KAPITEL 3

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»Ich seh in Deinen Augen
So viel von mir«

Aufgeregt und mit klopfendem Herzen zog ich meinen Koffer hinter mir her zum Check-In. Die letzten Nächte vor unserem Flug nach Südafrika hatte ich tatsächlich kaum geschlafen. Ich freute mich riesig, dass es endlich losging, die anderen wieder zu sehen, vor allem Nico. Wir hatten uns seit dem Probeabend nicht mehr gesehen, aber täglich geschrieben und telefoniert, und ich genoss die Telefonate mit ihm sehr. Es tat so gut mit ihm, der das Showbusiness ebenso gut kannte, über all diese Sachen zu reden, über Musik zu quatschen und sonst alles mögliche, dass ich das Gefühl hatte, schon ewig mit ihm befreundet zu sein.

»Lea!«, hörte ich eine sehr bekannte Stimme von irgendwo her, fuhr herum und mein Herz machte einen Sprung, als Nico um eine Ecke bog, seinen Koffer hinter sich her ziehend. Erst jetzt dachte ich daran, dass wir zusammen nach Frankfurt flogen, wo wir die anderen treffen, umsteigen und alle gemeinsam weiter nach Kapstadt fliegen würden.
»Hi«, begrüßte ich Nico, bemühte mich mein flatterndes Herz zu beruhigen, weil er so unfassbar gut aussah. Beim Probeabend hatte ich gar nicht so sehr darauf geachtet, aber er war sexy, kam mit ausgebreiteten Armen und breitem Lächeln auf mich zu und schon fand ich mich in starken Armen wieder. Und wieder roch er so gut, dass ich kurz die Augen schloss, die Nähe genoss und mich darauf freute, im Flieger mit ihm alleine zu sein – wenigstens bis Frankfurt.

»Sitzen wir nebeneinander?«, fragte Nico nach dem Check-In. Die Produktionsfirma hatte unsere Flüge gebucht, und mit einem kurzen Check stellten wir fest, dass wir tatsächlich nebeneinander saßen.
»Ich sitze am Fenster«, verkündete ich freudig, griff nach meinem Koffer und eilte voraus, ehe er reagieren konnte.
»Hey, warte mal«, rief Nico lachend und wir lieferten uns ein kleines Wettrennen zum Gate.

»Erste«, grinste ich, war tatsächlich als Erste am Gate und lachte, als Nico langsamer hinterher kam.
»Ich hätte dich auch so ans Fenster gelassen«, grinste er. »Bin schließlich Gentleman.«
Oh ja das war er – und kurz fesselte mich sein breites Lächeln, das belustigte Funkeln seiner dunklen Augen und mein Herz klopfte warm. »Ähm... lass mal reingehen, oder?«, riss mich Nico da aus meiner Starre und grinste – aber er schaute nicht weg.
Verwirrt nickte ich hastig und schob meinen Koffer durch den Gang ins Flugzeug. Nico hielt selbstverständlich Wort und ließ mich am Fenster sitzen und ich musste schmunzeln, weil das erste, was er tat, als wir saßen, war, sich die Kopfhörer um den Hals zu legen. Ich störte ihn nicht, musste irgendwann erneut lächeln, als ich beobachtete, wie er irgendeinen Song mitsummte, die Finger seiner linken Hand auf der Handstütze trommelten und er sein linkes Bein im Takt hob und senkte.

Viel zu schnell waren wir in Frankfurt, mussten auf unser Gepäck warten und suchten eilig das Gate für den Flug nach Kapstadt. Ich konnte es kaum glauben dass es endlich losging, doch als ich einen schrillen Schrei hörte, blonde lange Haare auf mich zu flogen, Ilse ihre Arme um mich warf und mich im nächsten Atemzug Max umarmte, konnte ich es nicht mehr leugnen: Das wohl größte Abenteuer meines Lebens, Sing meinen Song 2020, stand in den Startlöchern.

»Gott, ich freu mich so, dich wieder zu sehen«, begrüßte mich Ilse in ihrem niedlichen holländischen Akzent und ich musste unwillkürlich grinsen. Sie war eine solch herzliche Person, wir hatten uns bei unserem Kennenlerntreffen gleich so gut verstanden. Auch Jan und Mo umarmte ich, freute mich riesig, alle endlich wieder zu sehen.
»Ich freu mich auch so krass«, sagte ich, ignorierte die vielen Blicke der Fluggäste rundherum. »Endlich geht's los. Ich hab die letzten Tage kaum schlafen können.«
»Ich auch nicht«, gestand Ilse lachend. »Ich bin so aufgeregt.«
»Und ich erst«, grinste ich und wir umarmten uns erneut. Ich war so froh, dass wir uns gleich so gut verstanden, immerhin waren wir die einzigen Frauen dieser Staffel. Aber ich war überzeugt, dass Ilse eine großartige Freundin werden würde.

Wir beeilten uns, ins Flugzeug zu kommen, hatten rasch unsere Plätze gefunden und ich rutschte wieder ans Fenster. Neugierig, wer sich neben mich setzen würde, drehte ich mich um – und musste grinsen, als es natürlich niemand geringeres war als Nico.
»Danke, dass du mir freigehalten hast, liebste Lea«, grinste er, schob seinen Rucksack in die Gepäckablage und ließ sich auf den Sitz fallen.
»Für dich doch immer, liebster Nico«, flötete ich zurück. »Könnte doch nicht ertragen, wenn du nicht neben mir sitzt.«
»Oh ich auch nicht, mein Herz wäre für immer gebrochen«, fasste Nico sich theatralisch an die Brust, wir schauten uns an und mussten beide losprusten.

»Wenn ihr beide so weiter flirtet, werdet ihr in Südafrika direkt die Produktion mit ihren Kameras am Arsch haben«, bemerkte Max, der neben Ilse saß und belustigt zwischen uns hin und her haute.
Erstaunt sah Nico mich erneut an, mit solch einem warmen Blick, dass es mir kurz den Atem raubte. Dann zwinkerte er mir zu. »Eifersüchtig, Giesinger?«, fragte er dann schelmisch – und unverschämt süß – grinsend, nach hinten gewandt.
Ich musste kichern. Max und ich kannten uns so gut, das musste Nico wissen. Mit einem Blick nach hinten sah ich, wie Max die Augen rollte. »Du weißt, dass Lea für mich wie eine kleine Schwester ist, oder?«, wurde seine Stimme gleich ein bisschen drohend.
»Autsch«, machte Nico und ich musste erneut kichern. »Dann sollte ich es mir mit dir besser nicht verscherzen, oder?«
»Jedenfalls nicht, wenn du so weitermachst mit Lea«, bemerkte Max.
»Ich kann euch hören, Jungs«, grinste ich, Ilse, Jan und Mo lachten los und ich war so unendlich erleichtert, dass unser Verhältnis immer noch so freundschaftlich war wie während des Kennlerntreffens. Aber ich hatte mit nichts anderem gerechnet. Sie waren alle so herzliche, wunderbare Menschen, Musiker, Freunde, und ich wusste, dass ich jede einzelne Sekunde in Südafrika genießen würde.

Nico zwinkerte mir erneut zu, widmete sich dann wieder seinen Kopfhörern und auch ich zog meine Kopfhörer aus meiner Handtasche. Eine Weile quatschten wir noch, aber nach und nach erstarben die Gespräche. Ich sah, wie Jan ein Kissen auspackte, auch Ilse lehnte den Kopf irgendwann gegen die Sitzlehne. Hinter mir hörte ich Max und Mo leise reden, und während ich meine Spotify-Playlists durchscrollte, merkte ich plötzlich, wie ein Kopf an meine Schulter sackte. Vorsichtig drehte ich den Kopf, fragte mich kurz, wie es sein könnte, dass Nico jetzt schon einfach einschlief, aber seine Augen waren tatsächlich geschlossen und er atmete ruhig und gleichmäßig. Seine Hand lag auf der Armstütze, ganz nah an meiner, unsere kleinen Finger berührten sich und eine Gänsehaut huschte über meinen Körper. Ich traute mich nicht, mich zu bewegen, genoss den Moment viel zu sehr – auch wenn ich garantiert einen steifen Hals davontragen würde.
Vielleicht, dachte ich bedrückt, hielt ihn die Trennung abends, wenn er allein war, doch wacher als gedacht, schließlich kannte ich das nur zu gut. Ich konnte ihn so gut verstehen, meine letzten Trennungen waren auch nicht gerade leicht gewesen. Wir waren uns so ähnlich, hatten denselben Humor, das, was ich bisher von ihm kennengelernt hatte, war ganz wundervoll – und ich freute mich riesig darauf, ihn noch näher kennenzulernen.

Irgendwann drehte Nico sich auf die andere Seite, sodass ich meinen Sitz doch etwas herunterfahren und in eine halb liegende, halb sitzende Position rutschen konnte. Max blieb ebenfalls wach, ich konnte einfach nicht schlafen, schob meinen Sitz wieder nach oben und drehte mich zu Mo und ihm nach hinten. Der Flug war lang, und obwohl ich mich völlig gerädert fühlte, weil ich irgendwann nur eingenickt war, war ich gleichzeitig total aufgekratzt. Unser Gastgeber, der großartige Michael Patrick Kelly, war schon im Grootbos Reservat in Südafrika, wo Sing meinen Song gedreht wurde, ein Ranger holte uns vom Flughafen ab.

»Na, hast du gut gepennt an Leas Schulter?«, konnte Max es nicht lassen zu sticheln, als wir mit den Koffern das Flughafengebäude verließen, und Nico grinste nur.
Kurz blieb mir der Atem weg; es war warm, um die 25 Grad, im Gegensatz zum kalten Deutschland ein Unterschied wie Tag und Nacht. Froh, dass ich, wie Michael Patrick uns geschrieben hatte, ein T-Shirt untergezogen hatte, streifte ich meinen Pullover aus und schaute kurz zu Nico – der ein graues Shirt trug, das seine muskulösen Oberarme zur Geltung brachte.
»Lealein, du starrst«, stieß Max mich in die Seite, ich zuckte zusammen und er lachte los.
»Blödmann«, brummte ich, als Max mit den Augenbrauen wackelte und sich vor Lachen den Bauch hielt.

Die zweistündige Fahrt ins Grootbos war atemberaubend. Ich saß hinter Nico in einem Bus des Reservats, mir gegenüber Ilse, hinter uns Mo, Max auf der Rückbank und Jan. Gar nicht wissend, wohin ich zuerst schauen sollte, ließ ich mich überwältigen von dem wunderschönen Reservat, das quasi aus dem Nichts inmitten der unberührten Natur auftauchte, dem Meer weit am Horizont, einfach von allem und hatte meine Müdigkeit prompt völlig vergessen. Meine Suite war ein Traum, ich stellte fest, dass Ilse und Max die Suiten neben mir hatten – besser hätte es nicht sein können.
»Ey, ist das schön hier, oder was?«, empfing mich Nico begeistert, als wir uns wenig später auf den Fluren trafen, um unseren Gastgeber zu begrüßen.
»Es ist einfach wunderschön«, schwärmte ich.
Er legte mir einen Arm um die Schultern, mein Herz stolperte kurz. »Das ist gerade genau die Ablenkung, die ich brauche«, meinte er und ich verstand ihn doch so gut. »Und weißt du, was? Ich bin wahnsinnig froh, dass wir zusammen hier dabei sind.«

Ich wusste im ersten Moment gar nicht, was ich sagen sollte, konnte nur nicken, fühlte mich von allem überwältigt, von der Gewissheit, dass es jetzt wirklich los ging, dass ich hier war – gemeinsam mit diesen atemberaubenden Musikern. »Ja«, konnte ich ihm nur entgegen bringen. »Es ist unfassbar hier. Mit... mit dir.«
Es war mir heraus gerutscht, ich biss mir auf die Lippen und kurz schaute Nico schaute mich an, es war, als verschwamm alles um uns herum. Er bemühte sich um ein Grinsen, aber es gab nur uns in diesem Moment, der schon zerstört wurde von Max, der auf uns zu kam und Nico auf die Schultern klopfte.
»Ey, es ist so krass hier«, freute auch er sich offenbar sehr. »Ich kann's immer noch nicht fassen, dass es echt losgeht.«
Die anderen tauchten von irgendwo her auf, ich fing Nicos Blicke immer mal wieder auf und bildete mir ein, dass er dabei lächelte. Lea, meldete sich mein Gewissen wieder, das erstaunlich lange die Klappe gehalten hatte. Vergiss es. Er ist gerade frisch getrennt!

Und das stimmte ja. Ich schüttelte die Gedanken ab, als Ilse mich umarmte, und zusammen gingen wir hinaus auf die wunderschöne Terrasse, wo ein ebenso atemberaubender Flügel stand, man einen unglaublich weiten Blick über die Natur bis hin zum Meer werfen konnte und Michael Patrick am Geländer mit eben solch einem wunderschönen Ausblick wie auf dem Balkon an den Suiten wartete.
Michael Patrick war genau der herzliche Mensch, wie er es bei unserem Kennenlernen schon gewesen war und ich fühlte mich nur geehrt, mit diesem faszinierenden Mann gemeinsam Musik zu machen.

Der erste Tag blieb uns noch zum Ausruhen, kennenlernen, erholen vom langen Flug und ich sah Nico kaum, weil wir auch ständig mit Proben beschäftigt waren. Gegen Abend des nächsten Tages trafen wir uns zu einem gemeinsamen Abendessen und drehten einige Szenen, auch eine Begrüßungsszene auf der Terrasse. Aber hier waren die Kameras die meiste Zeit über aus, was mir sehr gefiel. Aufgeregt zog ich mich für Max' Abend um; ich trug einen lila Pullover zu einer fliederfarbenen Hose und passende Schuhe, und telefonierte vor den ersten Aufzeichnungen kurz mit meiner Schwester Lena. Ich stand auf dem langgezogenen Balkon vor unseren Suiten, mit diesem faszinierenden Blick über die Walker Bay, mit dem Meer am Horizont, hatte ihr Fotos geschickt und musste über ihr begeistertes Kreischen lachen, als ich sie anrief.

»In einer Stunde geht's los«, sagte ich mit schon vor Aufregung bebende Stimme. Wie sollte ich so vor Max und den anderen einen seiner Songs performen? Es war etwas Anderes, vor diesen erfolgreichen Musikern ihre eigenen Songs zu singen, als vor hunderten von Fans zu spielen, und mein Herz hämmerte jetzt schon gegen meine Brust. »Ich bin so übertrieben aufgeregt, ich bekomme bestimmt keinen Ton heraus.«
»Lea, du wirst sie alle umhauen«, war meine Schwester überzeugt und ich lachte leise.
»Wenn du das sagst«, stöhnte ich. »Okay, Liebes, ich muss los, ich will nicht auch noch zu spät kommen. Ich melde mich, ja?«
»Genieß jeden Moment auf dieser Bühne, Lea«, sagte sie noch, und genau das nahm ich mir vor.

Für Max das Beste zu geben, ihn zu berühren und jeden Moment dieses unglaublichen Geschenks zu genießen.


»Siehst du mich auch?«

... Und wenn ich's Dir sag?Hikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin