Water Fountain

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Die anderen Frauen führten uns durch mehrere Türen und auf einmal befanden wir uns in einem Innenhof. Er war klein, der Boden war sandig. In der Mitte stand ein Brunnen, den ein paar Olivenbäume säumten. Auf dem steinernen Brunnenrand standen Gefäße, vermutlich um Wasser zu schöpfen. Auch ein Stück Seife lag dort, sowie eine Hand voll Kämme. Die Frauen zogen sich aus und begannen sich zu waschen. Insgesamt waren wir 6, alle von unterschiedlicher Gestalt aber zweifelsohne von hübscher. Ich ahmte nach was sie taten, da ich es nicht gewohnt war mich an einem Brunnen zu waschen. Zu Hause ging man dazu einfach im nahen Fluss baden, oder lief ein Stück weiter bis zum See. Und gestern wurden Syltje und ich nur mit einem Eimer und einem Tuch gewaschen. Mir fiel etwas merkwürdiges an drei der Sklavinnen auf. Es war die Dunkelhäutige, die mich geweckt hatte, eine zweite mit glattem schwarzem Haar und eine mit gelocktem. Sie trugen goldenen und silbernen Schmuck an ihren Oberarmen. Es waren teuer aussehende Ketten und Armbänder, die sie eng um ihre Haut gewickelt hatten. Bei den Dunja Gewändern war allerdings der obere Teil dieses Arms stets von Tuch verdeckt.

,,Warum zeigt ihr euren Schmuck nicht? Und wo habt ihr ihn her?" Fragte ich und das Geplauder verstummte

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,,Warum zeigt ihr euren Schmuck nicht? Und wo habt ihr ihn her?" Fragte ich und das Geplauder verstummte. Vorsichtig spähte die Frau von eben nach links und rechts, bevor sie mir antwortete. ,,Manchmal überreichen uns Stammkunden Ketten und Armbänder als Geschenk. Wir zeigen sie nicht weil die Herrin sie uns sonst abnehmen würde." Ich nickte, das leuchtete mir ein. Eigentlich hatten Sklaven keinen Anspruch auf Besitz. ,,Und ihr möchtet den Schmuck tragen? Wieso? Erinnert er euch nicht...?" Die mit dem glatten Haar drehte sich zu mir, sie öffnete gerade ihren langen Zopf. ,,Der Schmuck erinnert uns, aber er ist alles was wir haben. Und deshalb tragen wir ihn." ,,Wenn ihr fliehen würdet, könntet ihr euren Schmuck verkaufen und das Land verlassen." Die Frau hob einen der Kämme vom Rand des Brunnens auf und begann mit anmutigen Bewegungen ihr Haar zu kämmen. ,,Ich habe nicht vor zu fliehen, wüsste auch nicht wohin. Es ist nicht so schlecht hier, sobald man sich gewöhnt hat."

Ich schöpfte mit der hohlen Hand Wasser aus dem Brunnen und wusch mir den letzten Rest des Puders von gestern vom Gesicht. Die Schimmernden Ketten an den Armen der Frauen stimmten mich nachdenklich. Sie versteckten sie unter Stoff, damit sie ihnen nicht genommen wurden, obwohl dieser Schmuck ihr Leid symbolisierte. Es war alles was sie hatten und so klammerten sie sich an ihn. Der Schmuck nützte ihnen nichts, sie konnten ihn nicht verkaufen, sie konnten ihn nicht offen zeigen, wenn sie ihn trugen. Das Einzige was sie tuen konnten war, sich alleine an dem Glanz der Kostbarkeiten zu erfreuen, während die Bilder von den Nächten in denen sie sie sich verdient hatten wieder in ihren Köpfen aufstiegen.

Die Frauen ließen jetzt einen Krug mit einer Öl-artigen Flüssigkeit herumgehen und massierten es in ihre Haut, sogar in ihre Gesichter. Ich machte es ihnen nach und merkte wie es meine Haut sofort ein wenig geschmeidiger machte. Ob es auch gegen die blauen Flecken an meinen Armen helfen würde? Da wo Kailan mich letzte Nacht festgehalten hatte, zeigten sich im hellen Sonnenlicht nämlich deutliche violettblaue Abdrücke. Gedankenverloren betrachtete ich die Sonnenstrahlen auf meiner Haut. Warum hatte Kailan sich nicht verabschiedet? Im Endeffekt musste er mich nicht kümmern, ich würde ihn nie wieder sehen, doch ich konnte nicht anders als zu grübeln was einen Jungen wie ihn denn gestern an diesen Ort verschlagen hatte. Das Zwitschern eines Vogels holte mich in die Wirklichkeit zurück. Die Anderen waren schon dabei sich gegenseitig die Haare zu flechten und in ihre Gewänder zu helfen. Also beeilte ich mich meine Haare zu kämmen und es ihnen gleichzutun. Die Frau, die mich geweckt hatte war so nett mir mit den Kleidern zu assistieren, da die beiden Oberkleider der Dunja gewickelt werden mussten, was ich alleine nicht hinbekam. Ich bat Syltje darum mir den Zopf zu flechten, was sie mit mechanischen Bewegungen tat. Sie hatte die ganze Zeit kein Wort geredet und die anderen Frauen warfen ihr stets mitleidige Blicke zu. Als ich hinter ihr stand und ihr ebenfalls die Haare flocht, fiel mir auf das ihre gedrehte und verzierte Strähne nicht mehr da war. Hatte sie sie geöffnet? ,,Was hast du mit der Haarsträhne gemacht die du gestern noch hattest?" Sie senkte den Kopf. ,,Die dicke Frau hat sie mir heute Morgen abgeschnitten, anscheinend hatte der Mann sich beschwert. Er fand es barbarisch Federn und Fischgräten in den Haaren zu tragen." Das verstand ich nicht. Auf den Straßen hatte ich gesehen das viele der Dunja Frauen ihre geflochtenen Zöpfe mit Perlen, Silberkettchen und Gold- und Kupferschnallen schmückten. Mein Vater hatte mir einst erzählt, dass das etwas mit dem Wohlstand der Familien zu tun hatte, weil dieser Schmuck viele Münzen kostete. Bei sehr reichen Familien trugen die Frauen Zöpfe die mehr Gold waren als schwarz. ,,Sind solche Haarsträhnen bei deinem Volk üblich?" Ich dachte an meinen Anhänger. ,,Nicht direkt. Wenn jemand von der Familie für längere Zeit aufbricht, ist es jedoch üblich das ein Familienmitglied ihm so eine Strähne dreht. Es soll eine sichere Rückkehr gewährleisten und ihm Glück in der Ferne bringen." Ihre Stimme klang angespannt. Ob sie sich jetzt sorgte, dass sie ohne die Strähne nicht sicher zurückkehren würde? ,,Das ist ein schöner Brauch. Kriegen es nur die Frauen oder auch die Männer?" ,,Gewiss auch die Männer. Bei uns tragen auch die Männer ihre Haare lang." Ich versuchte mir meinen Vater und meinen Bruder mit langen Haaren vorzustellen. Bei meinem Volk waren lange Haare ein Symbol für Weiblichkeit und somit den Frauen vorbehalten. Unsere Männer ließen sie nicht weiter als bis zum Kinn wachsen. Wenn mein kleiner Bruder lange Haare hätte, dachte ich belustigt, würde ich die ganze Zeit Büschel davon in die Hand nehmen und ihm damit die Nase kitzeln. Ich band Syltje ihren blassblonden Zopf zu und wir folgten den Frauen wieder hinein. Lappen und Besen wurden geholt und wir machten uns daran die kleinen Räume zu putzen. Auch die Polster auf den Liegen mussten ausgewechselt werden, ich versuchte die Flecken darauf zu ignorieren. Da wir viele waren und die Räume nicht sehr groß, waren wir schnell fertig. ,,Was machen wir nun?" Fragte ich die Dunkelhäutige, von der ich inzwischen wusste das sie Nupür hieß. ,,Nun gibt es für alle noch eine Mahlzeit, danach gehen wir zu zweit oder allein in einen der Räume und ruhen bis es dunkel wird. Du kannst ruhig auf dem Bett liegen, aber vergiss nicht, danach die Polster glattzustreichen." ,,Und wenn es dunkel ist?" ,,Wenn es dunkel ist werden die Herrin oder eine von uns dich wecken kommen. Dann schminken wir uns, ziehen uns villeicht auch um und dann beginnt die Arbeit." Syltje neben mir verkrampfte sich, mein Bauch begann zu schmerzen. Diesen Abend könnte ich unmöglich noch einmal so glimpflich davon kommen. Sollte das jetzt etwa mein neuer Alltag werden? Unwillkürlich bewunderte ich die älteren Frauen für ihre Stärke.

Syltje und ich hatten uns zusammen einen Raum gesucht, wobei sie sehr bewusst die zweite Tür von links gemieden hatte. Ich fragte sie nicht weshalb. Jetzt lagen wir nebeneinander auf der Liege und ich genoß das Gefühl der weichen Polster. Auf etwas derartigem hatte ich noch nie gelegen. In meiner Heimat hatten wir einfach auf einem moos belegten Teil des Bodens in unseren Hütten geschlafen. Natürlich hatte ich Angst vor heute Abend, doch ich tröstete mich. Nun wusste ich ja das die Türen über Nacht zugeschlossen blieben und morgens aufgeschlossen wurden. Ich müsste nur dasselbe probieren wie gestern Abend, es schaffen den Mann ohnmächtig zu halten und sofort aus dem Raum rennen sobald die Tür morgens aufgeschlossen wurde. Eine Stimme flüsterte mir zu das dieser Plan niemals klappen würde. Ich wusste es, doch ignorierte dieses Wissen. ,,Tialda, wie kommt es das du so gefasst bist? Und das den ganzen Tag schon. Ist dir gestern nicht auch...? " Fragte Syltje leise. Ich verneinte. ,,Ach, dann hat niemand für dich gezahlt?" ,,Nein. Für mich wurde gezahlt, aber er hat nichts getan." ,,Du Glückliche. Sei froh. Es war so furchtbar." Ich legte einen Arm um sie als sie begann zu weinen. Mehr konnte ich nicht für sie tuen, doch es schien schon zu helfen das sie nicht völlig alleine war. Nach und nach wurden ihre Schluchzer leiser und uns fielen die Augen zu.

Ich umklammerte nervös Syltjes Hand, als wir langsam den Gang durchliefen. Wir setzten so gemächlich wie es ging einen Fuß vor den Anderen, doch dem Ende des Tunnels konnte man nicht entfliehen, indem man langsamer darauf zusteuerte. Unsere Lippen waren in einem leichten Farbverlauf geschminkt, rot das nach außen hin ein immer helleres rosa wurde. Unsere Augen waren schwarz umrandet, wir hatten rosanes Puder auf den Wangenknochen und goldenes auf den Augenlidern. Unsere Schminke hatten wir Beide Nupür zu verdanken, da Iness sich diesmal nicht die Mühe gemacht hatte uns persönlich vorzubereiten. Villeicht dachte sie ein Mal würde reichen um diese Kunst zu erlernen. Syltje umklammerte meine Hand so fest, dass ich fast aufschrieh. Wir hatten das Ende des Ganges erreicht. Ich kniff den Mund zusammen und sah zu meiner Freundin. ,,Alles wird gut. Jetzt komm, wir können es nicht weiter aufschieben." Die Halle war, zu meiner Erleichterung fast leer. Eine der Sklavinnen spielte die Flöte, einer der muskulösen Männer von gestern trommelte dazu, die Töne hallten durch den Raum. Iness, ich brachte es nicht über mich sie als Herrin zu bezeichnen, lehnte an der Theke, wo der blauäugige Mann grade eine Amphore Wein entkorkte. Der selbe Mann wie gestern stand mit verschränkten Armen an der Eingangstür. Kunden waren noch kaum welche da. Nupür saß bei zwei Männern um die vierzig, die Frau mit den glatten schwarzen Haaren redete mit einem einzelnen Mann, der jede ihrer Bewegungen wie hypnotisiert beobachtete. Die andere Sklavin war anscheinend noch nicht fertig. Nupür sah uns und winkte uns mit einer Kopfbewegung zu sich. Syltje neben mir wurde steif wie ein Brett und ich musste sie beinahe über den Boden ziehen, was mir das Herz zerbrach. ,,Ganz ruhig." Flüsterte ich ,,Ich bin da. Nupür ist da. Wir geben auf dich Acht." Es war eine Lüge und wir wussten es beide. Aber Lügen waren da, weil sie jemand entweder glauben sollte oder wollte. Und diese Lüge wollte geglaubt werden. Wir setzten uns an den Tisch und ich setzte grade dazu an diese Männer zu grüßen, als die Tür aufgestoßen wurde. Die Musik brach ab. Soldaten strömten in den Raum. Dann brach Chaos aus.

TialdaWhere stories live. Discover now