Kapitel 2

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„Außerdem bist du der einzige von uns, der sich schminkt wie ein Weib und auch schon ein paar Mal für eins gehalten wurde", ergänzt Mike. „D-das war ein Missverständnis!" Tracy ist knallrot und versucht, sich irgendwie zu verteidigen. „Und 'ne richtige Freundin hattest du auch schon lang nicht mehr", mischt sich jetzt James ein. „Na und? Ihr alle doch auch nicht! Ich weiß nicht mal mehr, wann ich Benny das letzte Mal mit einer Frau gesehen hab'!" „Was ist??"
Verwirrt blickt Benny die anderen an. Er war die ganze Zeit damit beschäftigt, Angel zu streicheln und hat den Streit kaum mitbekommen. Les lacht: „Ich seh'  jetzt schon, wie er Angel heiratet!" „Wenn er das macht und wir bis dahin immer noch zusammen wohnen, dann kauf' ich mir einen Rottweiler, der das Viech zu Kleinholz verarbeitet!" James blickt die Katze herausfordernd an. Ihre blauen Augen blitzen und sie faucht giftig. Benny seufzt nur und streicht Angel beruhigend über den Kopf. „Mach dir nix aus dem", meint er zu ihr, „Er ist nur neidisch."
James lacht. „Warum sollte ich neidisch sein, dass du ein Alien als Haustier hast?" „Vielleicht, weil du hier kein Krokodil halten darfst?" Benny grinst. „Ach, sei still", murmelt James. Er hätte gerne ein Krokodil, doch das war im Haus verboten. Hunde, Katzen, Vögel, Fische und Nagetiere waren in Ordnung, größere Tiere waren verboten.

„Nur mal so!", ruft Les plötzlich aus der Küche, „Wir könnten auch die Schimmelkulturen im Kühlschrank weiterzüchten, wenn wir nicht bald einkaufen gehen!" „Dann fang gleich mit dem Züchten an!", lacht Mike. „Gut", meint Les wieder aus der Küche, „Ich lass sie gleich deine Oliven befallen, die kann ich eh nicht leiden!" „He, ich warn dich, Kleiner!" „Sie werden sich da bestimmt wohlfühlen!" Man kann Les' Grinsen hören.  „Dann wirst du eines Morgens mit Kurzhaarfrisur aufwachen", droht Mike. „Oh ja, meine Lieben, die Oliven sind guuut!", kichert der Black Metaller aus der Küche. Mike seufzt. „Wir können beim Einkaufen neue besorgen", meint Benny zu ihm und er nickt kurz. „Heißt das, wir müssen erst einkaufen gehen, bevor es Frühstück gibt?", fragt Tracy mit großen Augen. „Haste aber schnell gecheckt, Blondie", grinst Les, der wieder ins Wohnzimmer gekommen ist. „Ja ja", brummt Tracy nur und nippt an seinem Kaffee. „Haben wir überhaupt genug Geld zum Einkaufen?", will James wissen und setzt ein skeptisches Grinsen auf. „Wird schon reichen", seufzt Benny und steht auf, „Dann lasst uns mal gehen." Er schnappt sich sein Portmonee und die Schlüssel und die fünf machen sich auf zum Supermarkt. 


Auch wenn der Supermarkt nur ein paar Blocks entfernt ist, werden  die fünf oft angestarrt, aber man kennt sie auch schon. James kommt sich etwas so vor, als würde er bei einem Faschingsumzug mitlaufen. Abgesehen von ihm und vielleicht Mike, sehen die anderen drei so aus, als wären sie auf dem Zirkus ausgebrochen. James selbst trägt eine normale Jeans und ein weißes T-Shirt, nichts Besonderes. Seine Haare sind etwas länger, sie fallen ihm bis über sie Schultern und sind dunkelbraun.
Mike entspricht dem typischen Hard Rocker. Jeans, Bandshirt, lange Haare. Unter den Ärmeln seines AC/DC-Shirts kann man kleine Tattoos erkennen. Er trägt immer dieselbe Kette. Mehr braucht er nicht.
Bennys Styling ist da etwas schwieriger. Auch, wenn er sich heute etwas zurückgehalten hat, trägt er trotzdem eine knallrote Schlaghose und ein weißes T-Shirt mit Aufdruck. Und zum Glück hat er seine Plateauschuhe im Schrank gelassen und trägt normale Turnschuhe. James findet Bennys Frisur einfach schrecklich. Welcher Typ lässt sich bitte freiwillig einen Pony schneiden?!
Les würde mit seiner Kleidung in der Nacht keinem auffallen. Alles schwarz: Schuhe, Hose, Shirt. An den Fingern hat er ein paar silberne Ringe und er trägt Armreifen. Seine Arme zieren Tattoos, verschnörkelte Linien und Sterne.
Tracy stattdessen hätte man nachts eher für eine billige Straßennutte gehalten. Cowboystiefel und Latexhose mit Leomuster, dazu ein Netzoberteil. Blondierte, auftoupierte Haare und Make Up.
Ja, denkt sich James, die Männlichkeit in Person...
Alle fünf hätten aus einer anderen Zeit kommen können: 70er, 80er, 90er...Doch die waren schon vorbei, schon lange.

Am Supermarkt ist kaum was los, der Parkplatz ist so gut wie leer. Supermarkt kann man das Ding auch kaum nennen. Es ist türkischer Laden, in dem die fünf alles bekommen, was sie brauchen und vor allem, was sie sich auch leisten können.
Benny holt einen Einkaufswagen und sie betreten den etwas muffig riechenden Laden, in dem sich nur ein paar Kunden befinden.
„Also", beginnt Benny, „Wir brauchen..." „Ich will Kekse!", ruft Tracy und rennt los. „Hol die mit Füllung!", ruft ihm Mike hinterher. „Vergiss es, die schmecken nicht!" „...Milch", endet Benny etwas genervt. „Was noch?", fragt James. „Brot, Getränke, Kaffee..." „Beeeeennyyyy!", tönt Tracys Stimme durch den ganzen Laden, „Die haben meine Kekse nicht mehr daaa!" „...Butter, ein paar Gewürze, Spülmittel..." „Und Haarspray!", ergänzt Tracy quer durch den Laden. „...und ich glaub', das war's", endet Benny. „Benny! Ich will meine Kekse haben!", schmollt Tracy laut, ohne dass die anderen ihn sehen.
„Argh...Halt einmal deine Fresse und benimm dich nicht wie ein kleines Kind!", ruft Les plötzlich und seufzt genervt.
„Entschuldigen Sie bitte??!" Eine Hand fuchtelt plötzlich vor den Gesichtern von Les, James, Benny und Mike. „Würden Sie bitte leise sein?! Sie stören die andern Kunden." Die vier betrachten den türkischen Verkäufer, der immer noch mit der Hand herumfuchtelt. Er ist kleiner als die vier, das Gegenteil von schlank und starrt sie mit großen Glubschaugen an. Er sieht noch jung aus, hat kurze schwarze Haare und eine fettig, ehemals weiße Schürze.
Les mustert ihn kurz abschätzig. „Welche Kunden denn?", entgegnet Les mit kalter Stimme. Man sieht, wie schwer es dem Verkäufer fällt, ruhig zu bleiben. „Würden Sie einfach leiser sein?", bittet er sie erneut und ehe Les antworten kann, fällt ihm Benny ins Wort: „Ja, werden wir, tut uns Leid, wir..." 

„Beennnyy!!" Tracy kommt durch den Gang auf ihn zu gerannt. Er stößt den Verkäufer beiseite und springt Benny auf den Rücken. Der Verkäufer taumelt, stolpert über seine eigenen Beine und krach in ein Regal mit Tomatendose, die scheppernd zu Boden fallen. „Benny, die Deppen haben meine Kekse nicht, der Laden ist scheiße!", meckert Tracy, während er sich an Benny klammert. „Geh runter von mir!", motzt der Ältere und versucht, Tracy abzuschütteln. „Der scheiß Laden hat aber meine Kekse nicht!" „Halt doch die Fresse, Blondie...", murmelt Les. Benny versucht immer noch, Tracy abzuschütteln, der sich lauthals über den Landen beschwert.
„Jetzt beruhig dich doch mal", meldet sich Mike zum ersten Mal zu Wort und befreit Benny von Tracy.
Mittlerweile hat sich der Verkäufer wieder aufgerappelt, während Mike  versucht, den aufgeregten Tracy zu beruhigen. Benny streicht sich die Haare glatt und richtet seine Klamotten. James steht nur da, mit den Händen in den Hosentaschen, Les scheint die ganze Sache auch wenig zu interessieren. Tracy hat sich wieder beruhigt. „Be-", beginnt er, doch der Glam Rocker unterbricht ihn: „Halt die Fressen, sei einfach still!", knurrt er, „Ich denke, selbst der Verkäufer hat's mitbekommen!" „Hu?" Tracy dreht sich um zu dem Verkäufer, der sie mit knallrotem, wütendem Gesicht anstarrt. „Oh..", macht Tracy nur und wird seinerseits rot.
James reibt sich die Schläfen. Er will nur noch zurück in sein Zimmer: Warum können die sich nicht mal normal verhalten?! Les scheint es ähnlich zu ergehen.

„Tut uns Leid wegen ihm", entschuldigt sich Mike mit einem Lächelt und tätschelt Tracy den Kopf, „Was die Kekse angeht, versteht er keinen Spaß, wissen Sie?" „Die hätten wir uns eh nicht leisten können...", murmelt Les. „Halt's Maul", meint Mike und wendet sich wieder an den Verkäufer. „Wir werden auf ihn aufpassen und schnell wieder verschwinden, in Ordnung?" Der Verkäufer mit den Glubschaugen ist immer noch rot und versucht sich zu beherrschen. „Gut, bitte kaufen Sie so schnell wie mögliche ein und gehen dann."  Der Verkäufer verschwindet wieder, die Dosen bleiben auf dem Boden liegen. „Müssen wir die jetzt aufräumen?", will Tracy wissen und deutet auf die Konserven. „Wir nicht", erklärt Benny ruhig, „Aber du." „Was, warum denn??" Als Antwort schlägt Benny ihm an den Kopf. „Darum!", knurrt er und schaut wieder auf seinen Einkaufszettel.

Mission Impossible: Wacken [On Hold]Where stories live. Discover now