-67- Sternschnuppen

Beginne am Anfang
                                    

Letzten Endes stellte sich meine Sorge bezüglich des Wetters als völlig unbegründet heraus.
Bereits in der ersten Stunde nach dem Sonnenuntergang verdeckten kaum noch Wolken den Himmel. Lediglich ein paar Schäfchenwolken versperrten hier und dort mal die Sicht.
Der aufgebrachte Wind hatte sich zu einer verspielten Brise gewandelt und spielte nun Fangen mit den Möwen.
Um 1 Uhr sollte der Schauer die meisten Sternschnuppen zeigen. 
Bis dahin dauerte es jedoch noch ein wenig.
Als Zeitvertreib gab es Stockbrot und Marshmallows für alle. Dazu wurden Lagerfeuergeschichten erzählt und Spiele wie Stille Post gespielt.
Ein Teil der Strandolympiade wie beispielsweise die Wettrennen holten wir ebenfalls nach.
Dabei gab es keinen, der sich nicht amüsierte, Jeder fand etwas, dass ihm Spaß machte. Darin lag auch der Grund, weshalb die Zeit so schnell verflog.
Um 00:45 Uhr machte sich unsere ganze Gruppe auf zu dem steilen Pfad, der uns auf die Klippen brachte. Mit Decken oder Jacken bewaffnet suchte sich jeder einen Platz im noch benässten Gras.
Mira, Alice, ich und die anderen drei setzten uns wie immer etwas abseits hin. Zu unserem Glück konnten wir eine Decke ergattern, die groß genug für uns alle war. Wir mussten zwar ein wenig zusammenrücken, aber das störte ja nicht.

Auf diese Weise wurde uns zumindest nicht alt zu schnell kalt.
Um uns herum herrschte freudiges Gemurmel.
Immer wieder wanderten die suchenden Blicke Richtung Nachthimmel. Jedes Mal, wenn einer eine Sternschnuppe entdeckte, wandten sich alle zu dem Punkt, auf den gezeigt wurde.
Meist war es aber schon zu spät.
Das machte jedoch niemandem etwas. Während der Zeit zogen genug Meteore vorbei. Man hätte schon blind sein oder die ganze Zeit auf den Boden starren müssen, um keinen zu sehen.

„Da ist schon wieder eine", teilte uns Alice ein weiteres Mal an diesem morgen mit.
Aufgeregt zeigte sie mit dem Finger in die Ansammlung von Sternen. Ich folgte ihr und sah gerade noch die Spitze des hellen Schweifes.
„Hast du sie gesehen?" Ihre blauen Augen strahlten mich an, so wie es die Diamanten der Nacht sonst taten.
„Ja, gerade so", gab ich schmunzelnd zurück.
„Also ich sehe sie nie. Wie kommst du nur so schnell mit den Augen hinterher, Jack?" Charlie kratzte sich ratlos am Kopf.
„Er ist eben nicht so eine Schnecke wie du", erwiderte Lino. „Seht, da ist noch eine."
„Ich hab sie auch gesehen", sagte Alice.
„Ja, ich auch. Das war eine besonders schöne", kam es von Mira. Charlie dagegen blickte nur verwirrt drein.
„Nope wieder nichts."
„Du bist eben einfach langsam. So wie beim Laufen", bemerkte Lino. Seine Stimme klang beim Sprechen derartig monoton und unbeeindruckt, dass es einfach nur komisch wirkte. Daher rührte wohl auch das folgende Gelächter. Dieses wurde durch Charlie's Beschwerden nur bestärkt.
Lediglich Kay schien mit den Gedanken woanders zu sein.
Erst als sein Freund mit der Igelfrisur ihn anstieß, kehrte seine Aufmerksamkeit
zurück. Für das ruppige Aufwecken nahm er Charlie sogleich in den Schwitzkasten. Dabei verzierte zwar ein Lächeln sein Gesicht, doch wieder reichte es nicht bis zu seinen Augen.

Nach und nach nahm unsere Schülerschaft ab. Die meisten hatten genug Sternschnuppen gesehen und wollten den Samstag noch mit Baden oder einem kurzen Stadtbesuch anstatt mit Schlafen verbringen. Unsere kleine Gruppe blieb bis zuletzt.
Um 02:48 Uhr packten wir schließlich ebenfalls die Decke zusammen und machten uns zurück zu unseren Schlafplätzen.
Unten angekommen trennte Kay sich mit einem kurzen gute Nacht von uns.
Mira sah ihm noch nach, doch als sie meinen Blick bemerkte, lächelte sie nur.
„Draußen schlafen ist eben nichts für ihn" Sie zuckte mit den Schultern. „Selbst schuld"
Aus mehr als einem Nicken bestand meine Antwort nicht.
Ohne uns umzuziehen, schlüpften wir in unsere Schlafsäcke. Viel zu reden gab es nicht mehr. Wir wünschten uns nur noch eine gute Nacht sowie einen angenehmen Schlaf, da fielen auch schon die ersten Augen zu. Innerhalb kürzester Zeit schliefen alle tief und fest.

Alle außer mir.
Sobald ich die Augen schloss, tauchten vor mir die Bilder auf, wie ich unter ging. Das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen kehrte zurück. Immer wieder sagte ich mir, dass es vorbei sei. Dass ich in Sicherheit war und mir keine Sorgen mehr machen musste.
Es half nicht wirklich etwas. Auch wenn das Gefühl zu ersticken nach einer Weile verschwand, so wollte der Schlaf noch immer nicht kommen.

Afraid of the AlphaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt