Nachwuchs

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„Bist du aufgeregt?" Er nickte heftig und erinnerte sie an einen dieser Wackelkopftierchen, die man in den Spielwarengeschäften kaufen konnte. „Immerhin erfahre ich heute, ob ich ein kleines Töchterchen oder einen Sohn bekomme. Bist du denn nicht nervös?" Sie lachte auf. „Doch, natürlich! Ich bin mindestens so aufgeregt wie du. Hättest du lieber ein Junge oder ein Mädchen?" Nachdenklich führ er sich durch die Haare. „Einen Jungen werde ich vermutlich besser verstehen, wenn er mal aus den Windeln raus ist. Bei einem Mädchen bin ich dann als Vater ganz schön hilflos. Andererseits wären zwei von eurer Sorte auch nicht übel." Er zwinkerte seiner Frau zu. „Aber wenn ich ehrlich bin, spielt es mir keine Rolle. Es ist unser Kind und selbst wenn es grün ist und vom Mars kommt, werde ich es lieben... Nun vielleicht sollte es nicht gerade vom Mars kommen, sonst muss ich mich noch fragen, ob ich wirklich der Vater bin. Bin ich doch?" Lara knuffte ihn in die Seite. „Ha, ha, sehr witzig", meinte sie. „Du lachst doch, also muss es doch witzig sein!"
Während sich das Paar gegenseitig hochnahm, um sich abzulenken, bewegten sie sich langsam auf das grosse Gebäude vor ihnen zu. Im siebten Stock, im achten Flur, im Zimmer Sechsundfünfzig würden sie es endlich erfahren. Sie hatten auch schon Namen für beide Geschlechter, somit würde sich für sie heute viel festlegen. Dann konnten sie das Zimmerchen streichen und die Babystrampler in den richtigen Farben aussuchen und in der Kommode im Kinderzimmer schön säuberlich zusammenfalten, bis der Nachwuchs bereit war, sie anzuziehen - nicht selbst, versteht sich.
„Alles kommt, wie es kommen muss", sagte Sam eindringlich, als sie das besagte Zimmer mit der Aufschrift 56, Dr. Preuss erreichten. Und er küsste seine Angebetete auf die Stirn. Sie nickte nervös und drückte seine Hand fest. Dann klopften sie und wurden vom sympathischen Arzt eingelassen.
Das Gel auf ihrem Bauch war kalt, doch sie spürte es kaum, sie war viel zu fest auf das kleine schlagende Herz auf dem Monitor fixiert. Ein Wunder des Lebens, dachte sie, wie es da in ihr wuchs und sich zu einem kleinen Menschen formte. Einem Menschen, der eines Tages in nicht so ferner Zeit im Sandkasten spielte, die Schule besuchte, sich verliebte, sich ein eigenes Leben aufbaute. Und doch war es im Moment noch so klein, dass es in ihrem Bauch platz hatte. „Ich habe die Ehre und darf Ihnen zu Ihrer kleinen Tochter gratulieren", verkündete der Dr. Preuss feierlich. Tränen standen in den Augen der glücklichen Eltern. „Es ist also wahr", murmelte sie. „Wir kriegen ein kleines Mädchen", wiederholte der Beinahe-Vater nicht ohne Stolz in der Stimme. Sein geliebte Frau konnte noch lange nicht sprechen, so ergriffen war sie von der Neuigkeit.
„Eine kleine Jolina."

Blanc ÉclatantWhere stories live. Discover now