✧・゚: *Leo isst einen Apfel✧・゚:*

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Erst, als ich die Tür meines Gemachs aufstieß und auf die Gänge hinaustrat, wurde mir klar, dass ich farblich ein wenig herausstach. Die Trainingsroben bestanden aus Hose und Tunika im gewöhnlichen Rotton der Legion, aber schon am Eingang zum Flur hatte man die vorherrschenden roten Banner abgenommen und durch Grau ersetzt. Die alchemischen Lichter, die üblicherweise lebendige Rot- und Orangetöne in die Welt hinaussprühten, strahlten darunter in einem kalten Weiß. Noch mochte es nur der Flur sein, aber schon bald würde die ganze Stadt in Grau getaucht sein. Es galt ein verstorbenes Leben zu würdigen. Oder seinen Tod zu zelebrieren, je nachdem.

Ich vermied den Blick auf alles, was an die Totenehrungen erinnerte, und marschierte mit starrem Blick durch Gänge. Gerne hätte ich mich dafür beglückwünscht, nicht mehr auf Magie angewiesen zu sein, um mich in meinem eigenen Heim zurechtfinden zu können, aber drei Abbiegungen später wurde mir klar, dass ich genauso dumm wie vorher war. So schön funktionierende Augen auch waren, ohne Vorwissen waren sie nutzlos. Ich kannte mich in diesem Teil des Palastes nicht einmal aus.

Meine Füße hielten inne. Ich fuhr mir leise seufzend durchs Haar, während mein Blick die hoch aufragenden Gänge entlangglitt. Selbst in grau waren die aus dem Stein gehauenen Gemäuer ein imposanter Anblick, und weit über meinem Kopf schoben sich die Energieleitungen durch den Stein und funkelten oder warfen stiebende Blasen auf, wenn in irgendeinem Teil des Gebäudes Magie benötigt wurde. Jetzt, kurz vor dem offiziellen Frühstück, schien ihr Inneres unablässig in Bewegung.

Zwei, drei Abbiegungen lang folgte ich Hoffnung und Intuition, und tatsächlich änderte sich die Aufmachung der Palastwände um mich herum. Viele Statuen, geschmückte Wände, angelegte Flüsse, die sich den Boden entlangschlängelten und schimmernden Mondkarpfen Platz boten – definitiv nicht mehr mein Trakt. Aber auch nicht der offizielle Palastteil, auf den ich zu hoffen gewagt hatte. Wenn überhaupt, dann war das hier eher Unterkunft einer einflussreichen Hofdame. Die Art und Weise, wie sie ihr Domizil gestaltet hatte, erinnerte mich an-

„Hey! Männliche Besucher sind in diesem Trakt verboten!" Die Stimme riss mich aus den Gedanken, und als ich mich umdrehte, sah ich mich einer Dienerin gegenüber, die Stapel von Handtüchern auf ihren Armen und im Schwanz zusammengerollt trug. Ihre Augen weiteten sich bei meinem Anblick.

„Junger Prinz, ich- nein, ich meine- Archegus! Verzeiht meine Unverfrorenheit. Ich hatte euch nicht erkannt." Tatsache. Es mochte daran liegen, dass ich mich ausnahmsweise nicht in fünf Kilo bestickter Seide gehüllt hatte.

„Es sei dir verziehen." Meine Augen flackerten über weißes Licht und graue Stoffbande hinweg. Wer auch immer hier lebte, er hatte keine Sekunde versäumt, um sich zu seiner Trauer zu bekennen – echt oder aufgesetzt war wieder eine andere Frage. Viel mehr beschäftigte mich ohnehin, wie ich es von hier ins Hauptgebäude schaffte, ohne dabei die letzten Reste von Würde, die der Name Leonydas mit sich trug, mit den Füßen zu treten. Andererseits, wenn ich schon einmal ein Dienerin direkt vor mir hatte... „Leg deine Arbeit einen Moment nieder und begleite mich in den Speisesaal." Speisesaal kannte ich. Von da aus wäre der restliche Weg auch kein Kinderspiel, aber machbar.

Sie schien ein wenig irritiert, von mir tatsächlich einmal einen Befehl zu hören statt zusammengestotterter Bitten, aber einen Moment später hatte das Lächeln auf ihr Gesicht zurückgefunden. Die gerollten Wäschestücke warf sie hinter sich, wo sie von ihrem Schwanz umschlungen und weiter gen Flurdecke geschmissen wurden. Wie auf Kommando löste sich aus der schwarzen Einkerbung kurz unter den Energierohren ein schmales, längliches Wandstück, und als die Magie es zur anderen Flurseite hinüberzog, weitete sich ein Netz schimmernder Spinnenfäden mit ihm. Nacheinander wurde jede der Wäscherollen vom Netz aufgehalten, ehe sie noch ein wenig auf- und niedertanzten und an ihrem klebrigen Aufbewahrungsort darauf warteten, dass man ihnen wieder Beachtung schenkte.

Cadmiel Laughed As He FellWhere stories live. Discover now