Kapitel 35 - Summer

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Für etwas anderes scheine ich zurzeit nicht in der Lage zu sein.

Funktionieren und existieren, selbst das kostet mich alle Energie, die ich besitze.

Noch nie in meinem Leben habe ich mich so müde und ausgelaugt gefühlt.

Unter anderen Umständen wären die Unterlagen, die da verstreut auf meinem Schreibtisch liegen auch schon längst ausgefüllt.

Es sind die Bewerbungsunterlagen für diverse Universitäten in Chicago und L.A.. Seit dem tränenreichen Gespräch mit meiner Mum, bei dem sie irgendwann auch meinen Dad zugeschalten hat, sind meine Eltern die treibende Kraft hinter diesen Bewerbungen.

Dad hat mir tagelang Anregungen geschickt, welche Kurse ich an der University of California belegen könnte. Auch, wenn ich derzeit mit meinem normalen Alltag überfordert bin und nicht auch noch über meine Zukunft nachdenken kann, ist mir bewusst, dass das die Art ist, mit der mein Dad mit meinem Liebeskummer umgeht.

Mittlerweile bin ich mir nicht mehr so sicher, ob ich State College wirklich verlassen will. Allerdings bin ich mir gerade bei überhaupt nichts mehr sicher.

Nachdem ich auch noch meine Trinkflasche im Rucksack verstaut habe, schultere ich ihn und eile aus meinem Zimmer.

Es ist mittlerweile zur Routine geworden, dass ich beim Vorbeigehen einen Blick in den verlassenen Raum nebenan werfe.

Obwohl ich weiß, dass Landen nicht dort ist, bleibt mein Herz jedes Mal einen Schlag stehen, wenn ich sein unordentliches Bettzeug und seine verstreute Kleidung sehe.

Ich gehe davon aus, dass Rachel, der auch ich meine Miete überweise, damit sie sie gesammelt an unseren Vermieter zahlen kann, weiterhin Geld von Landen erhalten hat, sonst hätte sie längst angemerkt, dass wir uns um einen neuen Mitbewohner bemühen sollten.

Doch wir schweigen dieses Thema tot. Obwohl wir jeden Abend gemeinsam auf der Couch sitzen, stumm bis tief in die Nacht eine Serie nach der nächsten schauen und viel zu viel Süßkram, Chips und Eis in uns schaufeln, spricht niemand von uns die Probleme des anderen an.

Denn das Rachel Probleme hat, würde sogar ein Blinder erkennen.

In regelmäßigen Abständen starrt sie auf ihr Smartphone und steckt es jedes Mal seufzend zurück in ihre Hosentasche oder schleudert es von sich auf die Couch.

Auch wenn ich in meinem eigenen Film gefangen bin, kann mir überhaupt nicht entgehen, dass sie vollkommen verändert aus New York zurückgekehrt ist.

Als ich dieses Mal einen Blick in Landens Zimmer werfe, bin ich in Gedanken vollkommen bei Rachel.

Vielleicht liegt es daran, dass mich der Anblick dermaßen überrumpelt. Wahrscheinlich hätte es mir aber auch genauso den Boden unter den Füßen weggezogen, wenn ich vorbereitet gewesen wäre.

Ein erstickter Laut kommt mir über die Lippen und ich klammere die Finger in den Gurt meines Rucksacks, während meine Augen sehnsüchtig über seinen gesamten Körper wandern.

Ohne, dass ich es will, sauge ich seinen Anblick in mich auf, überprüfe, ob sich in den letzten knapp zwei Wochen etwas verändert hat.

Und dann begegnen sich unsere Blicke.

Als meine Augen seine bernsteinfarbenen kreuzen treibt es mir auch den letzten Rest Sauerstoff aus den Lungen und sofort ist dieser Schmerz zurück, der meinen gesamten Körper durchflutet.

Landen, um den sich seit Tagen all meine Gedanken drehen, dessen Gesicht das Letzte ist, das ich vor Augen habe, bevor ich abends einschlafe, der mich dermaßen verletzt hat, dass mein gesamter Körper dauerhaft von Muskelkater gequält wird und gleichzeitig von alles verzehrender Sehnsucht.

At First TouchWhere stories live. Discover now