, der darin lag, war gerade aufgewacht. Er begann zu zappeln und rief mit leiser Stimme nach seiner Mutter. Nicht zum ersten Mal fragte sich Bran, ob die Frühreife des Jungen, der erst einige Monate alt war, von natürlicher Herkunft war oder ganz allein Brans Verdienst.

Die Tür öffnete sich fast augenblicklich und Bran versteckte sich vorsichtshalber noch weiter hinter dem Blumentopf. Die Königin kam herein und eilte zum Bett des Kindes hinüber. Sie war schon immer schön gewesen, doch sie hatte auch etwas Unnahbares an sich. Ihr blondes Haar, das bei ihrem Bußgang so radikal abgeschnitten worden war, war inzwischen wieder auf Schulterlänge nachgewachsen.

Mit besorgten Blick blieb sie vor dem Bett ihres Sohnes stehen, beugte sich hinunter und hob ihn sanft aus seinen Decken heraus.

,,Mummy", sagte er wieder. ,,Mummy, da war wieder der Rabe."
Cersei runzelte die Stirn. Bran konnte ihr ansehen, dass sie genau vor diesem Thema Angst gehabt hatte.
,,Du hast geträumt", antwortete sie so ruhig wie möglich und sah das Kind in ihren Armen voller Liebe an. ,,Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du nicht an das glauben musst, was du träumst? Träume kommen und gehen, und sie können niemandem etwas anhaben. Sie können dir nichts tun."

Sie küsste ihn auf die Stirn und  murmelte einen Kosenamen in sein flaumiges Haar. ,,Niemand kann dir etwas tun. Dafür sorge ich, solange ich lebe."

,,Nein", sagte der Junge verständnislos. Auch er runzelte die Stirn; das Nachdenken schien ihn die größte Anstrengung zu kosten. ,,Nein, der Rabe war WIRKLICH da. Er hat gewollt... gewollt, dass ich mich auch in einen Raben verwandel, und ich hab gesagt, dass das nich geht. Das geht ja auch nicht, stimmt's, Mummy, ich kann kein Rabe werden, oder?"

Cersei schüttelte den Kopf und Bran sah erstaunt, dass sie mit den Tränen kämpfte. ,,Nein, das geht nicht", antwortete sie mit zittriger Stimme, während sie sich mit der freien Hand über die Augen wischte. ,,Menschen können sich nicht in Vögel verwandeln. Dein Rabe muss dich angelogen haben." Sie drückte ihm noch einen Kuss auf die Stirn.

,,Echt?", fragte der Junge bestürzt. ,,Aber ich möchte gerne fliegen können."
,,Vielleicht wirst du es irgendwann", erwiderte Cersei und drückte ihn an ihre Brust, so als hätte sie Angst, ihn je wieder hergeben zu müssen. Bei ihren Worten hatten die Augen des Jungen kurz ausgeleuchtet.

,,Versprochen?", fragte er seine Mutter.
,,Versprochen", gab sie zurück.

Dann wurde er wieder nachdenklich. ,,Der Rabe hat auch noch gesagt, dass ich was Be... Besonderes bin..."
,,Das bist du", erwiderte Cersei mit dem Anflug eines Lächelns. ,,Da hat dein Rabe mal nicht gelogen."
,,Aber er hat gesagt, dass ich irgendwann die ganze Welt kennen werde..."
Cersei zögerte. ,,Du wirst König sein", sagte sie dann. ,,Ein guter König muss das Land kennen, das er beherrscht. Und du wirst ein guter König sein, dessen bin ich gewiss. Besser als ich es bin, besser als deine Brüder und dein Großvater es waren. Der beste König von allen."

,,Aber..." Der Junge schien offenbar immer noch nicht zufrieden.
,,Nichts aber", erwiderte die Königin und legte ihn vorsichtig zurück in sein Bett. ,,Schlaf jetzt wieder. Und wenn dein Rabe mit seinen Lügen wiederkommt, dann verscheuche ihn. Er kann dir nichts anhaben. Niemand kann das." Mit unergründlichem Blick wandte sie sich ab. Dann fügte sie leise murmelnd hinzu: ,,Dafür sorge ich. Niemand kann dir etwas anhaben. Dir nicht. Du wirst ein großer König sein."

Bran hatte genug gehört. Nachdenklich wandte er sich um und stieß sich mit den Füßen vom Fensterbrett ab. Während er flog, kam ihm in den Sinn, dass er wohl noch viel Arbeit vor sich hatte. Es musste getan werden. Und er war der Einzige, der es tun konnte. Die Zeit wurde immer knapper. Er konnte sich kein Versagen leisten.

Der Junge musste vorbereitet, trainiert  werden.

Der Junge, von dem nur sehr Wenige wussten, dass er überhaupt existierte.

Der Junge.

Jaiwyn.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 04, 2021 ⏰

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