Tag 3

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Am nächsten Tag beteiligte ich mich kaum noch in der Schule. Es war mir egal. Alles, was meine "Zukunft" betrifft, konnte ich guten Gewissens vergessen. "Hey." In der Pause stand Ronald vor mir. "Kann ich meine Uhr wiederhaben?" Müde hob ich den Kopf. Letzte Nacht hatte ich kaum geschlafen, so hatte ich jetzt tiefe Augenringe. Ich wollte meine Zeit jetzt nicht mit schlafen vergeuden. "Nein, ich behalte sie." Antwortete ich. "Darf ich fragen, was du in meinem Zimmer verloren hast?" Er seufzte. "Ich war nicht in deinem Zimmer. Nachdem du mich rausgeworfen hast, habe ich das Haus kein einziges mal betreten, ich schwörs." Er streckte die Hand nach seiner Uhr aus, die ich noch immer trug, doch ich hielt ihn zurück. "Was hast du dann vor meinem Zimmer gemacht?" Hakte ich nach. "Dich beobachtet, was denn sonst? Nicht sauer werden, das gehört alles zum Job." "RONALD KNOX! Bitte hinsetzen, die Pause ist vorbei." Ertönte Mr. Coles Stimme. Widerwillig ging er zu seinem Platz hinter mir zurück. Zufrieden betrachtete ich die Uhr. Er wollte sie also zurückhaben? Nene, so schnell nicht, Freundchen. Ich erwarte eine aufrichtige Entschuldigung für alles. Außerdem, welches Black Butler- fangirl gibt freiwillig eine Shinigami- Armbanduhr her?

Als die letzte Stunde vorbei war, machte ich mich mit der schicken Uhr auf den Weg nach Hause. Ich hatte herausgefunden, dass sie eine art Geheimfach besaß. Es war ein Notizzettel darin, auf dem irgendwelche Nummern standen. Vielleicht brauchte er den noch? Ach, was solls. Er wird sich die Uhr selber holen müssen. Schnell, dass er mir nicht folgte, lief ich die Straße entlang. Aber nicht nach Hause, sondern in den Park. Jetzt könnte ich was weiß ich was mit der Uhr anstellen. Ich grinste hämisch bei der Vorstellung. Vergraben? An einen Baum hängen? Oje, der arme Shinigami. Er muss wohl Überstunden machen, wenn er den Zettel nicht mehr findet, bestimmt war er wichtig. "Lisa!" Ich drehte mich um. Mina kam auf mich zugerannt. Ich lächelte freundlich und winkte ihr zu. Sie war irgendwie bleich und fuchtelte hektisch in der Luft herum. Ich wollte fragen, was los sei, doch da wurde ich plötzlich nach hinten gerissen. Ein LKW raste mit einer viel zu schnellen Geschwindigkeit gerade mal zwei Zentimeter an meiner Nase vorbei. Ich fiel hart auf den Boden, jemand landete auf mir. "Du dummes Ding!" Zischte Ronald. Mir blieb vor Schreck die Luft weg, mein Bein fühlte sich komisch an. Ronald lag direkt auf mir drauf. "Was hab ich dir gesa..." er verstummte und blickte verstört geradeaus. Ich wollte mich umdrehen, doch ein heftiger Schmerz schoss mein Bein hoch, sodass ich nur einen kurzen Blick nach hinten werfen konnte. "William." Sagte Ronald monoton. Es war lediglich eine Feststellung. Der strenge Shinigami mit seinem Astschneider sah mich missbilligend an und schob sich die Brille hoch. "Ronald Knox. Die Ihnen zugeteilte Person scheint eine anspruchsvolle Aufgabe darzustellen. Kommen Sie zurecht?" Ronald nickte. "Klar, Senpai. Es dauert nicht mehr so lange, bis sie abgehakt ist." Ich unterdrückte es, ihm in den Bauch zu boxen. "Sehr schön. Sollten Sie Schwierigkeiten haben, steht Ihnen jederzeit Ihr Kollege Sutcliff zur Verfügung. Er weiß Bescheid. Einen schönen Tag noch." Er wandte sich zum Gehen. Ronald sprang auf. "Senpai, warte! Wollen Sie mich jetzt echt damit alleine lassen?" "Ich lasse Sie nicht mit ihr allein." Erwiederte er kühl. "Sie wissen ganz genau, dass ich keinen Bock auf Sutcliff habe!" Rief Ronald. William wandte sich ihm zu und korrigierte seine Brille. "Das tut mir aber leid für Sie. Die anderen Kollegen sind momentan anderweitig im Dienst. Machen Sie das Beste daraus." Mit diesen Worten ließ er uns allein. "Mist."grummelte Ronald. Ich versuchte stöhnend, mich aufzusetzen. Er sah auf mich runter. "Was solls. Komm, ich lad dich ein." Kurzerhand hob er mich hoch und versuchte, mich hinzustellen. "Lisa.?" Mina kam auf uns zugerannt. "Alles in Ordnung? Der Lastwagen konnte nicht bremsen..." erstaunt sah sie Ronald an. "Wie hast du das gemacht?" Er lächelte höflich. "Es war reiner Zufall, dass ich überhaupt in der Nähe war. Komm, Lisa." Ohne auf eine Antwort abzuwarten, zog er mich fort.

"Wohin gehen wir?" Fragte ich gestresst. "Ich habe heute nichts mehr zu tun. Ich nehme dich mit zu mir, da kannst du nichts Dummes anstellen." Er brachte mich zu einem Wohnblock. Im fünften Stock war seine Wohnung. "Hier wohnst du?" Fragte ich erstaunt. "Nein. Doch. Vorübergehend." Antwortete er. Er legte mich ins Wohnzimmer auf das Sofa. "Schickes Zimmer." Bemerkte ich. "Danke. Bleib erst mal hier liegen, ich kümmere mich gleich um dein Bein." Er verließ den Raum. Ja, mein Bein sah sehr blau aus. Ich sah mich um. Zwei schwarze Sofas, ein Fernseher gegenüber. Ein kleiner Kronleuchter und neben dem Fenster eine Stehlampe. Eigentlich eine gemütliche Einrichtung. Während ich mich umsah, ging die Tür erneut auf und ein rothaariger Shinigami kam hereingeschneit. "Ronald? Bist du da?" Als er mich erblickte, verstummte er. Ronald kam zu ihm. "Was ist das?" Fragte der rothaarige verwundert und zeigte auf mich. "Das ist Lisa, unser Gast." Erwiederte Ronald. Er setzte sich mit einigen Pflastern neben mich. "Das ist Grell." Erklärte er. Dann wandte er sich an Grell. "Ich habe nicht gesagt, dass ich Verstärkung brauche. Warum bist du hier?" Grell schnaubte verärgert. "Bin ich etwa nicht willkommen? Ich bin schon mal im Vorraus hergekommen, weil ich nicht weiß, wo ich wohnen soll. Ich hoffe doch sehr, dass du eine Lady wie mich nicht einfach auf die Straße setzt!" Grell hockte sich einfach an den Tisch und blieb dort sitzen. Ronald seufzte. "Na gut, ich bin wieder mal für alles zuständig. Aber du musst auf dem Sofa schlafen, sonst ist nicht genug Platz für alle." "Schon okay," Unterbrach ich ihn. "Ich gehe heute wieder nach Hause, das ist schon in Ordnung. " "Du gehst nirgendwo hin! Sonst verliere ich noch ganz den Überblick. Wie schon erwähnt, ich lade dich ein, hier zu bleiben." Sagte er. "Du meinst, du willst, dass ich hier bleibe. Ich muss nachher wieder nach Hause. Meine Mutter weiß ja gar nicht, wo ich bin!" Protestierte ich. "Ruf sie an." Er reichte mir sein Handy. Ok, was jetzt? Im Moment konnte ich nicht mal alleine aufstehen, bis es meinem Bein besser geht. Er wollte mich also hier festhalten. Aber das ist ganz und gar nicht das, was ich will! "Hey, ich habe nicht vor, die letzten paar Tage meines Lebens hier zu bleiben!" Ronald lachte. "Keine Sorge. Wir können auch mal rausgehen, wenn du magst. Ich bin ja nicht ganz so fies wie du denkst." "Und habe ich das vorhin richtig verstanden, dass ihr mich alle als ein 'Ding' bezeichnet??" Grell, der bis jetzt seine Nägel gefeilt hatte, stand auf. "Tut mir leid, Darling, war nicht so gemeint. Aber du bist halt nun mal nur ein Mensch. Na denn, ich bin mal wieder kurz weg," er winkte, bevor er mit seiner Säge aus dem offenen Fenster hopste. Bestimmt suchte er nach Sebastian, anstatt zur Arbeit zu gehen. Ich rief bei meiner Mutter an und erzählte ihr, ich würde mit einer Freundin zusammen das Englischprojekt machen und bei ihr übernachten. Sie klang nicht gerade begeistert, aber ich konnte sie schließlich überreden. Ronald versuchte etwas zu kochen, was er anscheinend nicht so oft tat, da er die Hälfte anbrennen ließ. Aber irgendwie schmeckte es gut. Als wir da saßen und gegessen hatten, fiel sein Blick auf mein Handgelenk. "Bekomme ich bitte meine Uhr wieder? Du hast sie vorhin beim LKW fast kaputtgemacht." Ich schüttelte den Kopf. "Da kann ich ja nichts dafür, es war ein Unfall! Bei mir ist sie bestimmt besser aufgehoben. Du bekommst sie sowieso wieder, wenn du meine Seele eingesammelt hast." "Wenn ich sie aber nicht habe, kann ich dich auch nicht zum genauen Zeitpunkt einsammeln. Vielleicht musst du dann länger leiden." "Ich will sie noch behalten!" Schmollte ich. Er lachte. Ich überlegte zu fragen, was das denn für ein Zettel ist, der da in der Uhr steckte. Aber irgendwie traute ich mich dann doch nicht. Vielleicht ist es ein Berufsgeheimnis.

"Also. Was willst du heute noch machen?" Fragte Ronald. Aha, jetzt wurde er doch mal etwas mitfülender. Ich überlegte. "Als erstes habe ich eine Frage an dich. Stimmt es , dass du mit Lara zusammen bist?" Er schien etwas überrascht zu sein. "Wer hat das denn behauptet?" "Die ganze Schule weiß es." Er lachte. "Dann haben sie wohl etwas missverstanden. Ich bin nicht mit ihr zusammen." Ich nickte. Achso. "Sonst irgendwas?" " Nein. Ich würde einfach gerne hier liegenbleiben. Aber es wäre nett, wenn du meine Hausaufgaben für mich machst." Echt jetzt? Naja, Hausaufgaben können mir ja jetzt wohl egal sein. Er nickte nur und schaltete den Fernseher für mich an. So verging nun auch der dritte von sieben Tagen. Irgendwann bin ich auf dem Sofa eingeschlafen, was nicht verwunderlich ist, so müde wie ich war.

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