Rainy Days

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,,Alles ok?" Ich nickte vorsichtig. Der Passant entfernte sich wieder. Benommen setzte ich mich auf. Etwas heißes lief meine Schläfe hinunter und tropfte auf den steinigen Boden. Blut. Warum passierte das immer wieder? Warum immer ich? Jetzt saß ich wieder alleine auf der Straße. Dafür, dass es gerade mal 10 Uhr am Vormittag war, war der Weg leer. Bei dem Regen kein Wunder.

Mein Bein war aufgeschrammt, der Knöchel dick und blau angelaufen. Es schmerzte höllisch, die Kopfschmerzen machten das nicht gerade besser. Leise stöhnend stand ich wieder auf, nahm dabei einen kleinen Ast vom Boden und ließ ihn durch meine Teufelskraft größer und dicker, zu einem guten Gehstock, werden. Wenn ich an den bevorstehenden Weg dachte, hätte ich im Strahl kotzen können. Seufzend wischte ich meine Haare aus dem Gesicht. Langsam und auf den Stock gestützt lief ich los, darauf bedacht, dass mein Fuß nicht den Boden berührte. Dann erklangen Schritte hinter mir. Es hörte sich an wie eine ganze Gruppe. Ich warf einen schnellen Blick nach hinten, sah nur einen Eisbären in orangem Overall, was mich kurz stocken ließ, dann lief ich weiter.

Plötzlich rutschte meine Hand von dem feuchten Holz und ich knallte der Länge nach hin.
,,Verdammte scheiße ey! Reicht es nicht langsam?" Fluchend starrte ich in den Himmel, bekam Wassertropfen in die Augen und versuchte nach dem Ast zu greifen. Super, außer Reichweite macht das echt Spaß. Nicht.
,,Alles okay, junge Dame?" Der Eisbär konnte sprechen? Interessant. Ich musterte ihn neugierig, weitere Schritte kamen näher. ,,Ja, alles gut. Ich bräuchte nur kurz Hilfe beim Aufstehen." Bittend hielt ich ihm meine Hand hin. Er zog mich vorsichtig hoch und deutete dann auf meinen Fuß.
,,Tut das nicht weh?" Meine Wangen erwärmten sich. ,,Ein bisschen vielleicht.. Aber ich muss jetzt weiter, danke schön nochmal für die Hilfe." Ich lächelte ihn an, dann ließ ich den nächsten Ast zur Gehhilfe werden, da der andere weggerollt war, stütze mich drauf und lief weiter. Nach zwei Metern landete ich wieder auf dem Boden, meine Metallkette an der Hüfte klimperte fröhlich. Fluchend setzte ich mich auf meinen Hintern und hielt meinen Knöchel umklammert. Der Bär kam wieder angestolpert.
,,Schon wieder?" Ich zuckte mit den Schultern und ein schmerzverzerrtes Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. ,,Ich weiß, ich bin die Eleganz in Person, nicht? Ich muss den irgendwie ummodellieren.." Ich drehte den Stock hin und her, dann bekam er oben einen verbreiterten Griff, an dem ich mich hochstemmte. Da ging der Bär zur Seite und ein Mann mit einem hellen Hut kam auf mich zu. Interessiert sah er von dem Stock zu mir.

,,Sie sind Teufelsfruchtnutzerin?" Dann blieb sein Blick an meiner Stirn hängen, er ging in die Hocke und seine kalten, schlanken Finger drehten meinen Kopf ein wenig herum, strichen meine rötlichen Haare zur Seite. ,,Das sollte genäht werden. Gibt es hier einen Arzt?"
Ich schob seine Finger von meinem Gesicht. ,,Erstens: Es ist unhöflich, jemandem ins Gesicht zu fassen, den man nicht kennt. Zweitens: Ja, wenn man genug Kohle hat, klappt das." Wasser tropfte von seinen kurzen braunen Haaren, der schwarze Mantel glänzte vor Nässe und der seltsame Hut schien durch das zusätzlich angesammelte Gewicht bald von seinem Kopf zu rutschen. Er richtete sich wieder auf. ,,Sie haben recht, Verzeihung." Spöttisch lächelte er mir zu. Dann wandte er sich dem Eisbären zu, nickte, und drehte sich wieder in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Der Eisbär kniete sich nun zu mir. ,,Wir nehmen dich mit zu unserem U-Boot. Unser Käpt'n ist Arzt, weißt du? Ich bin Bepo. Tschuldigung, dass ich mich erst jetzt vorstelle." ,,Käpt'n? Dann seid ihr Piraten?" Neugierig besah ich den Mann im schwarzen Mantel, welcher sich jetzt wieder zu uns drehte. ,,Wir sind die Heart Piraten." Ich ließ mich von Bepo wieder hochziehen. ,,Ihr wisst aber schon, dass es hier eine Marinebasis gibt? Euer Käpt'n scheint dumm, wenn ihr hier einfach so vor Anker geht." Seine Mundwinkel zuckten. ,,Das habe ich bedacht, Miss. Mein Name ist Trafalgar Law. Und Sie sind?" Meine Wangen erwärmten sich, als ich mir innerlich gegen die Stirn klatschte. Hatte ich gerade ernsthaft den Kapitän beleidigt, welcher auch noch anwesend war? ,,Tia. Tut mir leid, aber-" ,,Ich gehöre zu den Supernovae. Da halten mich ein paar Marinesoldaten nicht auf." Überrascht sah ich zu ihm hoch, doch er grinste schon fast überheblich. ,,Nicht schlecht.", meinte ich schließlich anerkennend. Ich fischte den Gehstock vom Boden und nahm gleich einen weiteren Ast, damit konnte ich mich jetzt besser abstützen. Einen kurzen Augenblick später hatten sie die Form von Unterarmgehstützen. ,,Ich muss jetzt trotzdem weiter. Vielen Dank." Ich nickte den beiden zu und ging dann weiter. ,,Miss Tia, was genau ist die Kraft ihrer Teufelsfrucht?" ,,Wenn Sie mich begleiten, erzähle ich es ihnen.", rief ich über die Schulter.
Nur wenige Schritte später lief der Käpt'n tatsächlich neben mir. Selbst Bepo lief mit uns mit. ,,So genau habe ich das noch nicht rausgefunden. Ich kann Materie nach belieben in jede Form verändern. Je nachdem was ich dazu nutze hält es das auch aus. Aber wenn ich jetzt zum Beispiel einen Ast zu einem Schwert formen würde, würde es sehr schnell zerbrechen, verstehen Sie?" Er nickte schweigend. ,,Außerdem kann ich den Aufbau von Gegenständen wie eine Art Echo sehen. Kommt selten zum Einsatz, eigentlich nur beim Haus bauen oder bei bestimmten Geräten. So gesehen bei allem, was mich interessiert kann ich das tun. Bei Stoffen bin ich leider nicht zu gebrauchen." ,,Wie weit reicht diese Kraft?" ,,Das können Sie sich gerne ansehen. Ich habe mein Haus danach geschaffen. Aus Dingen, die ich gefunden habe oder die weggeworfen wurden. Aus Krümeln kann ich nichts vernünftiges schaffen, es kommt immer drauf an, was es werden soll, aber wenn es wenigstens Handflächengroß ist, reicht es aus." Ich streckte meine Hand nach vorne. Im selben Moment kam ich mir ziemlich albern vor, meine Hände waren dezent kleiner als die des Piraten, erst recht als die Tatzen des Bären, welcher jetzt nachdenklich auf seine starrte. ,,Dann variiert das je nach Teufelskraftnutzer.", schlussfolgerte der Grauäugige. Ich nickte und den Rest des Weges schwiegen wir.

Nach 10 Minuten kamen wir in der Marktallee an. Hier herrschte reges Treiben, der Regen veranlasste viele, im Haus zu bleiben. Zwei junge Männer in weißen Overalls kamen uns vollbeladen mit Nahrungsmitteln und Apothekentüten entgegen.
,,Käpt'n?" Sie musterten mich neugierig, aber ich grüßte sie nur kurz und ging dann in den Lebensmittelladen. Während ich die benötigten Sachen so gut wie möglich in meine Tasche packte, gesellte sich Law wieder zu mir. Die beiden Unbekannten waren nicht mehr dabei, und auch Bepo fehlte. ,,Außer Nahrungsmittel kann ich fast alles ändern.", gab ich leise von mir. Law nickte verstehend.
Als wir den Laden verließen und in unsere ursprüngliche Richtung liefen, nahm Law mir die Tasche ab. Dankend lächelte ich ihm zu, dann konzentrierte ich mich auf den Weg. Insgesamt liefen wir 20 Minuten, die große Treppe war mit den Stützen am schwierigsten. Law wartete geduldig alle paar Stufen auf mich. Anscheinend interessierte ihn meine Kraft wirklich.
Schließlich kamen wir an meinem Holzhaus an. Ich hatte durch verschiedene Äste und Stämme vier Räume geschaffen, sogar einen kleinen Holzzaun um das Grundstück errichtet. Ein kleiner Kamin stand in dem geräumigen Wohnzimmer. Die Küche war etwas karg eingerichtet, aber ausreichend. Die passenden Materialien für das Bad waren schon schwieriger gewesen und ich hatte mir Hilfe gesucht. Das Schlafzimmer war neben dem Wohnzimmer am einfachsten aufgebaut. Zum Großteil bestanden mein Haus und die Einrichtung aus Holz. Es war mehr eine Hütte als ein Haus. Law sah sich interessiert um, während ich den Einkauf verräumte.
,,Nett.", gab er irgendwann beeindruckt von sich. ,,Wie sieht es mit kaputten Gegenständen aus?" ,,Ich forme sie neu oder füge sie wieder zusammen." Meine Schultern zuckten, dann setzte ich mich erschöpft auf einen Küchentisch, seufzte und fischte mir eine Zigarette aus meiner Tasche. Den angewiderten Blick des dunkelhaarigen Piraten ignorierte ich, während ich mir mit einem Streichholz die Kippe anzündete und genüsslich dran zog.

Law öffnete seinen Mantel und hängte ihn über einen weiteren Stuhl, dann trat er kurz hinaus. Nach 3 Minuten kam er zurück, Bepo und eine schwarze Tasche im Schlepptau. ,,Ich würde mir jetzt gerne nochmal ihre Wunden ansehen." ,,Meinetwegen, aber das heilt schnell. Außer Knochenbrüche, das dauert gerne mal drei Tage länger." Law's Mundwinkel zuckten, dann holte er verschiedene Sachen aus seiner Tasche und zog sich Handschuhe an. Einen Verband, Nadel und Faden, Pflaster, eine kleine Sprühflasche und sterile Tupfer. Zuerst desinfizierte er die Platzwunde auf meiner Stirn, nähte die Haut wieder zusammen und klebte dann ein Pflaster drüber. Als nächstes wandte er sich meinem Fuß zu. Aus einem größeren Stück Rinde formte ich einen kleinen Schemel, worauf ich meinen Fuß vorsichtig ablegte.
Sanft schob Law mein Hosenbein hoch und zog dann Schuh und Socke aus. Er taste vorsichtig die Schwellung ab. ,,Ausgerenkt..", murmelte er dann irgendwann. Bepo positionierte sich sofort hinter mir, während ich stöhnend die Augen schloss und die Zigarette in dem kleinen metallenen Aschenbecher ausdrückte. ,,Das wird weh tun." Law blickte mir fest in die Augen. Ich nickte und wappnete mich für den Schmerz. Bepo hielt mein Bein ab Kniehöhe fest und Law fing vorsichtig an zu ziehen. Ich presste meine Zähne fest aufeinander. Dann ein Ruck zu ihm und zur Seite und die Knochen saßen wieder da, wo sie sollten. Ich keuchte mittlerweile und lächelte den Schwarzhaarigen dann müde an. ,,Scheiße verdammte, ich hab schon fast vergessen wie weh das tut. Danke." Mit geschmeidigen Bewegungen legte Law noch einen stützenden Verband an, während ich mir den Schweiß von der Stirn wischte. ,,Die nächsten Tage nicht zu sehr belasten. Wissen Sie mit Sicherheit bereits." Ich nickte. ,,Das ist jetzt das vierte mal. Es ist immer wieder aufs neue schön." Ich lehnte mich grinsend zurück. Wieder zuckten Laws Mundwinkel. Ich zog meine Ohrringe raus, desinfizierte sie, und formte sie dann zu einem schmalen Skalpell mit hauchdünner Klinge, welches ich Law überreichte. Ich hatte vor zwei Jahren Ewigkeiten für diese Ringe mit Anhänger gespart, aber sie behinderten dann doch nur die meiste Zeit. ,,Als kleines Dankeschön. Reines Silber. Solange Sie keine Knochen durchsäbeln wollen, wird es stand halten." Fasziniert betrachtete er die Klinge, zupfte mir ein Haar von meiner Kleidung und ließ es drüber fallen, wobei es sofort zerteilt wurde. ,,Warum begleiten Sie uns nicht? Arbeiten Sie für mich." Nun doch etwas überrascht starrte ich ihn an. ,,Wie bitte?" ,,Kommen Sie mit auf mein U-Boot!" So ganz glauben konnte ich ihm nicht. ,,Wozu? Ich meine, ich bin eher eine Last als Hilfe.", lachte ich. ,,Sie bekommen als zweite Frau eine Zwei-Mann-Kajüte mit Ikkaku. Sie werden zusammen mit den Handwerkern arbeiten, in einem U-Boot fällt immer etwas an." Ich zögerte. Feste Arbeit besaß ich eh nicht. Und ein Haus konnte ich mir fast überall erschaffen. ,,Warum nicht? Etwas Gesellschaft und umherreisen gehören zum Leben dazu. Aber nur auf Zeit.", stimmte ich schließlich zu. Law lächelte und reichte mir die Hand.


,,Willkommen bei den Heart Piraten.. Auf Zeit."

DesignerWhere stories live. Discover now