KAPITEL 9

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»Lieber steig ich ein in den letzten Bus
Ich fahr soweit ich kann und bin dich wieder los«

Lea:

Natürlich half die Tablette nicht sonderlich viel. Ich schlief ein paar Stunden, war aber auch schon wieder wach, kaum dass die ersten Sonnenstrahlen durch die halb geschlossenen Vorhänge fielen. Dies war also der Tag – der Moment, von dem jeder Musiker, jede Musikerin träumte – bei Sing meinen Song den eigenen Tauschabend erleben zu dürfen. Ich fand keine Worte dafür, wie dankbar ich gerade war, und ich war überzeugt, dass ich den ganzen Tag mit diesem dämlichen Honigkuchenpferdgrinsen herumlaufen würde.

Es fing schon an beim Frühstück und mein Platz auf dem Terrassentisch, an welchem ich immer neben Jan saß, hübsch mit Blumen und einer Girlande geschmückt war. Das hatten wir bei allen gemacht, eine Anerkennung für den Künstler des Tages.
»Na, schon aufgeregt?«, fragte Michael Patrick plötzlich neben mir, als ich am Buffet stand und mein Müsli und den Kaffee holte.
»Du hast gar keine Ahnung, wie sehr«, lachte ich und unser Gastgeber musste ebenfalls lachen.
»Genieß deinen Tag«, meinte er und legte ein Hand auf meine Schultern. »Ich freu mich sehr auf heute Abend.«
Er machte das einfach perfekt, schien diese Gastgeberrolle verinnerlicht zu haben. Und doch war er dabei ganz normal, so wie wir alle eben, ging mit uns in den Pool, wenn ihm die Zeit dafür blieb, war immer bei unseren Session dabei.

»Und alle meine Freunde finden, dass ich leiser bin, leiser seit ich bei dir bin...«, hörte ich Max' Stimme hinter mir und musste lachen, als er seine Arme um meinen Hals schlang und mir einen Schmatzer auf die Wange drückte.
»Wolltest du mir etwa damit sagen, dass du heute Abend Leiser singst?«, zog ich ihn auf, wünschte mir nur für den Bruchteil einer Sekunde, dass Nico an seiner Stelle da stehen würde und verfluchte diesen Gedanken sofort wieder.
»Wer weiß...« Max löste sich wieder von mir, zwinkerte mir zu und bediente sich ebenfalls am Buffet. Ich schaute zur Seite, fing Nicos Blick auf – und seufzte, weil sein Blick schon wieder so undurchdringlich war.

»Leiser in einer Max Giesinger-Rockversion? Ey, ich würd es ohne Ende feiern«, meinte ich und ging mit ihm zusammen und unseren Tellern hinaus auf die Terrasse.
»Oder vielleicht in einer Michael Jackson-80er Jahre-Nico Santos Version?«, fragte Mo augenzwinkernd und ich fühlte mich eiskalt erwischt.
»Würde ich genauso feiern, wie von jedem anderen auch«, meinte ich, während Nico mit Michael Patrick zusammen auf die Terrasse kam.
Wieder war sein Blick undurchdringlich, ich biss mir auf die Lippen und widmete mich endlich meinem Frühstück.

Zur Bandprobe empfingen mich Mathias und seine Jungs und Katja und Laura, die Backgroundsängerinnen, mit einer Lola-Welle. Wir probten noch einmal meinen neuen Song Treppenhaus, dann ging ich nach oben, wo ich ein paar Szenen für den Einspieler drehen sollte. Ich setzte mich ans Klavier auf der Terrasse, oberhalb der Poolarea, spielte Treppenhaus, und stutzte, als sich plötzlich jemand neben mich setzte.
»Auch, wenn du jetzt was andres sagst, wir sind doch längst am Arsch, zwischen uns ist viel zu viel passiert...«
Ich spürte Nicos Präsenz neben mir so deutlich, mein Herz stockte, bevor es doppelt so schnell weiter schlug. Instinktiv rückte ich so weit an das Ende des Klavierhockers wie möglich, aber so lang war der natürlich auch wieder nicht. Ich schaute auf, in Nicos wunderschöne Augen, fing seinen entschuldigenden Blick auf, aber ey... das reichte noch lange nicht als Entschuldigung.
»Hast mich aus deinem Leben geschossen und  wo's am meisten wehtut getroffen, aber ich Idiot will doch immer wieder hoffen...«
Ich dachte daran wie sehr Nico diesen Song liebte und war froh dass Treppenhaus noch auf keinem Album war. Ich wäre gestorben, hätte er den Song gesungen.

»Es... tut mir leid, Lea«, sagte Nico, als die Kameras ausgeschaltet waren. »Ich... bin ein Idiot. Ich... ich vermiss dich. Unsere... Freundschaft und... dich.«
Freundschaft. Was brauchte ich denn noch? Deutlicher konnte er es doch nicht sagen.
Ich rang mir ein Lächeln ab. Heute wollte ich nicht Trübsal blassen, ich wollte den Tag genießen und nickte. »Alles okay, Nico«, hörte ich mich sagen. »Wirklich. Da... ist nichts mit Max. Was denkst du von mir?«
»Und selbst wenn, ist es doch völlig okay«, sagte Nico und mein Herz wollte schreien. »Ich... wünsch mir nur, dass zwischen uns alles okay ist.«

... Und wenn ich's Dir sag?Where stories live. Discover now