25 | Waldausflug

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2.914 Worte

Mein Brustkorb zieht sich qualvoll zusammen und presst alle Luft aus meinen Lungenflügeln.

Ich weiß nicht, wie ich dich da wieder rausholen soll, klingen Reece' Worte in meinen Ohren nach.

Jetzt gerade geht es ihm nicht um sich. Es geht ihm um ... mich. Ich bin ihm wichtig und er macht sich Sorgen um mich.

Trotzdem droht die Panik mich zu überwältigen und schnürt mir sämtliche Luftzufuhr ab.

Ginger hat mich in Ruhe gelassen, weil Reece dafür gesorgt hat. Ohne dass sie es gemerkt hat, hat er sie sabotiert. Aber sobald sie erfährt, dass wir Zeit zusammen verbracht haben, wird all sein Tun ihre Aufmerksamkeit nicht von mir ablenken können.

Der Pfeil hat den Bogen schon verlassen, die Kugel ist abgefeuert, der Stein rollt ... Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er sein Ziel trifft.

Ich fasse mir mit einer Hand an den Hals und keuche, als ich das begreife.

»Giovanna, atme«, sagt Reece und macht einen Schritt auf mich zu. Sanft spüre ich seine Hände an meinen Ellenbogen und versuche, mich wieder auf ihn zu fokussieren. Seine blauen Augen fangen meinen Blick.

Seine Hände lassen mich nicht los, während sich meine Brust immer noch heftig hebt und senkt. Und obwohl ich halbnackt vor ihm stehe, mag ich das Gefühl, dass er mir vermittelt.

Bei jedem anderen Menschen, der mich ansieht, habe ich immer Angst, dass er nur mein Gewicht sieht und mich anhand dessen bewertet, kategorisiert und einsortiert in seine Schubladen. Als übergewichtig, faul, unsportlich, nicht attraktiv.

Nur Sammy und meinem Dad ist es gelungen, dieses Gefühl in mir nicht zu erwecken. Weil Sammy ebenfalls ein bisschen mehr auf den Rippen hat und weil mein Dad eben mein Dad ist.

Bis jetzt.

Der Blick, mit dem Reece mich ansieht, geht mir durch Mark und Bein. Es fühlt sich an, als würde er alle meine Ängste und Sorgen sehen und verstehen können.

Ganz langsam kommt meine Atmung zur Ruhe, während mein Herz in meiner Brust weiter kräftig schlägt. Aber das hat andere Gründe.

Reece nickt, als sich mein Brustkorb wieder in normalem Tempo hebt und senkt. Dann deutet er mit dem Kopf zu den Umkleidekabinen und Richtung Ausgang. »Komm, lass uns gehen.«

»Ja«, nicke ich.

Er lässt meine Ellenbogen los, als er sich zu seinem Knöchel beugt, um das Chipband für den Spind zu lösen. Sofort vermisse ich das Gefühl seiner sanften, warmen Hände auf meiner Haut und reibe mir unwohl über die Oberarme. Dann drehe ich ihm den Rücken zu, knie mich hin und öffne ebenfalls das Band an meinem Fuß.

Obwohl ich ihm inzwischen vertraue, habe ich das Bedürfnis meine Speckrollen am Bauch zu verbergen. Das Gefühl ist noch zu frisch, das Band zu dünn, um es schon größeren Belastungsproben auszusetzen.

»Treffen wir uns draußen?«, fragt er und ich nicke, bevor jeder zu seinem Spind geht, seine Sachen holt, sich kurz duscht und dann umziehen geht.

Die Luft ist lau und es dämmert, als ich durch die Drehtür nach draußen gehe. Reece steht in dunkeln Jeans und lockerem T-Shirt und mit der Tasche über seiner Schulter einige Meter vom Eingang entfernt und wartet auf mich. Sein Blick ist auf das Handy in seiner Hand gerichtet, auf dem er irgendeine Nachricht tippt. Kurz darauf fängt es an zu klingeln und er hebt ab. Er hat mich noch nicht bemerkt.

»Loop, bevor du sauer wirst: Nein, ich versetze dich nicht schon wieder für Ginger.« Er schweigt und hört der Person am anderen Ende zu. »Für ein Mädchen.«

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⏰ Last updated: Apr 05, 2021 ⏰

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