𝕰𝖑𝖋𝖙𝖊𝖘 𝕶𝖆𝖕𝖎𝖙𝖊𝖑

53 10 3
                                    

Der Phönix stieg auf, bis zum höchsten Turm. Selbst der Regen schien seine Federn nicht zu löschen. Ich rannte von dem Friedhof zurück in den Palast. Als ich gerade durch die Türen hineintreten wollte, schnaubte Shadow hinter mir, die ich ganz vergessen hatte.
„Geh nach Hause, Shadow."
Die Stute schien ein wenig beleidigt, drehte sich dann aber um und galoppierte davon.
Ich schlüpfte durch die Tür hinein in den Palast.
So schnell es in dem Kleid ging rannte ich zu dem Turm hinauf. Nach gefühlten tausend Treppen erreichte ich die Falttür. Ich schlüpfte hindurch und befand mich auf dem höchsten Punkt des Palastes. Wenn man Höhenangst hatte, war das nicht gerade der perfekte Ort.
Zwei Wachen versuchten bereits, dem Phönix, der hier gelandet war, den Brief zu entnehmen. Doch dieser wehrte sich und kämpfte gegen sie an. Ich konnte nur da stehen und zuschauen, wie der mächtige Phönix seine Flügel schlug, die Wachen verbrannte und seinen Sitzplatz änderte.
Hinter mir kam Lilian durch die Falltür und schob hektisch die Wachen von dem Vogel weg.
„Was tun sie da? Ist ihnen nicht bewusst, dass ein Phönix nur einen seine Botschaft abnehmen lassen wird?" Die Wachen schüttelten entschuldigend den Kopf und Lilian seufzte. Dann blickte sie zu mir.
„Er ist an dich gerichtet. Dich wird er ranlassen."
Ich starrte sie entgeistert an. Sollte ich gerade wirklich einem brennenden Vogel einen Brief abnehmen? Hatte sie nicht die verbrannten Hände der Wachen gesehen?
Sie schaute mich weiter erwartungsvoll an.
Langsam schritt ich auf den Phönix zu. Dieser breitete seine Flügel aus und hatte nun eine Flügelspannweite von einem Meter.
Ich stand nun direkt vor dem Phönix und streckte meine Hand nach seinem Bein aus. Er beobachtete jeden meiner Schritte mit seinen kleinen Augen.
Meine Finger erreichten das Band das den Brief mit seinem Fuß verband. Ich zog die Schleife auf und nahm mir die Papierrolle, dann schritt ich sicherheitshalber ein paar Meter zurück.
Der Phönix schaute mich ein letztes Mal an, dann schaute er in den Himmel.
Vor Schreck duckte ich mich, als seine Flammen größer und heller wurden. Man konnte ihn überhaupt nicht mehr erkennen.
Auch Lilian und die Wachen gingen in Deckung.
Dann verschwanden die Flammen. Mit dem Phönix. Übrig blieb nur ein wenig Asche, die sofort vom Wind weggetragen wurde.

Ich drehte den Brief in meinen Händen.
„Nun machen sie schon!" meinte Sir Lorten aufgeregt wie ein Schulkind.
Er saß mit Lilian, dem Rat und mir an einem langen Tisch.
Der Rat wurde aus „Notgedrungenen Umständen" herbeigerufen. Es waren ungefähr fünfzehn Männer und Frauen, die bei größeren Entscheidungen immer anwesend sein mussten und ihren Senf dazu geben.
Ich öffnete das schwarze Wachssiegel und rollte das Papier auseinander.
Dann laß ich vor.

„Königin Asena,
Unter den momentanen Umständen heraus bin ich zu dem Entschluss gekommen, ein Schlussstrich zu setzten. Ich würde gerne zur letzten Schlacht aufrufen.
Ich wäre bereit, ein paar Regeln mit ihnen aufzustellen. Meine Bedingungen sind, dass ich den Ort wählen darf. In diesem Punkt würde ich die Steppen der Hyla wählen. Meine Armeen werde ich mindestens auf eine Einheit beschränken.
Wenn sie nicht auf den Vorschlag eingehen, sehe ich mich gezwungen, Arîs auf andere, für Ihre Population schmerzlichere Weise zu übernehmen.
Ich erwarte eine Antwort in mindestens drei Tagen."

Darunter war das Siegel von Xetras, ein Phönix mit vier Flügeln.
Sir Lorten hatte also recht. Xetras wollte zu dieser ,letzten Schlacht' übergehen. Ein Schauer lief mir über den Rücken.
Und auch alle anderen im Raum waren Still geworden. Bis Lilian das Wort ergriff.
„Drei Tage sind nicht viel. Wir müssen schnell zu einer Entscheidung kommen."
Sie sah zu Sir Lorten hinüber. Dieser nickte zustimmend.
„Wenn wir die Soldaten aus dem Westen dort hin bringen, hätten wir drei Einheiten. Diese sind noch gestärkt, da dort fast nichts los ist."
Eine Frau aus dem Rat unterbrach ihn.
„Gestärkt nach einer Reise aus dem Westen? Wohl kaum."
Lilian stimmte ihr zu.
Dann sah sie mich an und ich fühlte mich sofort überfordert.
„Wie viele Einheiten haben wir den da? Also in dieser Steppe?" fragte ich und alle sahen mich verwirrt an. Sie waren es sich nicht gewohnt, dass ihre Königin nichts über den Krieg wusste, den sie führte.
„Eine." beantwortete Lilian meine Frage.
„Ich gebe es ungern zu, aber diese Situation scheint aussichtslos." meinte Sir Lorten.
„Ich denke es ist das Beste, wenn wir kapitulieren."
Ich konnte nicht glauben was ich hörte.
Wollte er jetzt wirklich aufgeben? Das gesamte Volk würde dann zur Zwangsarbeit gezwungen, zu Sklaven und Dienern gemacht und benutzt werden.
„Da stimme ich zu." meinte die Frau aus dem Rat. Die anderen nickten zustimmend.
„Aber...wir können doch nicht einfach kapitulieren!" meinte ich nervös.
Lilian sah mich mitleidig an.
„Ich denke auch, dass so die wenigsten Schäden kommen. Aber wenn Sie möchten, können Sie es sich bis morgen überlegen und uns dann Bescheid geben, zu welcher Entscheidung sie gekommen sind."
Bis morgen. Das war viel zu wenig Zeit. Ich nickte schnell und verließ den Raum.
Was sollte ich jetzt machen? Ich konnte nicht hilflos tausend Männer und Frauen in den Tod schicken. Aber ich konnte das Land doch auch nicht einfach aufgeben!
Ich stürmte in mein Zimmer und stellte mich vor den Spiegel.
Was würde mein Vater tun?
Ich wusste, dass es ziemlich bescheuert wäre, wenn ich wie er handeln würde. Aber es war ein Anfang, sich damit zu beschäftigen.
Mein Vater würde niemals aufgeben. Wahrscheinlich würde er auch nicht auf die „letzte Schlacht" eingehen.
Ich grub mein Gesicht in meine Hände.
Warum war alles so kompliziert.
Als ich mich auf mein Bett setzte, fiel mir eine Haarsträhne ins Gesicht. Ich wollte sie wegmachen, als mein Blick auf die Spitzen der Haare fiel. Anders als die restliche Strähne war die Spitze nicht rot, sondern weiß.
Ich griff nach meinem restlichen Haar. Die gesamten Spitzen hatten sich weiß verfärbt.
So Etwas hatte ich in meinem Leben nur einmal gesehen.
Bei meinem Vater.
„Verfluchter Thron!" zischte ich. Ich band sie nach hinten, damit ich mich nicht weiter aufregte. Meine Haare waren im Moment wirklich mein kleinstes Problem.

„Ich hab dir was mitgebracht." meinte ich und reichte Brooke die kleine Schüssel mit der grünlichen Salbe. Zögernd nahm sie sie.
„Hilft gegen Verbrennungen."
Sie lächelte mir tatsächlich zu.
„Danke, Asena."
T hatte sich nicht aus seiner Ecke erhoben. Er konnte nicht so schnell einfach wieder wie normal weiter machen. Was ich total verstand. Ich wusste, dass Brooke mir auch nicht verzieh. Und das sie es auch nie vergessen würde. Aber sie sah darüber hinaus.
Brooke nahm die Salbe und rieb sie ein.
„Woher hast du eigentlich die Narbe?" fragte ich.
„Als Soldaten mein Haus abgefackelt haben, hab ich einige Narben davongetragen." meinte sie matt.
Dann reichte sie mir die Schüssel zurück durchs Gitter.
„Und was machst du jetzt wegen Xetras?"
„Ich weiß es wirklich nicht. Aber ich denke, dass ich spätestens Morgen eine Lösung hab. Hoffentlich."
Eine der Wachen kam in den Gang.
„Essenszeit!" schrie er.
„Bis morgen!" meinte Brooke und ich lächelte. Ich war so froh, sie zu haben. Sie war wirklich die einzige Person, die mich momentan aufmunterte. Mit Shadow, natürlich.
„Bis morgen!"

Dann machte ich mich auf den Weg zu Claire und Jake.

Throne of ArîsWhere stories live. Discover now