Aufgeben? - Pricefield

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Max wird in ihrer letzten Entscheidung vor die Wahl gestellt, Arcadia Bay oder Chloe zu retten. Hier also ein Versuch, ihren möglichen inneren Konflikt darzustellen.

Spin-Off: 3 Monate nachdem Max die Bay geopfert und Chloe gerettet hat. 

"Ich halte das für keine gute Idee, Chloe", murmelte Max, als ihr rostroter Truck am Ortseingangsschild von Arcadia Bay vorbeizog. Ihre Hände verkrampften sich im Stoff ihrer dunkelblauen Jeans, ihre Knöchel traten bereits6 weiß hervor. 

"Ach, Bullshit, natürlich ist es das", widersprach das blauhaarige Mädchen rigoros, den Blick auf die Straße vor sich gerichtet. Max hatte nicht mehr als ein gedämpftes Grummeln dafür übrig, viel zu konzentriert darauf, jedes Detail der Vorstadt zu analysieren. Teilweise standen wieder Häuser, bewohnt von den Menschen, die sich die Großstadt nicht leisten konnten. Doch größtenteils lag alles brach. 

Einzelne Ruinen mahnten vor "der Macht der Natur", goldene Gedenktafeln trugen die Namen der etlichen Opfer, die in dem Tornado umgekommen waren. Dem Tornado, den sie verursacht hatte.

"Ich kenne diesen Blick, Max." Chloe nahm eine Hand vom Lenkrad und legte sie auf Max' angespannte Finger. "Du musst aufhören, dir die Schuld hierfür zu geben. Nennen wir es Konfrontationstherapie." 

Max ließ ein kühles Schnauben vernehmen. "Nein, das ist genau das Problem. Es ist meine Schuld. Es war meine willentliche Entscheidung. Meine Entscheidung die Bay zu zerstören. Meine Entscheidung all diese Menschen sterben zu lassen. Es war meine verfluchte Entscheidung Familien zu zerstören, Heimat zu nehmen, Chaos anzurichten." 

Ruckartig entzog sie Chloe ihre Hand. Sofort wallte das allzu bekannte Gefühl in ihr auf. Es war eine eisige Kälte, die ihren Magen umschloss und sich bis in ihren Hals drängte. Ihr die Luft zum Atmen nahm. Das Vermögen klar zu denken. 

Panisch hustete Max. Einmal. Zweimal. Das Gefühl blieb. Ihr Herz sprang so heftig gegen ihre Brust, dass es jede Sekunde ausbrechen musste. Angstschweiß brach an ihrem Rücken aus. Max griff sich an den Hals, blickte atemlos zu Chloe. 

"Ich- kann nicht... Chloe... umdrehen!", würgte sie heraus, doch ihre Freundin hatte bereits das Lenkrad zur Seite gerissen und brachte den Wagen am Straßenrand zum Stehen. Sie nahm ihre Hände und sah ihr tief in die Augen. 

"Atmen, Max, Atmen", befahl sie und mimte tiefe Atemzüge. Max imitierte sie vorsichtig, die Luft strömte langsam zurück in ihre Lungen. Kleine Flecken tanzten in ihrem Sichtfeld. Sie war nicht sicher wie lange sie so dort saßen und gemeinsam atmeten. So wie sie es die letzten Monate ständig getan hatten. Doch irgendwann verflüchtigte sich das Gefühl. Und hinterließ wieder nur Leere.

"Los jetzt, aussteigen", sagte Chloe und nickte zur Tür. Ein wenig laufen würde Max wahrscheinlich guttun, dachte sie, und stieg aus. Max schloss die Wagentür hinter sich, holte zu Chloe auf, nahm ihre Hand und konzentrierte sich die nächsten Minuten ausschließlich auf die Bewegung ihrer Beine. Das Geräusch ihrer Schuhe auf dem Boden. Das Gefühl des Windes auf ihren nackten Armen. 


"Max?" Chloes Stimme riss sie aus ihren monotonen Gedankengängen. Perplex sah Max sich um. Sie waren am Leuchtturm. An dem Ort, an dem damals alles geendet hatte. 

Mit zittrigen Beinen ließ Max sich auf der Bank am Aussichtspunkt nieder. Die letzten goldenen Strahlen des Sonnenlichts reflektierten sich im Meer und das Rauschen der Brandung drang die Klippen hinauf. Plötzlich erschien alles viel ruhiger, als noch vor wenigen Minuten. 

Max fasste sich ein Herz und ließ ihren Blick weiter schweifen. An die Küste. Zur Bay. Es sah nicht mehr so schlimm aus wie damals. Es war aufgeräumt worden. Und dennoch schien die Stadt ausgestorben. Das Bild stimmte nicht mit dem aus ihrer Erinnerung überein, als sie noch Kinder gewesen waren. 

"Es war nicht deine freiwillige Entscheidung", flüsterte Chloe an ihr Ohr und drückte sanft ihre Hand, "nicht wirklich jedenfalls."

Max atmete tief aus. Sie wollte diese Diskussion nicht schon wieder führen. Es war jeden Tag dasselbe. 

"Du hast dir weder dieses beschissene Zeitreise-Gen ausgesucht, noch von den Konsequenzen gewusst, Max. Du hast immer versucht, alles zum Besseren zu wenden", redete Chloe ihr weiter ins Gewissen. 

"Es hat aber offensichtlich nicht funktioniert, Chloe, das ist der Punkt." Max lachte kalt auf. Als hätte sie nicht oft genug versucht, Ausreden zu finden. Wenn sie schlaflos wach lag. Wenn sie sich zur Arbeit quälte. Wenn sie versuchte, etwas zu essen. Wenn sie versuchte, etwas zu lesen. Jeden Tag, jede Minute, jede Sekunde. 

"Ich kann nicht mehr", flüsterte Max, was ihr so häufig durch den Kopf gegangen war. Vier Worte, eine Wahrheit. "Ich kann nicht mehr."

Chloe zog sie in eine Umarmung und streichelte vorsichtig über ihr kurzes Haar. "Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: es war nicht deine beschissene Schuld. Du hast mir mein Leben gerettet, Max. Ich stehe nur dank dir hier."

Das war tatsächlich das Einzige, was sie täglich am Leben erhielt. Dass Chloe da war. Dass sie ihr nicht noch mehr Schmerz zufügen wollte. Dass sonst alles umsonst gewesen wäre. 

"Ich bin da. Ich werde für immer da sein", murmelte Chloe und ihre Worte trafen direkt in Max' Herz. 

Die Tage waren hart. Und würden sicherlich noch härter werden. Doch sie würde nie alleine sein. Egal, wie schmerzhaft es für sie sein mochte, nur aus dem Bett aufzustehen, es würde immer Liebe für sie geben, solange Chloe hier war. Immer aufbauende Worte. Immer eine feste Umarmung. 

Es war schwer. Doch es würde leichter werden. 

Irgendwann.

Wir, einmal / Life Is Strange - OneshotsWhere stories live. Discover now