Kapitel 1 - Neuer Anfang, neues Glück?

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1. April 2010

Es fing an zu regnen. Der rothaarige Junge sah aus dem Fenster. "Plitsch platsch, plitsch platsch." murmelte er leise während die Tropfen gegen das Fenster trommelten. Seufzend drehte er sich weg und stand von seinem Bett auf. Er streckte sich und mit einem Blick auf die Uhr, welche 05:01 Uhr anzeigte, verließ er sein Zimmer. Auf Zehenspitzen und mit dicken Wollsocken schlich er den Gang entlang in Richtung der Treppe, um zum Badezimmer im Erdgeschoss zu gelangen. Er hielt sich am Geländer fest und zählte die Stufen beim Heruntergehen. 'Fünfzehn, Sechzehn, und diese hier überspringen!' Dachte er sich, bevor er die, wenn man sie belastete, knarrende Stufe übersprang und erfolgreich ohne einen Ton von sich zu geben unten ankam.

Die paar Meter bis zur Badezimmertür hechtete er so schnell wie möglich entlang und schloss sich direkt im dahinterliegenden Raum ein. Es war ein kleines Bad, man würde es wohl eher als ein Gästeklo bezeichnen, wäre da nicht die Dusche, aber er benutzte lieber dieses hier, als das große Bad oben, direkt neben dem Zimmer seiner Eltern. Oft schon wurde er angemeckert, dass er, wenn er zur Schule musste, schon um eine unmenschliche Zeit aufwachte und seine Eltern durch das laute aufkommen des Wassers, wenn er duschte, wecken würde. Oft schon, wurde er aus diesen Gründen geschlagen. Aus diesen Gründen freute sich der Junge, dass heute das neue Schuljahr beginnen würde und er seine Eltern, zumindest für einen großen Teil des Jahres, nicht sehen müsste. Er würde ab heute auf die Shiratorizawa gakuen, eine private Oberschule der Präfektur Miyagi, gehen und dort wohnen.

Er konnte seine Eltern dazu bringen, ihn in den dort vorzufinden Dorms unterzubringen, da die Schule doch ein Stück von seinem Wohnort entfernt war und er so unter keinen Umständen seine Eltern morgens wecken würde. Mittlerweile hatte der rothaarige sich seinen Kleidern entledigt und stieg unter die Dusche, mit den Gedanken daran, wie traurig es eigentlich war, dass seine Eltern ihn nur als Last sahen. Mit einem Seufzen reckte er seinen Kopf in Richtung des Duschkopfs und ließ das Wasser auf sein Gesicht prasseln. Würde er es schaffen und auf der Shiratorizawa Freunde finden? Dies war für ihn schon immer ein Problem gewesen, da ihn andere als seltsam oder Monster betitelten. Schon als Grundschüler hatten ihn diese Worte sehr getroffen und ihm bis jetzt, über neun Jahre, in seine Oberschulzeit verfolgt. Der Junge stellte das Wasser aus und verließ die Dusche, trocknete sich ab und griff nach seiner Schuluniform. Ein blaues Hemd, eine Lila Karriere Hose und eine dazu passende Krawatte, dazu eine weiße Jacke.

Irgendwie stand ihm die Uniform, zumindest sah der Junge es so, wie andere darüber dachten, wusste der Junge nicht. Würden sie ihn wieder ausschließen? Mit einem klatschen schlug der Junge sich die Hände gegen die Wangen. 'Denk garnicht erst so!', dachte er sich und starrte seinem Spiegelbild in die Augen. Zumindest Volleyball würde er dort spielen können, genau so wie er es gerne wollte. Zumindest, solange es Punkte bringen würde. Das hatte der Trainer ihm gesagt, als er in den Ferien seine Anmeldung für den Volleyballclub abgegeben hatte. Ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. Volleyball. Schon als Kind hatte er diesen Sport geliebt. Es war das einzige, was ihm als Kind wirklich Spaß gemacht hatte. Der Blick der anderen Kinder, wenn ein perfekt gesetzter Block ihrem Schlag den Weg versperrte. Es war das einzige, was ihm wirklich das Gefühl von Glück gegeben hatte, und es würde ihm immer dieses Gefühl geben, egal wie alt er sein würde, und wer ihm gegenüber stand.

Mit einem leisen klicken öffnete sich die Badezimmertür und der Junge tapste in Richtung Küche. Leise öffnete er mehrere Schubladen und Schränke, um an Teller, Besteck, Brot und Aufstrich zu kommen. Normalerweise essen Japaner ja immer warm, Frühstück, Mittagessen und Abendbrot, aber nicht der Junge. In den Ferien schlief er meistens so lange, dass er das Frühstück ausfallen ließ, und selbst wenn er früh wach sein sollte hätte er nichts zu essen, da seine Mutter Morgens immer nur für sich selber und seinen Vater kochte. Mittags musste der Junge sich selber Essen machen, da seine Eltern arbeiteten und Abend aßen sie dann zusammen. Zwei warme Malzeiten am Tag waren dem Jungen also genug, er war es nicht anders gewöhnt. Und jetzt kochen könnte er eh nicht. Zu groß war die Angst, dass seine Eltern davon wach werden könnten. So saß der Junge da, knabberte an seinem Brot, auch wenn er eigentlich keinen Hunger hatte, aber er wusste nicht, wann er das nächste Mal essen würde. Je nachdem, wie lange die Wilkommenszeremonie dauern würde möglicherweise erst am Abend. Ein vernünftiges Bento könnte er sich auch nicht machen, deswegen aß er dann doch lieber jetzt. Zwei oder Drei geschmierte Brote würde er dann aber doch mitnehmen.

Mit einem Blick auf die Uhr bemerkte der Junge, wie lange er gebraucht hatte. Es war mittlerweile schon sechs Uhr. Um halb acht müsste er an der Schule sein, zusammen mit all den anderen Schülern, die in die Dorms ziehen würden. Gegen halb neun, also zu Unterrichtsbeginn, würden sich dann auch die anderen Schüler zu ihnen gesellen. Für den Weg würde der Junge eine Stunde brauchen, mit seinem Gepäck vermutlich etwas länger, also sollte er sich langsam auf den Weg machen. Seine Schultasche umgehängt, einen Rucksack mit allem möglichen Kleinkram sowie ein paar Zeitschriften und einem Koffer in der Hand, die er alle schon in den letzten Tagen gepackt hatte, verließ er sein Haus und machte sich auf den Weg. Direkt nachdem er die Türschwelle übertreten hatte befanden sich seine Kopfhörer in seinen Ohren und er hörte die Musik seiner Lieblingsband. Mit einem Lächeln schlenderte er den Weg entlang, mit dem Wissen, dass er komisch angeguckt werden würde, wenn er so an der Schule ankommen würde. Alle anderen würden von ihren Eltern gebracht werden, aber es machte ihm nichts aus. In den letzten Jahren hatte er es geschafft eine Mauer aufzubauen an der ein Großteil der Kommentare und Blicke abprallten. Dadurch konnte er einigermaßen unbeschwert sein Leben leben. Er hoffte, dass sich die Situation nicht ändern würde, in der Zeit, in der er hier zu Schule ging. Die Folgen wollte er sich lieber nicht vorstellen.

Gegen sieben Uhr zwanzig erreichte er dann das Tor der Shiratorizawa Akademie. Links und rechts von ihm Schüler, die von ihren Eltern verabschiedet wurden. In seinem inneren zog sich etwas zusammen, aber nach außen strahlte der rothaarige nur so vor sich hin. "Und sie sind?", ertönte eine gestresste Stimme neben ihm. Er drehte sich in Richtung des Ursprungs der Stimme und sah einer kleinen Frau in Rock und Blazer entgegen. Eine Sekretärin? Etwas perplex blinzelte der Junge, bis er antwortete. "Tendou Satori mein Name." Die Junge Frau ging eine Liste durch, bis sie mit dem Stift, welchen sie in der Hand hielt, auf das Papier tippte. "Hier haben wir dich ja Tendou-kun. Du Teilst dir dein Zimmer mit jemandem, der auch in den Volleyballclub gehen wird. Ushijima Wakatoshi. Zimmer 123" Mit diesen Worten gab sie dem Jungen einen Schlüssel und zeigte auf einen Jungen, der am Rand der Menschenmenge stand, dann verschwand sie wieder.

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It bagan to rain || UshiTenWhere stories live. Discover now