Sansa

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Drei Tage nach Jaime Lennisters Aufbruch in den Süden kehrte ein einzelner Reiter nach Winterfell zurück. Als man ihm das Tor öffnete, sahen die Wachmänner sofort, dass er zu Königin Daenerys' Kavallerie gehörte. Wenige Minuten nach Jaime hatte die Königin fünf Dothraki und ebenso viele Unbefleckte ausgesandt, um den Ernst der Lage in Erfahrung zu bringen. Der Reiter war schwer verwundet und halb ohnmächtig, und die Krankenpflegerinnen und Barbiere taten ihr Bestes, um seine Verletzungen zu klein zu halten.

Ohne Erfolg. Am Krankenbett des Unbefleckten hatte eine kleine Versammlung stattgefunden. Daenerys und Jon hatten ganz vorn gestanden und versucht, aus ihm mehr als nur vereinzeltes Gegurgel herauszubekommen. Sansa selbst war dort gewesen, hatte sich zwingen müssen, ihn anzusehen, diesen gebrochenen Mann mit all dem verlorenen Blut. Flüchtig hatte sie sich gefragt, wo Tyrion war, denn sie hatte ihn nirgends entdecken können. In diesem Moment hätte sie seine Gefasstheit gut gebrauchen können.

Sie hatte zugesehen, wie der Unbefleckte über das Bettgestell einen Blutschwall erbrochen hatte, dann wieder in seine Kissen zurückgesunken und nach ein paar weiteren qualvollen Kehlgeräuschen letzten Endes verstummt war.

Sansa war die Erste gewesen, die sich abgewandt hatte, doch es tröstete sie ein wenig, dass selbst Daenerys nicht annähernd so gefasst wirkte wie normalerweise.

Nun stand sie auf einer der Burgmauern zwischen zwei steinernen Zinnen und starrte in die kühle, einsame Landschaft hinaus. Obwohl kein Wind wehte, war die Luft eisig, und Sansa war froh, dass sie einen ihrer selbstgefertigten Pullover mit dem Wolf der Starks angezogen hatte.

Insgeheim hoffte sie, Tyrion zu treffen. Sie war überrascht gewesen, dass er der Versammlung im Krankenzimmer nicht beigewohnt hatte. Überhaupt war ihr aufgefallen, dass er seit Jaimes Aufbruch seltener in Gegenwart der Drachenkönigin anzutreffen war. Vertraute er ihr nicht mehr so wie früher? Irgendetwas musste vorgefallen sein, und Sansa wurde den Gedanken nicht los, dass es tatsächlich irgendwie mit Jaimes Auftrag zu tun hatte. Mit Jon konnte man nicht reden, wenn es um Daenerys ging, sie hatte es oft versucht, doch jedes Mal hatte es im Streit um Daenerys' Qualifikationen geendet. Doch Tyrion schien sich seiner Sache nicht mehr ganz so sicher zu sein, was ihre Güte anging.

Obwohl sie das Gefühl hatte, dass sie nicht so empfinden sollte, gab ihr dieser Gedanke Hoffnung. Sie konnte der Königin einfach nicht mit einer solchen Hingabe begegnen, wie Jon und ihre Untertanen es taten. Sansa wusste nicht einmal, ob man Daenerys grundsätzlich vertrauen konnte.

Plötzlich kam ihr wieder der Gedanke an Jaime Lennister in den Sinn. Kurz nach dem Ableben des verwundeten Reiters hatte Jon ihren gemeinsamen Bruder Bran aufgesucht, um ihn zu fragen, ob wenigstens Jaime durchgekommen war, denn dies war eigentlich die wichtigste Frage. Bran hatte immer wieder von Blut und zerstückelten Leichen gesprochen, doch dann hatte er Jaime in einer anderen Vision in einem Wald bei einem Lagerfeuer gesehen. Er hatte also überlebt.

Das bedeutete natürlich, dass Sansa, wenn alles nach Plan lief, sehr bald zum ersten Mal wieder das verhasste Gesicht von Cersei wiedersehen würde. Cersei, die ihr zusammen mit ihrem tyrannischen Sohn Joffrey das Leben zur Hölle gemacht hatte, hatte sicher nicht damit gerechnet, das einst so zarte und hilflose Mädchen noch einmal wiederzusehen. Doch sie, Sansa, dachte mit Genuss an den Tag, wo sie Cersei durch die Gitterstäbe eines der Kerker von Winterfell würde beobachten können, nicht ohne ihren Triumph auszukosten.

Unwillkürlich erinnerte sie sich an das gehetzte, blutige Gesicht von Ramsay Bolton, als ihm klargeworden war, dass er von seinen eigenen Bluthunden zerfleischt werden würde.

Doch wünschte sie sich soetwas auch für Cersei? Sansa war sich nicht sicher. Cersei war ein Monster, doch nicht so wie Ramsay. Alles, was sie getan hatte, hatte sie meist für ihre Kinder getan, das wusste Sansa, und Liebe machte blind. Diese Tatsache war keine Rechtfertigung für ihre Taten, doch man konnte sie so wenigstens teilweise nachvollziehen. Sansa frage sich, ob sie Cersei wohl je vergeben könnte, wenn sie es nur wollte, kam aber zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis.

Seufzend und ohne einen weiteren Blick auf den verschneiten Wald drehte sie sich um und verließ die Burgmauer.  Nicht zum ersten Mal konnte sie den Wunsch nicht unterdrücken, dass sie ebenso frei und unabhängig wäre  wie Arya.

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Ich weiß, momentan sind die Kapitel noch ein bisschen kurz, aber ich bin inhaltlich noch nicht so weit, dass ich so viel in eine POV verpacken kann. Kommt aber noch, versprochen :)!
Wie gefällt es euch bis jetzt? Gibt es etwas, das euch langweilt oder das ich besser machen könnte?

Da fällt mir ein: mich würde mal interessieren, welche eure Lieblingsfiguren aus GOT sind? Meine sind auf jeden Fall Tyrion, Sandor Clegane... und Jaime, Jaime ist toll.

Freut mich, dass es schon so viele gelesen haben, ich dachte erst, es liest gar keiner (bin auch noch ziemlich neu auf Wattpad).

Viel Spaß noch beim Lesen! Mal sehen, wann ich das nächste Kapitel hochlade, manchmal bin ich einfach nicht so motiviert wie sonst ^^.
LG RL

Game of Thrones - Das wahre Ende || Game of Thrones FFOnde histórias criam vida. Descubra agora