Natürlich ging die erste Bandprobe voll in die Hose. Ich verpasste meinen Einsatz, vergaß den Text, und irgendwann gab Mathias auf.
»Was ist denn los mit euch heute?«, fragte er irritiert. »Lea war auch schon so durcheinander. Ist nur Patricks Abend!«
»Nur«, lachte ich und fuhr mir entnervt durch die Haare. »Ist nicht irgendein Gastgeber, und der Song ist verflucht schwer zu singen.«
Und ich war mit den Gedanken ganz woanders, das aber konnte ich dem Keyboarder und Bandleiter kaum sagen.
»Wir brechen mal ab für heute«, beschloss Mathias. »Das bringt ja nichts. Ihr habt die Songs drauf. Schalte ab, Nico, geh schwimmen oder sonst etwas. Patrick ist nicht besonderer als ihr alle. Jedenfalls sieht er sich nicht so.«

Ich ging tatsächlich an den Pool, doch das war keine gute Idee. Seufzend sah ich zu Max und Lea, die wieder zusammen im Pool waren und sich gegenseitig nassspritzten. Aber ich wusste auch nicht wirklich, wohin sonst mit mir. Mo und Jan kamen gerade von der Terrasse herunter. Ilse war bei den Proben und Paddy wohl zu einem Interview gerufen worden. Ich fragte mich wieder, welche Duette Lea wohl singen würde, hatte gehofft, dass sie vielleicht mit mir 110 singen wollte. Aber sie hatte sich so bedeckt gehalten gestern Abend, und nach ihrer so plötzlichen Flucht wusste ich einfach nicht mehr, was das war zwischen uns.
Ich war überzeugt gewesen, dass da mehr zwischen Max und ihr war, aber wenn ich jetzt darüber nachdachte, war das absurd. Die beiden waren wie Bruder und Schwester, sie neckten sich, machten alberne Späße, aber doch war es längst kein Geheimnis mehr, dass Max sie heiß fand. Zwar hielt Lea sich zurück, aber vielleicht musste da wirklich jemand nachhelfen. Und ich wünschte mir, dass sie endlich glücklich war.

»Na, mein Freund, ist nicht so leicht bei euch beiden, was?«, vernahm ich da Jans Stimme neben mir. Er hatte sich abgetrocknet, setzte sich auf die Liege neben mich und deutete zu Lea.
Ich seufzte nur. »Leonie ist einfach... noch zu nah«, gestand ich, und augenblicklich wollten mir Tränen in die Augen schießen. Ich wollte, konnte Lea einfach nicht verletzen. Dafür war sie mir viel zu wichtig geworden.
»Mein Lieber, lass dir von einem alten Mann etwa gesagt sein«, legte Jan mir beinahe väterlich eine Hand auf die Schulter. »Zweite Chancen bekommen wir bei den Frauen nicht häufig. Lea ist eine Prinzessin, sie verdient es, wie eine Königin behandelt zu werden.«
»Eben, und ich weiß einfach nicht, ob ich der Richtige dafür bin«, sagte ich leise. »Ich weiß, dass sie nicht Leonie ist, dass diese Angst bescheuert ist, aber sie ist nun einmal da.«
»Das wird immer so sein«, meinte Jan. »Bei jeder Beziehung, die du eingehen willst. Du musst dich nur einmal in den Arsch kneifen, Kumpel. Hey, hast du nicht Lust, morgen mit mir deine wundervolle Version von Wir werden uns wiedersehen zu singen? Das wär doch ein toller Abschluss, und ich hab deine Version so krass gefeiert.«
»Sehr gerne«, nickte ich lächelnd. Vielleicht war es besser, nicht mit Lea zu singen. Und vielleicht hatte sie das schon wieder früher bemerkt als ich.
»Sehr cool, ich freue mich«, meinte Jan. »Und wegen Lea... Nico, ihr seid wundervoll zusammen. Trau dich, mein Freund. Solch eine Frau findest du nicht noch einmal.«

Verdammt, ich wusste doch, dass er Recht hatte. Und ich konnte das Herzklopfen, das meine Brust durchzog, wenn ich an Lea dachte oder sie ansah, doch auch gar nicht mehr ignorieren. Ich hatte doch auch keine Ahnung, woher diese Angst, dass ich eine Beziehung mit Lea genau so in den Sand setzen würde wie jene mit Leonie, kam. Ich wollte ihr das einfach nicht antun, so verletzt zu werden. Und natürlich wollte ich nicht derjenige sein, der ihr das antat.

Vielleicht brauchte ich nur etwas Zeit. Zeit, um mich auf eine neue Frau einzulassen. Nach dem Aus mit Leonie hatte ich mich auf die Musik konzentrieren wollen, auf Sing meinen Song, auf meine Tour. Es gab eine Anfrage von the Voice of Germany, in diesem Jahr als Coach teilzunehmen, nicht nur für die Comeback-Stage, ich fühlte mich riesig geehrt und hatte bereits zugesagt. Doch ich bekam Lea doch auch gar nicht mehr aus meinem Kopf. Immer wieder fand ich mich ihr nahe, wie gestern Abend, als sie so überstürzt geflüchtet war. Es könnte doch so leicht sein, aber gleichzeitig hemmte mich das Beziehungsaus mit Leonie so sehr, dass ich  mich selbst dafür hasste.

... Und wenn ich's Dir sag?Where stories live. Discover now