KG 8 - Schatzsucher

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Das Holz knarrte unter seinen Füßen, als er vorsichtig die morschen Treppenstufen hinauf stieg. Winterstürme und klirrende Kälte hatten der alten Villa über Monate zugesetzt. Aber nicht nur an der Villa nagte der Zahn der Zeit. Auch Tilo hatte seine besten Jahre bereits hinter sich. Mit ein paar ehemaligen Kollegen aus der Fabrik, hatten sie angefangen Schrott und alte Wertgegenstände zu sammeln. Seit die Industrie den Bach runterging und nachdem viele Fabriken geschlossen worden waren, war es schwer geworden, sich auf legalem Wege den Lebensunterhalt zu verdienen.
Ein fauliger Geruch waberte aus dem Schlund der hölzernen Ruine als er die Tür aufstieß. Der Boden war moderig und feucht, die Wände mit schwarzem Flaum bedeckt. Tilo zog sein Halstuch über die Nase, um seine Lunge vor den Pilzsporen zu schützen. Die Dielen ächzten unter seinen Stiefeln, als er durch die den Flur zur Treppe schritt. Vorsichtig prüfte er die Stufen, aber sie schienen noch tragfähig. Das obere Stockwerk aber war es nicht. Ständig gab das Holz nach und Tilo musste sich entlang der tragenden Wände halten, um nicht durchzubrechen. So gefährlich die Aktion schien, so alltäglich war sie für ihn. Wenn man den Hunger kannte, dann hatte man keine Angst mehr, zu fallen.
Leider war sein Risiko heute völlig umsonst. Wie der 52Jährige feststellen musste, war er nicht der erste Plünderer. Aufgerissene Schubladen hatten den Winterwinden erlaubt, alte Kleidungsstücke und Decken herumzuwirbeln und zu verteilen. Um seines Lebens Willen entschied er, direkt umzukehren und lieber in den unteren Zimmern nach geheimen Verstecken in der Wand zu suchen. Dafür klopfte er die Wände der Küche und des Wohnzimmers ab. In der Küche fand er unter der Spüle eine geheime Nische, aber es kamen nur ein paar Schuldscheine zum Vorschein... Tilo massierte sich müßig die Schläfen. Er war alt geworden, dass merkte er in den Gelenken und Knochen. Das Hungerleiden hatte auch nicht gerade zu einer gesunden Kondition beigetragen.
Er ging ins Wohnzimmer und untersucht den Kamin. Oft hatten die Leute hier hinter losen Steinen Wertgegenstände versteckt. Tatsächlich hatte er Glück! Hinter einem losen Stein fand er einen angelaufenen zerbeulten Kelch. Der Materialwert könnte ihn über die nächste Woche bringen! Ob er noch etwas fand? Im Haus wohl kaum. Seine Vorgänger waren sehr gründlich gewesen. Die Untersuchung des moorigen Grundstücks schien auch keine weiteren Schätze hervorzubringen, als plötzlich.... Was war das?!
Tilo fiel der Länge nach hin und grunzte vor Unbehagen, als ihm der Dreck in die Nase geriet. Mühsam stand er auf, klopfte die Erde von den schmutzigen Sachen und schaute, worüber er da gestolpert war. In der Erde war doch etwas vergraben! Was mochte das wohl sein? Plötzlich wich die Erschöpfung einer gewissen brennenden Hoffnung und Tilo begann zu graben. Mit bloßen Händen warf er den Dreck nach allen Seiten und er hörte nicht auf, ehe er die footballgroße Schachtel in den Händen hielt. Eigentlich war es nicht mehr als ein Pappkarton, der mit Holz verstärkt worden war. Vorsichtig öffnete Tilo die Schachtel. Seine Befürchtung, es könnte nur ein vergrabenes Haustier sein, wurde nicht erfüllt. Stattdessen war in der Truhe ein Säckchen. In dem Säckchen fand er kleine unförmige kieselgroße Brocken. Als er einen davon herausnahm und in die warme Frühlingssonne hielt, erstrahlte er in einem metallischen goldenen Glanz....

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