Sie hatte meine Hand genommen, wir saßen bereits auf den Couches und hörten schon, wie Max, Mo und Nico vom Hotel herunter kamen. Die Musiker waren bereits auf der Bühne und stimmten sich und ihre Instrumente für den letzten Abend ein. »Meinst du wirklich?«, fragte ich leise. »Ich hab solche Angst, ihn als Freund zu verlieren.«
»Oder du gewinnst einen wundervollen Mann«, meinte Ilse augenzwinkernd. »Vielleicht braucht Nico das nur... dass du ihm endlich sagst, was du fühlst. Sei mutig, Liebes, sonst fragst du dich hinterher immer, was er wohl gesagt hätte.«
»Ich weiß«, erwiderte ich, bevor alle anderen ein letztes Mal das Set enterten. »Ich weiß nur nicht, ob ich wirklich den Mut haben werde, aber ich weiß, dass du recht hast. Ich würde mich ewig fragen, was er gesagt hätte.«

Wehmut hing überall in der Luft, als Michael Patrick den letzten Abend eröffnete. Jan und ich sagen als erste den Song Monster, und Jans Version war so unglaublich cool, so sexy, so rockig, ich liebte es mit ihm auf der Bühne zu stehen. Als zweite sangen Michael Patrick und Ilse das wunderschöne Love goes on, und  ich war fasziniert, sie gut ihre Stimmen harmonierten. Mo und Max lieferten das lustigste Duett des Abends mit So wie du bist, die Technik fiel aus und Max hatte auf den Ohren nur Störgeräusche. Sie mussten ein zweites Mal beginnen, doch dann lieferten sie ab und waren großartig.

»Wie Brüder«, fand Ilse, als sie zurück zu den Couches kamen, und das waren sie wirklich.
Danach sangen Nico und Ilse Ilses wundervolle Version von Rooftop, und auch sie harmonierten perfekt zusammen. Kurz dachte ich daran, wie es wohl gewesen wäre, mit ihm zusammen zu singen, fragte mich, ob Nico wohl darauf gehofft hatte. Aus irgendeinem Grund erinnerte ich mich an seinen Blick gestern Morgen, als Max mich wegen Für immer gefragt hatte, und fragte mich plötzlich, wie ich so blind hatte sein können. Er hatte garantiert darauf gehofft, dass wir vielleicht 110 singen würden, und ich wollte mir vor die Stirn schlagen. Wie hatte ich das nicht bemerken können?
Was nur noch deutlicher machte, dass wir reden und ich ihm sagen musste, was er mir bedeutete. Nämlich alles.

Als nächstes sangen Michael Patrick und ich Friends R Family, mussten während des Auftritts einfach nach vorn laufen und die anderen in einen Gruppenumarmung nehmen. Dieser Song beschrieb so unglaublich gut, wie wir alle uns gefunden hatten und hoffentlich unsere Freundschaften nie verlieren würden und ich genoss jeden Moment mit Patrick auf der Bühne. Es war eine große Ehre mit ihm zu singen und ich liebte diesen Song ohne Ende.
Danach war ich ein drittes Mal dran, setzte mich als Piano, während Max neben mir am Mikro stand. Aber auch diesmal verpasste Max einen Einsatz, wir prusteten los vor Lachen. »Sorry«, sagte er, peinlich berührt. »Ich dachte, da käme eine Pause.« Dann aber zogen wir den Auftritt durch, und vor allem diese letzten Momente auf dieser besonderen Bühne ließen mein Herz wieder schwer werden. Herrgott, wie sehr würde ich all das vermissen!

Vor dem allerletzten Auftritt dieser Staffel sangen Jan und Mo Von Ewigkeit zu Ewigkeit und dann war es soweit. Jan und Nico waren das allerletzte Duett, ihr Auftritt mit Wir werden uns wiedersehen unglaublich besonders und als wir uns alle am Ende wieder in den Armen lagen, konnte ich nicht verhindern, dass ein paar Tränen meine Wangen herunter liefen. Ich hätte ewig hier bleiben können, ewig weiter machen, ewig die Songs dieser unglaublichen Musiker singen. Aber zuhause wartete, und ich wusste, dass mein Herz morgen noch schwerer sein würde.

Ich konnte nicht sagen, wie lange wir nach diesem Abend alle noch beieinander waren. Wir versammelten uns für ein Gruppenfoto mit der Band, ich umarmte Laura und Katja, die Backgroundsängerinnen, den genialen Mathias und die anderen Jungs. Nico war lange irgendwo im Gewusel verschwunden, bis zuletzt nur noch wir sieben übrig blieben. Wir stießen ein letztes Mal gemeinsam an, umarmten uns, und ich hasste diesen Moment – dieses Wissen, dass es vorbei war. Für immer vorbei.

Irgendwann, es war sicher schon nach zwölf, Ilse, Michael Patrick, Mo und Jan schon gegangen, sah ich Nico bei Max stehen. Die beiden hoben ihre Bierflaschen, stießen an und ich musste schmunzeln. Die letzten Tage hatte eine seltsame Stimmung zwischen ihnen geherrscht, eine albern seltsame Stimmung, denn ich wusste ja, wie wichtig es Max war, dass ich glücklich war. Und das wünschte ich mir für ihn ebenso.
Ich griff nach zwei vollen Bierflaschen, weil ich gesehen hatte, dass Nicos leer war und er sich zur Bar beugte. Max lachte nur, winkte ab und umarmte ihn. Ich überlegte es mir anders; ich wollte den beiden diesen Moment nicht nehmen, ich konnte auch noch wann anders mit Nico reden. Und wenn nicht, dann sollte es wohl so sein.

Ich ging rauf zum Reservat, sog alles noch einmal in mich auf und schoss Fotos. Doch an schlafen war an diesem Abend noch gar nicht zu denken, und ich fragte mich, wie die andern das konnten. Ich blieb eine Weile in meiner Suite, machte auch hier noch ein paar Fotos und schrieb mit Lena, die noch wach war und sich riesig freute, mich bald wieder zu sehen. Aber es zog mich immer noch nicht ins Bett und so ging ich von meiner Suite aus hinaus auf den Balkon, um noch ein letztes Mal diese herrliche Nacht zu genießen. Wehmütig und dankbar lehnte ich mich an das Geländer, schaute über die in absoluter Stille liegende Walker Bay. Tiefschwarz hob sich das Meer vom Himmel ab, den man nur erahnen konnte, überall zirpten Grillen.

Dann drehte ich mich um, sah, dass in Mos und Jans Suiten noch Licht brannte und musste schmunzeln. Sicher telefonierten sie noch mit ihren Frauen. Dann sah ich etwas weiter von mir eine Gestalt am Geländer stehen, erkannte Nico und erschrak kurz. Hatte ich ihn gar nicht bemerkt, oder war er gerade erst gekommen? Spielte ja eigentlich gar keine Rolle, er wirkte etwas bedrückt, schien mich ebenfalls noch nicht bemerkt zu haben. Ich beschloss, zu ihm zu gehen; aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, dass es nicht gut war, wenn er jetzt alleine war.
»Na, kannst du auch noch nicht schlafen?«, fragte ich, lehnte mich neben ihm an das Geländer.
Nico schrak aus seinen Gedanken hoch und stockte, als er mich erblickte. Dann jedoch nickte er mit diesem sanften Lächeln, das Wärme durch meine Brust ziehen ließ. »Nein, geht mir auch so.«

Eine kurze Weile standen wir schweigend da, schauten über die unberührte Natur, die in Dunkelheit vor uns lag. Sterne blitzen am Himmel, und sie waren hier so klar, wie ich es selten gesehen hätte. Und auch diese Momente liebte ich so sehr zwischen uns: wir konnten ohne Ende Witze machen, uns aufziehen, aber mit Nico konnte ich auch schweigen. Und er schien genau zu wissen, wann es nötig war. Schließlich aber räusperte ich mich doch. »Woran denkst du?«, fragte ich.
Nico schaute erneut auf wie aus seinen Gedanken gerissen. »Ach, an... alles irgendwie. An den ersten Abend, meinen Abend... bis zu deinem und Paddys... und ich... an dein wunderschönes Walk In Your Shoes, das ich niemals vergessen werde. Und... naja, ich frage mich, ob Adri stolz auf mich wäre.«
»Ich bin überzeugt, dass er stolz auf dich wäre, Nico«, sagte ich sanft und konnte nicht anders, als eine Hand auf seinen Arm zu legen. Die Berührung jagte einen Schauer über meinen Rücken und ich presste die Lippen aufeinander.

Nico nickte nur, schien gar nicht gehört zu haben, was ich gesagt hatte. »Das ist so verrückt«, meinte er, auch wohl eher zu sich selbst. »Ich meine, dass morgen alles schon vorbei ist. Wie geht's bei dir weiter?«
Ich schaute überrascht auf, hatte gedacht, dass er mich gar nicht wirklich bemerkt hätte. »Naja, Ende Mai erscheint endlich Treppenhaus«, sagte ich. »Bis dahin Tourproben, Tourproben, Tourproben. Und irgendwie so ein paar Termine, glaube ich. Und bei dir?«
»Ja, ähnlich, am siebten Mai erscheint mein zweites Album«, meinte Nico. »Ist schon irgendwie strange, jetzt einfach so nach Hause zu fahren.«
»Ja, das stimmt«, sagte ich und fühlte mein Herz warm klopfen. Es war der Moment. Eine solche Chance wie diese würde ich nie mehr bekommen. »Nico...«, begann ich, doch Nico kam mir zuvor. Offenbar wollte er mir auch etwas sagen.
»Lea, ich... wollte mich bedanken«, sagte e er leise und ich fragte mich, wofür zur Hölle er sich bedanken wollte. »Für alles, dafür, dass du so für mich da warst, und für... Walk in your shoes. Das werde ich niemals vergessen, das war der besonderste Abend meines Lebens.«

»Nicht dafür, Nico«, erwiderte ich. »Das war doch selbstverständlich.«
»Nein, das war es nicht«, beharrt Nico. Er wandte sich zu mir, das Licht der Fackeln, die den Balkon ein wenig erhellten, spiegelte sich in seinen dunklen Augen und ich konnte ihn nur ansehen. Er hob eine Hand an meine Wange, und mit wild klopfendem Herzen ließ ich es geschehen. Seine Stimme war rau, als er fortfuhr. »Wir kannten uns vorher kaum, und du warst für mich da, und...«
»Das werde ich immer sein«, platzte es aus mir heraus, aber jetzt war es auch egal. Ich blinzelte, schaute in Nicos wunderschöne Augen, ließ mich fesseln, und er beugte sich schon wieder vor. Ich warte, rechnete schon damit, dass er wieder abbrechen würde, aber diesmal tat er es nicht. Weich und ein bisschen kratzig streiften seine Lippen über meine, ich seufzte leise in den Kuss und schlang meine Arme um seinen Hals.
Gott, mach, dass er niemals damit aufhört.

Er raubte mir den Atem, löste sich viel zu schnell von mir und schaute mir atemlos in die Augen. »Lea, ich...«, begann er, griff sich in den Nacken und rieb dort verlegen, aber diesmal unterbrach ich ihn.
»Jetzt ich«, sagte ich. »Nico, ich... wollte dir das schon die ganze Zeit sagen, ich wusste nur nicht wie. Und ich weiß, dass ich jetzt vielleicht jetzt alles kaputt mache, aber... ich liebe dich, Nico Santos. Mir ist das seit ein paar Tagen klar, und ich weiß, dass da etwas ist zwischen uns. Ich weiß, dass du noch nicht bereit bist für... für mehr, und das ist, absolut okay. Ich liebe dich, und ich... ich warte, Nico. Weil ich weiß, dass du Zeit brauchst. Und da ist absolut okay. Ich wollte nur, dass du es weißt.«

Nun war es heraus, endlich, und ich konnte kaum atmen. Mein Herz hämmerte gegen meine Brust, ich atmete durch. Und ich fühlte mich leichter, nun, da Nico es wusste.
Nico starrte mich sprachlos an. Ich konnte praktisch sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete, er setzte mehrmals zum Reden an. »Lea, ich...«, begann er, brach aber wieder ab und entfernte sich etwas von mir.
Ich schluckte, bemühte mich aber, Verständnis aufzubringen, und nur das hatte ich in dieser Situation für ihn und seine sicherlich völlig verwirrten Gefühle. »Es ist okay, Nico«, sagte ich sanft, obwohl ich heulen und mich verfluchen wollte. »Ich wollte nur, dass du es weißt.«
Nico starrte mich immer noch an, dann murmelte er, beinah so leise, dass ich ihn nicht hören konnte: »Ich... ich kann nicht... es tut mir leid, Lea. Ich kann nicht.«

Schwer atmend drehte er sich um, ich stand da wie vom Blitz getroffen, dabei hatte ich doch mit dieser Reaktion gerechnet. Er ging, eilte beinahe in seine Suite, und ich blieb zurück, mit vor Tränen schimmernden Augen und Wut auf mich selbst im Herzen.
Ich hätte meine Klappe halten sollen. Ich hatte genau gewusst, dass er so reagieren würde. Nun war alles kaputt – unsere Freundschaft, die mir so viel bedeutete.
Wie hatte ich so dumm sein, mich so leiten lassen können?



»Dann mach ich alles kaputt, dann mach ich alles kaputt...«

... Und wenn ich's Dir sag?Where stories live. Discover now