Beyla OS - Das Beste, was mir passieren konnte

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OS zur Folge 21 „Schritt für Schritt"
💜 LEYLA 💜
„Todeszeitpunkt 15:17 Uhr" Niklas Stimme nehme ich nur noch wie durch einen Schleier wahr. Wieso hat Herr Hoffmann nur so komisch auf das Anästhetikum reagiert? Eine solche Reaktion hatte ich nie. War es etwa meine Schuld, dass er die OP nicht überlebt hat? Auch Niklas konnte sich den plötzlichen Herzstillstand ebenso wenig erklären wie ich. Er hatte das Aneurysma fertig ausgeräumt. Die OP war quasi als gelungen abgestempelt und jetzt das. Es wird einfach nie leichter, wenn man einen Patienten verliert. Wie in Trance reiße ich mir die Maske vom Gesicht und schalte die Geräte ab. Anschließend fange ich damit an, den OP-Bericht zu schreiben, während Niklas mit Frau Albrecht, der Freundin des Verstorbenen, redet. Ich bin so froh, dass diese Aufgabe heute nicht zu meinen Pflichten gehört. Diese Gespräche nehmen mich jedes Mal genauso mit wie der Verlust eines Patienten selbst.
„Was für ein beschissener Tag." Das sind die ersten Worte von Frau Winter. Die nach einer gefühlten Ewigkeit, die Stille des Raumes durchbrechen. „Ja", antworte ich ihr „Ich werd mich nie dran gewöhnen."
Als Niklas wieder den inzwischen aufgeräumten OP-Saal betritt, frage ich ihn, wie es Frau Albrecht gehe. Eigentlich ist mir die Antwort klar. Ich meine, wie geht es einem schon, wenn ein geliebter Mensch stirbt. Aber ich ertrage diese Stille, dieses Schweigen einfach nicht mehr.
Nach der Nachbesprechung rede ich noch kurz mit Frau Winter. „Haben Sie jemanden, der heute Abend da ist? Nach so einem Tag sollte man nicht allein sein." Das war eines der Dinge, die ich in den vielen Berufsjahren als Ärztin gelernt hatte. Nach einem anstrengenden Tag wie dem heutigen gibt es nichts Ätzenderes, als allein auf dem Sofa zu sitzen und sich den Kopf darüber zu zerbrechen, ob man nicht doch noch etwas für den Patienten hätte tun können.

Während ich mich umziehe, empfange ich eine SMS von Zoe:
„Hallo Mama, Mia und ich gehen heute feiern und hinterher schlafe ich bei ihr. Bis morgen. Hab' dich lieb! Zoe"
Tja. Verbieten kann ich ihr es nicht. Schließlich ist morgen Samstag und es kostete mich schon genug Überredungskünste, um mein schwieriges Fräulein Tochter dazu zu bekommen, nicht unter der Woche feiern zu gehen. Nun stehe ich also vor demselben Problem wie Frau Winter: Ich werde heute Abend allein sein. Obwohl. Vielleicht ja auch nicht. Es gäbe da schon jemanden, den ich anrufen könnte. Aber kann ich das wirklich bringen? Ihn fragen, ob er sich mit mir treffen möchte, nachdem ich seine Einladung zum Essen gehen einfach so abgelehnt und ihn mehrfach an die professionelle Distance erinnert habe? Mal angenommen, ich rufe ihn gleich an, was wird dann passieren? Ich will doch heute Abend einfach nur nicht allein sein und Herr Ahlbeck ist ja auch wirklich sehr nett und sympathisch, aber er hat in den letzten Tagen regelmäßig Andeutungen gemacht, dass er an mir interessiert ist. Aber meint er das wirklich ernst mit mir? Ich will auf jeden Fall verhindern, dass mein Name auf seiner OneNightStand-Liste landet. ‚Ach Leyla', ermahne ich mich, ‚du machst dir mal wieder viel zu viele Gedanken.' Ich will doch einfach nur einen Abend in netter Gesellschaft verbringen.

Als ich dann kurze Zeit später in meinem Auto sitze, greife ich kurzentschlossen nach meinem Handy und wähle Herrn Ahlbecks Nummer. „Das ist aber eine Überraschung", meldet er sich und seine Worte lassen mich schmunzeln. „Ja, ähm... ich wollte Sie fragen, ob Sie... ähm... Hätten Sie Lust, noch was trinken zu gehen?" gebe ich stotternd von mir. Wieso bin ich denn auf einmal nur so nervös. Das kann doch nicht sein, dass Herr Ahlbeck mich so aus dem Konzept bringt. Ich fasse es nicht. Er hat anscheinend auch mir den Kopf verdreht, dabei ist er doch viel zu jung für mich. Uns trennen ganze 10 Jahre und 7 Monate, wie Herr Ahlbeck mir letztens mitgeteilt hat, nachdem ich ihn dabei erwischt habe, wie er mir auf den Hintern gestarrt hatte. Ich muss zugeben, es gefällt mir, dass er immer mal wieder mit mir flirtet. Nach der Scheidung von Navid geben solche Gesten mir die Gewissheit, dass ich immer noch begehrenswert und attraktiv gefunden werde.
Nach einem kurzen Telefonat vereinbaren wir, dass wir uns in einer Stunde an der Krämerbrücke treffen werden. Nachdem ich aufgelegt habe, starte ich den Motor meines Autos und mache mich auf den Weg zu unserem Treffpunkt. Etwas aufgeregt bin ich schon. Immerhin habe ich soeben einen unserer Assistenzärzte um ein Date gebeten. Ausgerechnet heute gerate ich mitten in den Feierabendverkehr und dann ist natürlich auch noch jede Ampel rot. Aber ich komme doch noch pünktlich an. Nachdem ich das Auto geparkt hatte, bewege ich mich auf eine Bank zu, die an der Gera steht. Herr Ahlbeck ist noch nicht da. Aufgeregt, nervös und leicht frierend gehe ich vor dieser Bank auf und ab. Was wird gleich passieren? War es die richtige Entscheidung gewesen, ihn anzurufen? Doch, ehe ich einen Rückzug machen und einfach wieder gehen kann, höre ich den Motor seines Motorrades, welches auf mich zu fährt. Langsam drehe ich mich zu ihm und kann von dem Moment an dem Blick nicht mehr von ihm nehmen und auch das Grinsen, welches sich auf mein Gesicht schlich, war nicht zu verhindern, während er die letzten Meter zu mir zurücklegt und direkt vor mir zum Stehen kommt. Vorsichtig nimmt er seinen Helm ab und fährt sich mit einer Hand durch seine Haare. Er sieht halt einfach so unfassbar gut aus. Mit einem „Ich hätte nicht gedacht, dass Sie mich anrufen" kommt er auf mich zu. „Ich hätte es auch nicht gedacht.", antworte ich ihm wahrheitsgemäß, blicke erneut verlegen auf den Boden und füge nach einer kurzen Pause ein „War kein guter Tag." hinzu. Mit meinen Augen bleibe ich – mal wieder – an den seinen hängen. Er sieht halt einfach so mega gut aus. Es sollte verboten sein, so gut auszusehen. „Es ist schön Sie zu sehen." Nach seinem Satz fange ich mal wieder an zu grinsen und senke meinen Blick wieder kurz gen Boden, bevor ich nicht anders kann und ihn wieder auf meinen Kollegen richte. „Was jetzt?", fragt Herr Ahlbeck mich und ich merke, wie auch sein Blick an mir heftet. Ja, was jetzt? „Vielleicht gehen wir was trinken und ähm ... lernen uns besser kennen.", schlage ich vor. Während meiner Worte öffnet Herr Ahlbeck seine Jacke. „Aber meinen Sie nicht, dass das Auswirkungen auf unseren professionellen Abstand haben könnte?" Nach dieser Bemerkung fange ich kurz an zu lachen. Natürlich wundert mich diese Bemerkung seinerseits überhaupt nicht, schließlich habe ich ihn in letzter Zeit regelmäßig an den professionellen Abstand erinnert. „Ja, das ist schon möglich. Vielleicht werden wir ja gute Freunde." Tief in meinem Herzen weiß ich, dass ich mehr als nur eine ‚gute Freundin' für ihn sein will. Ich liebe ihn und habe es viel zu lange unterdrückt. Aber kann das gut gehen? Schließlich bin ich seine Vorgesetzte und er ist ein ganzes Stück jünger als ich.
„Aber Ihre Augen sagen was anderes." „Echt? Was denn?", frage ich mit einem leicht sehnsüchtigen Unterton. Jetzt werde ich neugierig. Was sieht er denn in meinem Blick? Haben mich meine Augen, die immer noch an ihm heften, etwa schon verraten? Da kommt er auch schon einen Schritt auf mich zu, legt seine Hand in meinen Nacken, blickt mir kurz in die Augen, bevor er seine schließt. Und dann spüre ich schon seine ach so weichen Lippen endlich auf meinen. Nach einem kurzen, aber dennoch sehr schönen Kuss löst er sich wieder von mir und ich kann in seinem Blick etwas Unsicherheit erkennen. Herr Ahlbeck kann also auch anders als immer nur selbstbewusst sein. „Oder habe ich jetzt etwas falsch verstanden?" Hat er das? Nein. Ganz sicher nicht. Schnell strecke ich meine Hand aus und greife seinen Hinterkopf, um ihn endlich wieder küssen zu können. Dieser Kuss wird schnell sehr leidenschaftlich. So oft habe ich mir in den letzten Tagen und Wochen ausgemalt, wie es wohl sein würde, ihn zu küssen, aber, dass es so wunderschön und liebevoll wird, hätte ich nicht gedacht. Endlich bin ich angekommen. Während unseres innigen Kusses, fahre ich mit meiner Hand durch sein so weiches Haar und blende alles um mich herum aus. In diesem Moment gibt es nur Ben und mich und ich fühle mich in diesem Moment so lebendig und bin einfach nur glücklich, auf mein Herz gehört zu haben.

Ich weiß nicht, wie lange Ben und ich hier so standen, aber als wir uns nach einer gefühlten Ewigkeit voneinander lösen, grinsen wir uns verliebt an. Seine Augen verraten mir, dass er gerade genauso glücklich ist, wie ich. „Und jetzt?", frage ich etwas zögernd? „Wollen wir was trinken gehen und uns besser kennen lernen?" imitiert Ben meinen Vorschlag von vorhin mit seinem unwiderstehlichen Lächeln, wodurch ich noch breiter lächle als ohnehin schon. „Sehr gerne", antworte ich ihm glücklich und kann nicht verhindern, dass meine Augen zum wiederholten Mal an seinen wunderschönen Augen hängen bleiben. Sanft streicht Ben mir eine Haarsträhne hinter das Ohr und legt dann seine Hand an mein Wange, bevor er mich erneut in einen gefühlvollen und leidenschaftlichen Kuss zieht. Es fühlt sich einfach alles so gut an mit ihm.
Anschließend legt Ben sanft einen Arm um meine Taille und eng umschlungen schlendern wir an der Gera entlang zu einer gemütlichen Bar, in welcher wir uns ein Getränk bestellen und jeweils etwas mehr über den Anderen erfahren.
Ich bin im Moment einfach so glücklich und hoffe, dass es diesmal einfach für immer so bleibt. Auch wenn ich diesen Gedanken so oft verdrängt und nicht zugelassen habe, so bin ich mir nun doch zu 100% sicher, dass ich mich in Ben Ahlbeck verliebt habe. Nach meiner Scheidung vor mittlerweile schon 1,5 Jahren, hätte ich niemals gedacht, dass ich mich nochmal so verlieben würde. Ben ist einfach das Beste, was mir passieren konnte.

Beyla OneShotsWhere stories live. Discover now