Kapitel 1

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Was in der Kindheit zerstört wurde, kann im Leben niemals korrigiert werden - man kann sich höchstens damit arrangieren.

Wolfgang J. Reus

Sunny war fett

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Sunny war fett. Das sagte ihre Mama fast jeden Tag. Sie war etwas, das es gar nicht hätte geben dürfen und sie war an allem schuld. Besonders daran, dass sie die Model-Karriere ihrer Mama zerstört hatte. Und ihre Ehe. Das bekam Sandra fast täglich zu hören.

»Du hast mein ganzes Leben verpfuscht! Und das nur wegen eines blöden Unfalls!« Solche gemeinen Sachen sagte ihre Mama oft zu ihr.

Ihre Mama war schön. Die schönste Frau, die Sunny jemals gesehen hatte. Sie hatte hellblaue Augen und welliges hellblondes Haar. Sie war wie eine Königin und machte sich auch genau so zurecht. Allerdings lächelte sie sehr wenig. Vor allem, wenn sie nur zu zweit waren. Dann hatte Sunny sogar ein wenig Angst vor ihr.

Angst hatte sie aber auch an den Tagen, wenn sie Besuch von Fremden bekamen. Oft waren es Männer. Sie brachten Schokolade mit oder Gummibärchen, die sie vor ihren Augen essen sollte. Ihre Mama lachte dann. Wenn sie wieder weg waren, wurde Sunny aber ausgeschimpft.

Eines Tages kam wieder ein Mann zu Besuch. Allerdings war dieser anders als die anderen. Er war alt, da er schon Falten um seine Augen hatte. Als sie ihm das sagte, lachte er.

»Ja, das stimmt. Ich bin schon etwas älter.« Er lächelte. »Ich bin der Stefan, und du?«

»Sunny.«

»Sandra«, wurde sie von ihrer Mama korrigiert.

»Und wie alt bist du?«

»Vier!«

»Nun denn, Sandra. Ich habe leider nichts für dich dabei.« Er holte tatsächlich keine Süßigkeiten aus seiner Tasche. Dafür hielt er ihrer Mama einen kleinen Blumenstrauß hin, woraufhin diese anfing zu strahlen. Sunny fand Stefan nett.

Stefan kam in den nächsten Wochen fast täglich vorbei, meist kurz vor Sunnys Schlafenszeit. An den Wochenenden schlief er sogar bei Mama im Zimmer. Eines Tages wurde sie nach dem Kindergarten von beiden abgeholt. Ihre Mama wirkte ganz aufgeregt.

»Sandra, Liebes«, meinte sie mit seltsam hoher Stimme. »Du magst Stefan doch, stimmt's?« Liebes. So war Sandra noch nie genannt worden.

»Mh«, antwortete sie nur und erschrak, als ihre Mama sie an sich drückte.

»Das ist toll, denn wir beide werden heiraten!« Sunny wurde an den Schultern gepackt und leicht geschüttelt. »Das ist doch toll, oder?« Die Augen ihrer Mama glänzten.

»Mh«, meinte Sunny erneut und wollte ihre Arme ausstrecken. Aber ihre Mama hatte schon wieder losgelassen und entfernte sich.

»Siehst du? Ich habe dir doch gesagt, dass du dir keine Sorgen machen musst.« Diesmal strahlte ihre Mama Stefan an und er lächelte zurück. Ein paar Tage später hieß es im Kindergarten, dass sie jetzt einen neuen Papa habe.

Meine Liebe kann wartenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt