Das geheimnisvolle Waldvolk

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Schweiß rollte in Perlen von meiner Stirn. Ich war mir schon gar nicht mehr sicher, ob ich wirklich noch am Leben war, oder bloß in einem toten Körper eingesperrt. Ich war müde, doch war mir kein Schlaf erlaubt. Um mich herum hörte ich Stimmen der Ungeheuer, die stumm ihrer Arbeit nachgingen. Das Einzige, was manchmal durch diese Räume klang, war ein schadenfrohes Lachen. Schreie waren lange nicht mehr zu hören gewesen. Es verbrauchte zu viel unnötige Energie. Es war am einfachsten es über sich ergehen zu lassen. Es war faszinierend wie gut diese grausamen und dummen Orks sich mit elbischen Körpern auskannten, sodass sie so krank werden konnten, wie sie wollten, doch trotzdem dem Ganzen kein Ende gesetzt wurde. Ich hatte immer gedacht, dass ab einem gewissen Punkt der Kopf sagte, dass es genug wäre, doch wenn er das tat, dann hatte er das über die letzten Jahre noch nicht erkannt, weshalb ich wenig Hoffnung hatte.
Die letzte Zeit hatte Úmea angefangen mich zu manipulieren, mir Dinge vorzuspielen. Da musste ich sagen, dass mir das derzeitige Leiden um einiges lieber war. Es war bloß körperlich, seelisch hatte ich mich bereits verabschiedet. Ich hatte keine Ahnung wie lange ich schon hier unten war, hatte kein Zeitgefühl mehr und mein Körper entwickelte sich schließlich auch nicht mehr weiter. Mir wollte natürlich niemand etwas sagen, doch ich tippte auf 50-100 Jahre. So viele Jahre, in denen ich kein Ziel mehr vor Augen hatte. Wenn einmal nach mir gesucht wurde, dann hatten sie das längst aufgegeben. Wie sollte man mich hier auch finden? Ich hatte damals einige Karten gesehen, in den Räumen, in denen mit mir gesprochen wurde und die verborgene Festung lag zwischen den Bergen von Rhûn und dem Düsterwald umringt von einigen hohen, schmalen Bergen. Natürlich hatte ich schon geplant, hier auszubrechen, doch alle Versuche hatten sich mit der Zeit erübrigt.

Das einzige, was ich mir dachte, als ich das leise Klicken der Tür hörte, war: Ist schon wieder Morgen?, doch es bedeutete mir nichts. Es gab keine Emotion bei diesem Gedanken. Es war mir egal, warum sollte ich mich dafür auch noch interessieren?
„Arien?", fragte eine leise Stimme. Ich bewegte mich nicht, ließ meine Augen geschlossen. Es war ein Traum oder ich wurde getäuscht. Beides war es die Mühe nicht wert. Ich spürte, wie die Fesseln von mir genommen wurden, doch auch, wenn ich die Kraft gehabt hätte, hätte ich nicht reagiert. Eigentlich war die Manipulationsphase schon seit einiger Zeit vorbei, doch vermutlich wollte sie einfach, dass ich das dachte. Ich spürte, wie mein Körper hochgehoben wurde. Es war plötzlich ein so anderes Gefühl, in den Armen einer Person zu liegen, anstatt auf dem steinernen Tisch, sodass ich spürte, wie ich langsam einschlief. Erst als Kälte mir ins Gesicht schlug, öffnete ich leicht meine Augen. Frische Luft. Mühselig atmete ich ein wenig davon ein, doch auch das schien mir so unvertraut zu sein.
Ich hörte eine Stimme, doch ich war zu müde, um die Worte zu entschlüsseln. Ich merkte, wie ich auf einen Sattel gesetzt wurde und die Person sich hinter mir positionierte. Das gleichmäßige Auf und Ab des Pferdes, holte mich ein wenig in die Realität zurück und ich konnte wieder denken. Vermutlich hatte die frische Luft auch einiges damit zu tun gehabt.
„Was ist mit Meril passiert?", murmelte ich leise und bewegte dabei nur leicht meine aufgeplatzten, trockenen Lippen. „Arien?", kam wieder von hinten und endlich konnte ich auch die Stimme zuordnen. Ich hatte zu wenig Kraft, um zu antworten. „Sie ist wieder gesund geworden und hat sich auf die Suche nach dir gemacht." Ich lächelte leicht. „Sie hat irgendetwas davon gesagt, dass du wegen Schuldgefühlen fortgegangen seist." Nun öffneten sich meine Augen komplett und ein Gefühl durchzuckte meinen Körper. Ich war über die Zeit ein wenig übersensibel geworden, weshalb ich das Hufgetrampel hinter uns wahrnahm, bevor Legolas es tat. Schwach legte ich meine Hände auf die seinen und zog an der rechten, sodass das Pferd sich in diese Richtung wandte.
„Was tust du?", fragte der Prinz verwirrt, doch ließ mich steuern. Seine Hände fühlten sich ungewohnt glatt und weich an. Wie etwas aus einem anderen Leben.
Nun konnte ich vor uns ein Waldstück erkennen. Ein leichtes Lächeln umspielte meine Lippen, als wir in hohem Tempo hineinrasten und das Pferd schnell scheute. Legolas sprang ab und fing mich auf, als ich einfach hinabrutschte. Kurz lehnte ich mich gegen ihn, bis ich wieder ein wenig Energie bekam.
„Wir müssen weiter", hauchte ich und wollte mich von ihm lösen. „Schon gut", lächelte er leise und hob mich wieder hoch. Ich wollte mich wehren, doch war viel zu schwach. Endlich drangen auch die vielen Fragen zu mir durch. Warum war er hier? Warum war er alleine hier? Warum war er so nett zu mir? Woher wusste er, dass ich hier war? Wie war er hineingekommen?
Ich spürte, wie er mich auf dem Waldboden niederließ. „Wir sind hier sicher", sagte ich leise und drehte mich auf die Seite. Nach all der Zeit auf dem Rücken schien es mir angenehmer auf der Seite zu liegen. „Woher weißt du das?" „Der Elb... mit dem du damals im Wald unterwegs warst, als ich den Ring gefunden habe... wie war sein Name?", fragte ich und setzte mich vorsichtig auf. Er hielt mir eine Flasche Wasser hin und ließ sich neben mir nieder. „Warum ist das so wichtig?", fragte er verwirrt, doch sah mich sanft an. Ich nahm sie mit zittrigen Händen entgegen und trank einige Schlucke.
„Sie hat mir über die Jahre viel vorgespielt", antwortete ich und fühlte mich schon viel besser. „Baron. Wir haben damals die Orks besiegt und du hast zwei davon mit deinem Bogen abgeschossen, was dir eigentlich nicht erlaubt war", lächelte er und nahm die Flasche entgegen. Ich sah ihn dankbar an. „Und außerdem ein Wunder bei deinen Bogenschießkünsten", grinste er, worauf auch ich kurz amüsiert die Augen verdrehte. „Warum seid Ihr alleine hier?", fragte ich schließlich und merkte, dass ich so wach wie lange nicht mehr war. Er musterte mich kurz.
„Du musst mich nicht mehr so ansprechen", antwortete er ernst und griff neben sich in seine Tasche. Ich runzelte meine Stirn und beobachtete ihn. „Es war nicht deine Schuld", flüsterte ich sanft. Ich war mir nicht sicher, ob ich jemals wieder Teil des Waldlandreiches sein konnte, weshalb es mir leichter fiel, so mit ihm zu reden, doch fühlte es sich immer noch falsch an.
„Ich hatte die Verantwortung", antwortete er bloß verbissen und hielt mir ein Brot, eingewickelt in ein paar Blätter, hin.
„Es war dunkel und nichts zu hören. Meril gibt sich schon die Schuld an meinem Verschwinden, ich brauche nicht noch jemanden", antwortete ich und nahm es zögerlich an. Er musterte mich einige Sekunden nachdenklich und blickte sich dann um.
„Sie werden nicht kommen", beruhigte ich ihn und biss hinein. Er hatte wohl absichtlich kein Lembasbrot mitgenommen, wobei er vielleicht trotzdem noch eines in seiner Tasche versteckt hatte.
„Woher weißt du das?" „Sie betreten diesen Wald nicht", antwortete ich. Das Essen schmeckte anders als erwartet. Mein Körper schien es bloß als notwendige Nahrung aufzunehmen. Es war komplett egal, was er mir gegeben hatte, ich hätte alles verschlungen. Erst jetzt merkte ich meinen unglaublichen Hunger. Legolas sah sich besorgt um.
„Es verirren sich selten Elben in diese Gegend", sprach plötzlich jemand, der aus den Bäumen hervortrat. Er hatte keinerlei Waffen an sich und war ganz in Hellgrün gekleidet. Seine Haare waren Braun und sein Gesicht zeugte von langjähriger Erfahrung. Der Prinz sprang sofort auf und richtete seinen Bogen auf ihn. „Legolas", sagte ich schnell und richtete mich so weit auf, dass ich nach seinem Arm greifen konnte. „Sie sind Freunde", keuchte ich und ließ mich kraftlos zurückfallen. Er sah mich verwirrt an, doch ließ seine Waffe sinken, als ich mir an dem Baum leicht meinen Kopf stieß.
„Ich werde nicht zulassen, dass dir wieder etwas passiert", flüsterte er ernst und warf dem Elben einen bösen Blick zu. Dieser war nähergekommen und musterte uns beide. „Sie braucht Ruhe, wie es scheint", sagte er bloß und deutete uns, dass wir ihm folgen sollten. Ich nickte leicht und ließ mir aufhelfen. Langsam, aber sicher, bekam ich etwas Gefühl für meinen Körper zurück. Ich wusste, dass ich diverse unterschiedliche Verletzungen hatte, manche Wunden hatten sich entzündet, daher das Fieber. Wie gesagt, es war immer wieder überraschend, dass ich dann doch überlebte. So würde es auch dieses Mal sein.
Das Zuhause des Elben war mehr ein Lager als eine Stadt, was sehr faszinierend war. Sie hatten Häuser in den Bäumen gebaut und sich komplett der Natur hingegeben. Dagegen waren die Waldelben im Düsterwald nichts. Alles sah so idyllisch und ruhig aus, dass es mir schwer fiel zu glauben, dass diese Leute eine der schlimmsten Gegner der Orks waren. Ich wurde in eine der Hütten geführt und durfte mich erst einmal schlafen legen. Natürlich schlief ich sofort ein, doch als ich irgendwann in der Nacht aufwachte, war das Bett plötzlich so weich, dass ich mich nicht mehr wohl fühlte. Es passte sich perfekt an meinen Körper an, was jeder andere vermutlich als angenehm empfunden hätte, doch die meiste Zeit meines Lebens hatte ich nun einmal auf hartem Stein verbracht, weshalb ich etwas umständlich hinunter auf den Boden kletterte und dort auf dem Teppich weiterschlief. Erlöst atmete ich durch.
Im Halbschlaf bekam ich mit, wie sich die Tür hinter mir öffnete und jemand eintrat. Ich dachte es Legolas wäre, doch diese Person nahm einfach nur die Decke von dem Bett und legte sie über meinen Körper. Dann setzte sie sich neben mich. Ich brummte fragend und bewegte mich nicht.
„Die Infektion sitzt tief in dir", flüsterte die Stimme und etwas Kühlendes legte sich auf meine Stirn. Ich drehte meinen Kopf mit einem unwilligen Ton weg, doch irgendwie fühlte es sich auch angenehm an. Es war definitiv nicht Legolas. „Du bist es gewohnt krank zu sein, lass es los." Ich wollte verwirrt meine Augen öffnen, doch merkte, wie ich plötzlich in anderem Bezug zu meinem Körper stand als jemals zuvor. Hände legten sich an meinen Kopf.
„Was ist das?", keuchte ich und war dabei selbst überrascht, dass die Worte meinen Mund verließen. Es war, als hätte ich in Gefangenschaft meinen Körper verlassen, ihn geopfert und wurde ihm wieder neu zugeführt. Mich überkam Angst. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und wollte mich wehren, doch auch nun, da ich die Kontrolle wieder zurückhatte, wollte mein Körper sich nicht gegen die Elbin wehren. Was, wenn wir nicht mehr zusammenpassten? Wenn er mich nicht mehr annahm?
Es dauerte bloß ein paar Sekunden, bis ich mich plötzlich entspannte und auch die Heilerin ihre Hände von mir nahm. Ich blieb regungslos liegen und versuchte zu realisieren, was gerade geschehen war. Mein Atem fühlte sich wie Licht an, während er meinen Brustkorb durchflutete. Doch damit kamen auch die Schmerzen wieder und ich konnte alle meine Verletzungen klar wahrnehmen. Ich atmete gequält aus und rollte mich zur Seite.
„Hier", lächelte die ruhige Stimme, die ich schon fast vergessen hatte. Schwerfällig öffnete ich meine Augen und merkte, dass sie eine Kerze angezündet hatte und nun in ihrer Tasche kramte. „Nun, da du wieder in Verbindung mit deinem Körper stehst, musst du versuchen ihn beim Heilen zu unterstützen", flüsterte sie und sah mich zuversichtlich an. Meine Sicht war plötzlich viel klarer und eindeutiger.
„Meine Hände", murmelte ich leise und hob sie vor mein Gesicht. Ich wurde nicht mit normalen Fesseln festgehalten, sie hatten Dornen gehabt, sodass die Haut niemals eine Chance hatte zu heilen. Dementsprechend schlimm sahen meine Handgelenke nun aus. Ich war mir nicht einmal sicher, ob elbische Medizin das noch heilen konnte.
„Das wird schon", lächelte die Elbin leise und begann vorsichtig eine Salbe auf die Wunden zu tupfen. Ich zuckte kurz zurück, doch ließ sie fortfahren. „Arien", stellte ich mich leise vor und sah sie direkt an. Sie konzentrierte sich weiter auf die Heilung, doch hatte mir offensichtlich zugehört. „Asea", antwortete sie knapp und wandte sich dann wieder ihrer Tasche zu, um einen Verband herauszuholen.
„Danke." „Bedank dich nicht zu früh, es wird ein langer Heilungsprozess werden", lächelte sie und nickte zum Bett. Ich seufzte kurz und wollte aufstehen. Auch, wenn mir mein Körper bereits gezeigt hatte, dass er eigentlich stark genug wäre, um mein Gewicht zu tragen, so war er das mit all den plötzlichen Schmerzen nicht. Doch Asea half mir schnell hinauf und in die weichen Laken, wo ich, schneller als erwartet, wieder Ruhe fand.

Die Ringe der Cementári // Herr der Ringe & Der Hobbit FFWhere stories live. Discover now