K'44

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Seine Geschichte rührte mich sehr, so sehr, dass mich ein schlechtes Gewissen plagte. Nur meinetwegen konnte er das Grab seines Vaters nicht besuchen. Das auch nur, weil ich mich wie ein kleines Kind verhalten hatte. Wieso konnten wir beide nicht einfach vernünftige wie zwei Erwachsene miteinander umgehen?
Meine Tränen nahmen auch keine Rücksicht und flossen gnadenlos nacheinander über meine Wangen, die ich immer wieder wegwischte.
Der Gedanke, dass er verheiratet war brachte mein Inneres, mein Herz zum brennen.
Aus einem unerklärlichem Grund schmerzte es. Mir müsste es doch egal sein, dass er verheiratet war.
Der hatte mir doch schon mal erzählt gehabt, dass er eine Freundin hatte, was eigentlich auch meiner Meinung nach gelogen war, sonst wäre er doch niemals einem fremden Mädchen ständig so nah gekommen oder irre ich mich da? Männer waren doch wirklich zu allem fähig.
Er blickte kurz von der Seite zu mir und sah mich bedrückt an.
Erwartete er irgendwas von mir?
,,Allah rahmet eylesin"
(Gott sei seiner Seele gnädig) murmelte ich und sah wieder runter zu meinen Händen. Wie immer spielte ich mit meinen Fingern.
Als er laut aus atmete fing er mit seiner Geschichte fort ..

Da saßen wir jetzt vor ungelogen 300 Mann. Sie waren alle gekommen um die Vermählung mit ihren eigenen Augen mit anzusehen. Nur wussten Sie nicht, was auf sie zukommen würde.
Selbst drei Kamerateams waren anwesend, die vorhatten die Trauung live auszustrahlen. War mir recht.
Genau so hatte ich es mir vorgestellt.
Mich würde es echt aus den Socken hauen, wenn es nicht so wäre.
Dieses Weib war einfach Medien gestört, jeder Zeit überall wollte sie erkannt werden und dafür gab sie sich auch Preis.
Selbst mit Promis aus Deutschland die bekannt waren ging sie mehrere Male aus, um nur gesehen zu werden, damit man über sie in Zeitschriften lesen konnte.
Geduldig blickten uns diese unzähligen Augen an und warteten gespannt auf meine Antwort.
Selma hatte bereits ihren Teil dazugegeben jetzt war ich an der Reihe.
Ich blickte zu meiner Mutter, die mich nur emotionslos anblickte.
Ihre Worte vor dem Standesamt gingen mir ein weiteres mal durch die Gedanken.
,,Dieses Mädchen wird dein Absturz bedeuten. Du wirst damit leben müssen, dass sie ihre Ehre an einen anderen Kerl verloren hat und es mit deinem Namen versucht zu beseitigen.
Du wirst das selbe Leid erleben, was ich nur deinetwegen erleben musste.
Ich schäme mich, so einen selbstsüchtigen Sohn, wie dich geboren zu haben! Ich bin hier auch nur, weil es dein Vater so haben wollte denk dir bloß nichts dabei."
Die Wut war zum Greifen nah. Sie machte mich, zurecht, für den Tod meines Vaters verantwortlich.
Sie dachte, obwohl sie die Ursache vom Unfall nicht kannte, dass ich es bewusst getan hätte, damit mein Vater mich nicht mit dem Weib verheiratet.
Aber wie kann nur eine Mutter so von ihrem Sohn denken? Mir nur so etwas abartiges zu trauen? Hätte ich die Möglichkeit mein Leben, mit dem meines Vater zu tauschen würde ich nicht einmal eine Sekunde zögern.
Es tat mir innerlich weh, keinen bei mir zuhaben, der mich in die Arme nimmt, mich einfach weinen ließ, keinen hatte ich, dem ich meine Trauer teilen konnte. Ich musste den starken spielen, um es zu überleben mit ihren verachteten Blicken.
Lächelnd sah ich zu Selma rüber, die mich über beide Ohren angrinste.
Man sah, dass sie sehr aufgeregt war.
Ihre Augen strahlten vor Freude, die aber gleich vergehen würde.
Sie legte ihre Hand auf meine und drückte sie fest. Ich drückte ihre Hand noch fester, sodass es ihr schmerzte.
Sie verzog ihr Gesicht aber versuchte dennoch bezaubernd auszusehen für die Kameras, die um uns herum standen und jede Sekunde mit verfolgten.
,,Cihan du tust mir weh" flüsterte sie immer noch lächelnd in mein Ohr.
Verabscheuend ließ ich ihre Hand los und sah stur zum alten Mann, der uns normalerweise für Mann und Frau erklären würde.
,,Nein"
Ein quicken von links war zu hören und schockierte blicke von unseren Verwandten. Gequält lächelte mich Selma an.
,,Mein Mann macht gerne Scherze, um die Situation zu lockern" log sie in die Kamera und legte dabei ihre Strähne hinters Ohr.
Sie sah für eine Braut einfach nur schrecklich aus.
Viel zu freizügig und geschminkt wie Bülent Ersoy. Warum sollte sich eine Frau so präsentieren auf ihrer Hochzeit, wo sie Tausende von Mann anstarren würden und das vor ihrem Mann. Für mich war es einfach rücksichtslos aber das war mir egal, denn sowas würde niemals zu meiner Frau werden.
Auch wenn es mein Vater so wollte, konnte ich ihm diesen Wunsch niemals erfüllen. Mein Leben war schon so zerschmettert.
Ich stand langsam auf und knöpfte mir gelassen meinen Sakko zu.
,,Nein! Ich werde dieses ehrenlose Wesen nicht zur Frau nehmen!"
Ich wurde etwas lauter, damit mich auch wirklich jeder, selbst die die in der letzten Reihe saßen, meine Worte hörten.
Selmas Mutter hatte wohl eine Hypotonie und fiel somit in die Arme ihres Mannes.
Wie die Mutter, so die Tochter. Nur fiel sie nicht in die Arme ihres Mannes, sondern auf den kalten Boden unter ihr.
Ich drehte mich mit meinem Rücken zu den Gästen und ging ohne noch einmal nach hinten zusehen aus dem Saal.
Meine Mutter, die an der Tür stand sah mich nur fassungslos an und das auch das letzte mal.
Seitdem Tag hatte ich sie nicht mehr gesehen.
Ich setzte mich in meinen Wagen, der mir zur Verfügung gestellt wurde nachdem Unfall und fuhr los.
Ich bereute meinen Auftritt vor den ganzen Menschen nicht. Nicht nur sie bekamen es mit, sondern Tausende von Menschen, die vor ihrem Fernseher saßen.
Es wurde Wochen lang über dieses Drama gesprochen und somit wurde auch der Ruf von Selma zerstört.
So zog ich auch aus der Stadt.
Weg von den anderen. Weg von meinem Vater. Aber besuchen tat ich ihn regelmäßig.
Ich bereute es, an diesem Tag sehr Auto gefahren zu haben. Nur deswegen hatte ich meinen einzigen halt im Leben verloren.

Asla vazgecmem'Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt