⛧ Prolog 2 ⛧

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Yeosang war etwa sieben Jahre alt, als er seine Mütter das erste Mal nach einem Rock fragte.

Er hatte die Mädchen im Kindergarten und auch in der Grundschule schon immer heimlich beobachtet, hatte gesehen, wie sie fröhlich in ihren glitzernden Kleidern umhersprangen und mit Puppen oder dergleichen spielten, während die Jungen sich eher für Dinge wie Fußball oder Traktoren interessierten.

Yeosang konnte Fußball nicht leiden. Genauso wenig wie Traktoren. Er fand es langweilig, immer nur einem Ball hinterher zu rennen und sich dabei möglicherweise auch noch zu verletzen, die Technik hinter Traktoren interessierte ihn nicht. Er fand sie nur groß und furchteinflössend, ganz im Gegensatz zu Jongho. Der war damals von solchen Dingen wie besessen gewesen.

Der kleine Junge wollte viel lieber ausprobieren, wie es sich anfühlte, Kleider und Röcke zu tragen. Er wollte sich auch so hübsch fühlen, wie die Mädchen die er kannte.

Seine Mütter lächelten als Antwort auf seine Frage und nahmen ihn noch am gleichen Tag mit zum Einkaufen. Die drei hatten viel Spaß, jeden einzelnen Laden den sie fanden nach Röcken und Kleidern zu durchsuchen und am Ende fand Yeosang einen lavendelfarbenen Rock mit weißen Perlen am Saum.

Daheim probierte er ihn natürlich sofort an, drehte sich stundenlang vor dem Spiegel damit und bewunderte sein Spiegelbild. Er sah hübsch aus, fand er.

Jongho kam am nächsten Tag vorbei und bewunderte den Älteren, als er glücklich strahlend seinen Rock präsentierte. Er fand, dass Yeosang sehr hübsch aussah. Noch besser als die Mädchen.

Von da an, nach Jongho's vielen Komplimenten, trug Yeosang seine Kleider auch außerhalb seines oder Jongho's Zuhause. Aber richtig wohl fühlte er sich nur, wenn der Jüngere bei ihm war. Mit ihm waren Yeosang die schockierten und auch ablehnenden Blicke der anderen Erwachsenen egal, genauso wie ihre gewisperten Kommentare.

Die anderen Jungen in ihrer Klasse würden Yeosang immer ärgern, an seinen schwarzen Haaren ziehen, an seiner Kleidung zerren, weil er anders war als sie. Aber Jongho verteidigte ihn. Immer.

Nicht selten endete das in blutigen Schrammen und blauen Flecken, sowie einem Anruf bei ihren Eltern aber diese fanden es nicht schlimm. Yeosang's Mütter unterstützen ihren Sohn immer und Jongho's Eltern mochten Yeosang und daher war es ihnen nur Recht, das Jongho für ihn einstand. Außerdem fanden es alle vier Erwachsene insgeheim unglaublich witzig, zu sehen, wie überfürsogliche Eltern sich über kleine Kratzer aufregten.

Ihrer Meinung nach war das, was Jongho ihren 'armen' Sprösslingen antat, ja beinahe ein Kapitalverbrechen und Yeosang, nein, wie konnte ein Junge bloß ein Kleid tragen?

Die Direktorin der Grundschule unterstützte Jongho und Yeosang insgeheim ebenfalls, das zeigte sie auch indem sie ihnen im Gegensatz zu den Bullies nie Strafarbeiten verpasste. Schließlich waren Jongsang ja nur die Opfer, und warum sollte sie die Opfer bestrafen? Das machte keinen Sinn.

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Aber als Yeosang elf Jahre alt war, wurde alles anders.

Es war der Tag seines Geburtstages, er saß auf der Wiese in dem Park, in dem er und Jongho Freunde geworden waren und flocht eine Blumekrone aus weichen rosanen und blauen Blüten. Vergiss-mein-nicht, die er gefunden hatte. Jongho's und auch seine Lieblingsblumen.

Er wartete auf seinen Freund. Sie beide wollten eigentlich zusammen feiern, Jongho hatte etwas von einer Überraschung gesagt. Yeosang konnte es kaum erwarten.

Er wartete.

Und wartete.

Und wartete.

Als sein Freund endlich kam, war die Sonne bereits tief im Zenit und weiße Wattewölkchen bildeten sich langsam. Yeosang sprang sofort auf die Beine, als er Jongho sah und rannte ihm entgegen. Sein hellgelbes Kleid wehte um seine Beine als er über die Wiese rannte, die Vergiss-mein-nicht-Krone sicher in seinen Händen.

"Jongho! Da bist du ja!" Yeosang stellte sich fröhlich auf seine Zehenspitzen und setzte dem anderen die Blumenkrone vorsichtig auf die schwarzen Locken:"Ich dachte schon, du hättest mich vergessen. Aber zum Glück bist du jetzt da."

Der Jüngere ballte seine Hände zu Fäusten, sein Gesicht zeigte einen kalten Ausdruck:"Hör auf." Yeosang legte seinen Kopf schief:"Mit was? Jongho, ist alles in Ordnung?" Er wollte besorgt die Wange des anderen berühren aber Jongho schubste ihn mit so viel Kraft nach hinten, das Yeosang zu Boden fiel:"Jongho? Was -" "Hör auf so zu tun als ob wir Freunde wären!" "Ich-"

"Ich kann dich nicht leiden, Kang Yeosang! Lass mich ab jetzt in Ruhe!" Damit drehte er sich um und rannte davon, die Krone immer noch auf seinem Kopf. Yeosang blieb geschockt sitzen. Er verstand die Welt nicht mehr.

Am nächsten Tag stand das Haus auf der anderen Straßenseite leer.

Bald schon zog eine neue Familie ein.

Yeosang sah Jongho nie wieder.

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Let's get started ~

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