Kapitel 6

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Wer die Brücken hinter sich abbricht, tut sich schwer bei der Rückkehr.

Kurt Haberstich

»Das kann alles echt nur ein böser Traum sein

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»Das kann alles echt nur ein böser Traum sein.« Beklommen blickte Sandra von der Straße aus auf das freistehende, weiße Gebäude mit dem dunkelgrauen Giebeldach. Sie konnte noch immer nicht glauben, dass sie ab sofort im Haus von Jens und Isabel leben würde. Und das nur, weil Finn Alleinerbe des gesamten Vermögens seiner Eltern war.

Das hatte Sandra von Kai erfahren, nachdem sie den Besichtigungstermin abgesagt und noch lange mit ihm und Kathi zusammen im Hotelzimmer gesessen und über dessen Idee diskutiert hatte. Die eben darin bestand, dass Sandra mit Finn in das Haus des verlobten Paares und somit zurück in ihre Geburtsstadt ziehen sollte. Was sie zu Anfang vehement abgelehnt hatte.

Es war eine neue hitzige Diskussion entbrannt und Kathi war wieder dazwischengegangen. Kai hatte nicht lockergelassen und versucht ihr zu erklären, was für steuerliche Vorteile ihr Einzug in das Haus für Finn bedeutete. Doch letztendlich hatte Sandra ihn aus dem Hotelzimmer geworfen und war sauer gewesen, da es für die Wohnungsbesichtigung bis dahin viel zu spät gewesen war. Später am Abend hatte Kai sie plötzlich mit Links bombadiert zum Thema Erbschaftsteuerrecht und danach hatte er ihr täglich Nachrichten geschickt, dass sie ihre Entscheidung bitte nochmal überdenken sollte. Und dann hatte sich auch noch Kathi auf seine Seite geschlagen.

»Sieh es doch einfach als Neuanfang, Süße!«, hatte sie auf Sandra eingeredet, bis diese schließlich nachgegeben hatte.

Als hätte Kai gewusst, dass sie sich letztendlich für den Vorschlag entscheiden würde, hatte er ihr die wichtigsten und nötigen Unterlagen zugeschickt, sodass sie bald einen Überblick bekommen hatte, was alles zu regeln und sie zu verwalten hatte. Dabei hatte sich in ihr schnell das Gefühl breit gemacht, sich in Angelegenheiten zu mischen, mit denen sie sonst nie etwas zu tun gehabt hätte – und mit denen sie am liebsten auch nichts zu tun haben wollte.

Viel Zeit zum Nachdenken war allerdings nicht geblieben, da sie möglichst schnell den ganzen Bürokratie-Kram hinter sich hatte bringen wollen und es mit Kais Hilfe auch zügig geschafft hatte, das Thema Erbschaft schnell abzuschließen. Auch wenn sich ab und zu das schlechte Gewissen eingeschlichen hatte,  Kai zu sehr einzuspannen. Andererseits wusste sie, dass sie allein wahrscheinlich doppelt so lang für den Einzug in Isas Haus gebraucht hätte. So waren hingegen gerade mal vier Wochen vergangen. Und nun war sie hier. An dem Ort, wo sie nie gedacht hatte, je wieder zurückzukehren. 

Sandra konnte regelrecht fühlen, wie sich sämtliche Fasern ihres Körpers dagegen wehrten, noch einen Schritt mehr auf das Gebäude vor sich zu machen. Allerdings nicht, weil sie das Grundstück oder die Umgebung kannte. Vielmehr war sie wegen einer Person nervös und hatte mehr als nur eine schlaflose Nächte hinter sich. Der Grund war ihre Mutter. Sandra hatte Jahre gebraucht, sich nicht nur räumlich, sondern auch emotional von dieser Frau und den damit verbundenen Verhaltensmustern zu lösen. Und nun kam es ihr vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass sie ihre Klamotten gepackt und ihr Zuhause verlassen hatte.

Meine Liebe kann wartenWhere stories live. Discover now