Jaime

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Die Tür knarrte leise, als Jaime Lennister den Raum betrat. Drei ernste Augenpaare erwarteten ihn bereits.
Daenerys saß in einem Sessel vor dem großen brennenden Kamin, Jon stand hinter ihr und stützte die Hände auf der Sessellehne ab. Tyrion ging mit hinter dem Rücken verschränkten Armen in der Halle auf und ab.

,,Euer Gnaden", meldete sich Jaime zu Wort. Insgeheim fragte er sich, was die Königin ausgerechnet von ihm wollte, das Jon mit seiner Hingabe oder Tyrions Intelligenz ihr nicht bieten konnte. Vermutlich nichts Gutes, dachte Jaime düster. Sicher würde Königin Daenerys, die ihn schon seit seiner Ankunft in Winterfell nicht gerade wie ein rohes Ei behandelt hatte, ihn nicht mit einer angenehmen Aufgabe betrauen.

,,Ser Jaime", sagte Daenerys und erhob sich. ,,Ich habe einen Auftrag von höchster Wichtigkeit für Euch. Kommt näher."
Jaime trat zögernd einen Schritt vor.

,,Meine Königin, erlaubt mir, dass ich mit meinem Bruder rede - ", murmelte Tyrion eindringlich, doch Daenerys sah nicht einmal zu ihm hinüber.
,,Nein", antwortete sie schneidend. ,,Ihr habt mich schon einmal enttäuscht, als Ihr Eure Schwester durchschauen wolltet. Ich will selbst mit Ser Jaime reden. Nur so kann ich sichergehen, dass kein Detail des Auftrags ausgelassen oder verdreht wird."

Ihr Blick ruhte noch immer auf Jaime, in dem langsam eine Ahnung zu wachsen begann.

,,Geht es... geht es um Cersei?" Ihr Name schmeckte seltsam auf seiner Zunge. In den letzten Monaten hatte er öfter an sie gedacht, als er zählen konnte, doch nun wurde ihm bewusst, wie lange er nicht mehr über sie gesprochen hatte.

Tyrions gesenkter Blick sagte ihm, dass er mit seiner Vermutung richtig lag. Doch es war Daenerys, die ihm antwortete.
,,Ja. Das tut es. Ihr müsst sie aus der Hauptstadt wegschaffen und hier her nach Winterfell bringen. Wir haben soeben in Erfahrung gebracht, dass die Weißen Wanderer an uns vorbeimarschiert sind und offenbar doch nicht vorhaben, uns anzugreifen, wie wir natürlich alle annahmen. Stattdessen scheinen sie es vorzuziehen, vorher den Winter über ganz Westeros zu verbreiten und uns erst dann ein Ende zu setzen, wenn wir allesamt entweder erfroren oder verhungert sind. Im Notfall muss der Süden uns als Zufluchtsort dienen, und bis dahin muss Cersei von der Bildfläche verschwunden sein."

Sie machte eine kurze Pause.
,,Euer Bruder verbürgt sich für Euch, Ser Jaime. Er hält Euch für ausreichend vertrauensvoll, was diesen Auftrag anbelangt. Ihr selbst habt mir bei Eurer  Ankunft die Treue geschworen. Wären Lady Brienne und Jons Schwester nicht gewesen, hätte ich Euch vermutlich sofort einkerkern lassen. Aber ich vertraue Tyrion, und dadurch, dass ich Jon vertraue, muss ich wohl auch auf Sansas Wort vertrauen.
Solltet Ihr also auf den Gedanken kommen, Eure Königin zu hintergehen und Euch mit Eurer Schwester zu verbünden, wird diese Entscheidung auf eine Menge Menschen zurückfallen müssen."

Jaimes Miene verfinsterte sich, und doch musste er sich zwingen, Daenerys gegenüber Gehorsam zu zeigen. Schließlich gab er sich damit zufrieden, ihr einmal kurz zuzunicken.

,,Und darf ich fragen, was dann mit ihr geschehen wird?", fragte er und bemühte sich sichtlich, den sarkastischen Unterton zu untergraben, den er ihr am liebsten entgegengebracht hätte. ,,Soll ich sie hierherbringen, nur damit Ihr sie hinrichtet und ihren Kopf für jeden sichtbar auf einen Pfahl vor der Burgmauer aufspießt?"

Er sah Tyrion an, der ihn stumm zu mehr Zurückhaltung mahnte.
,,Nein", sagte Daenerys ohne jede Gefühlsregung. ,,Wir werden sie am Leben lassen - wenn Ihr Eure Aufgabe gut bewältigt. Es hängt ganz allein von Eurer Loyalität ab."

Ein paar gespannte Augenblicke lang schwiegen sie alle. Dann sagte Daenerys: ,,Gut. Ich glaube, es wäre alles gesagt. Ihr brecht am besten sofort auf. Bittet den Stalljungen um das schnellste Pferd, das er finden kann. Es eilt." Sie wandte sich langsam zu Jon Schnee um, wie um ihn stumm zum Widerspruch aufzufordern.

Jaime wandte sich zum Gehen. Als er seine gesunde Hand nach der Türklinke ausstreckte, erhob Daenerys noch einmal das Wort.

,,Ser Jaime?" Widerstrebend drehte er sich noch einmal um und sah erstaunt, dass sie lächelte.

,,Gerade Euch müsste es doch freuen, dass ich Euch mit dieser Aufgabe betraue. Wie ich höre, hat Eure Schwester gemeinsame Sache mit Euron Graufreud gemacht, und das nicht nur auf... sagen wir... geschäftlicher Ebene."
Jaime erbleichte. Voller Abscheu sah er ihr ins Gesicht; am liebsten hätte er ihr vor die Füße gespuckt, dass sie es auch nur wagte, diese Sache zu erwähnen. Er versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr diese Bemerkung an ihm rührte, und gleichzeitig den Schmerz in seiner Brust zu ignorieren.

Daenerys lächelte noch immer.
,,Ich sollte Euch gratulieren. Vor wenigen Monaten seid Ihr zum vierten Mal Onkel geworden, nur diesmal, fürchte ich, nicht gleichzeitig Vater. Ihr müsst Euch doch freuen, dass Ihr nun endlich Gelegenheit bekommt, Euren Neffen kennenzulernen. Tut mir den Gefallen und berichtet mir hinterher, ob er Euron ähnlicher sieht oder doch eher Eurer Schwester."

Zornentbrannt machte Jaime auf dem Absatz kehrt und schlug die Tür hinter sich zu. Das knallende Geräusch reichte nicht aus, um ihn mit Befriedigung zu erfüllen. Bei weitem nicht.

Als er den Gang entlang ging, erinnerte er sich seit langer Zeit wieder an das letzte Mal, als er so wütend gewesen war und infolgedessen beinahe fluchtartig den Raum verlassen hatte.

Ja, auch Olenna Tyrell hatte ihre Strafe bekommen, und in diesem Moment war dies das Einzige, was ihn davon abhielt, auf dem Absatz kehrtzumachen und Daenerys einen Dolch ins Herz zu stoßen.

Game of Thrones - Das wahre Ende || Game of Thrones FFDove le storie prendono vita. Scoprilo ora