24. Dezember

89 9 4
                                    

9:00 Uhr

Unruhig lief ich durch unser Haus, es war das reinste Chaos. Seit gestern abend hatten meine Eltern, Abby und ich alles umgeräumt. In der Gallerie standen die Tische fürs Essen und das große Wohnzimmer plus den Eingangsbereich hatten wir zu einem großen Ballsaal hergerichtet. Zumindest waren wir dabei, der große Weihnachtsbaum musste noch umplatziert werden, das Catering würde erst heute Abend eintreffen und ein Teil der Deko musste umgeräumt werden. Mein Plan war es Weihnachten bei uns zu Feiern. Mit den Nachbarn, meinen Eltern, der Weihnachts AG und den Senioren. Ein großer Druck lastete auf mir, denn ich hatte nur weniger als 24 Stunden Zeit um alles vorzubereiten.

11:00 Uhr

In sechs Stunden würden die Gäste kommen. Der Baum war endlich an seinem Platz, aber die Musikanlage fehlte noch. "Wo ist die Weihnachts AG wenn man sie braucht?", fragte ich Abby grimmig, als wir einen großen Karton mit Tannenbaumschmuck in unseren Keller schleppten. Zum ersten mal war ich froh eine "verwöhnte Prinzessin" zu sein. Unser Haus war groß und Geld nicht das Problem. "Ich weiß es nicht", schnaufte Abby, "Ich erreiche niemnden von denen" Toll, hatten alle anderen aufgegeben?

"Es sieht hier echt toll aus Kayla", sagte meine Mutter zufrieden, "Das wird die größte Weihnachtsfeier die es je gab!" Ich lächelte sie dankbar an. Das hoffte ich, mein Plan musste einfach aufgehen. "Ich habe so Angst was zu vermasseln", sagte ich bedrückt, ich hatte den Senioren das schönste Weihnachten ihres Lebens versprochen, "Danke das du das mit möglich machst Mum" Meine Mutter nahm mich in die Arme, ich genoss ihre Wärme. "Es tut mir alles so leid Kayla", sagte sie ergriffen, "Wäre ich Weihnachten nicht immer so ein Biest gewesen, wäre vieles anders gelaufen" Ich schluckte, ich würde jetzt nicht weinen. "Und noch was", meine Mutter sah mich nun an, "Vergiss Ben. Abby hat uns alles erzählt, dein Vater und ich freuen uns schon Luca heute abend kennenzulernen" Luca... Mein Herz zog sich wieder schmerzhaft zusammen. Würde Luca überhaupt kommen? Und wollte ich das?

14:00 Uhr

Alles stand! Die Deko, der Baum, die Anlage, alles war an seinem Platz! Ich konnte es nicht glauben, zufrieden stand ich mit meiner Mutter und Abby vor dem riesiegen Tannenbaum und betrachtete unser Werk. "Vielen Dank Leute!", rief ich begeistert und klatschte in die Hände, der Ball konnte kommen! Plötzlich klingelte es an der Tür. "Das ist bestimmt Dad", rief ich und eilte zur Haustür. Doch es war nicht mein Vater der vor der Tür stand.

"Was machst du hier?", meine Stimme klang erstickt und mein Mund war trocken. Mein Herz pochte wie wild und Tränen wollten fließen. Doch ich hielt alles zurück, versteckte alles hinter einer Fassade. Luca schaute mich an, seine Haare waren zerzaust und die Ringe unter seinen Augen noch tiefer. "Wir haben ein Problem", sagte er nur. Warum? Warum zog ich Probleme maisch an?

15:00 Uhr

Hätte mir jemand am Anfang des Dezembers gesagt, dass ich an Weihnachten Dosen mit Plätzchen von den Senioren herumtragen würde, hätte ich denjenigen wohl ausgelacht. Aber nun war es Realität. Warum auch immer hatten die Angestellten des Seniorenheims vergessen die Plätzchen, die die Senioren für die Kitakinder gebacken hatten, zur Kita zu bringen. Die Folge daraus war, dass nun Luca und ich bei dichtem Schneefall Dosen mit Plätzchen umherschleppten. "Meinst du es ist überhaupt jemand da? Es ist doch Heiligabend", fragte ich skeptisch und hätte mich fast an einer Schneeflocke verschluckt. "Nein, aber ich habe einen Zweitschlüssel von meiner Tante, sie arbeitet da. Wir stellen die Plätzchen ab und verschwinden wieder, dann können sich die Kinder nach Weihnachten darüber freuen.", antwortet Luca und wartete auf mich, da eine meiner Dosen fast herunter gefallen wäre. Daher wusste er also von der finanziellen Lage der Kita und hatte mir als Santa den Link geschickt...

In der Kita war es schon etwas ausgekühlt und so ohne die Kinder wirkte sie irgendwie trostlos. Die meisten Räume waren schon wieder hergestellt, doch einige waren abgesperrt, sie würden erst im nächsten Jahr restauriert werden. Wir verteilten die Plätzchen auf den Tischen im Speißeraum. An den Wänden hingen Fotos, ein paar waren sogar auf unserem Spendenlauf geschossen worden. Ich betrachtete sie, an dem Tag hatten Luca und ich uns das erste mal geküsst. Ein Schatten legte sich über mich, wenn ich nicht sofort von hier verschwand würde ich zusammenbrechen.

"Kayla?", flüsterte Luca, der aufeinmal dicht hinter mir stand. Meine Nackenhaare stellten sich auf und mein Puls ging nach oben. Warum reagierte mein Körper so stark auf ihn? "Es tut mir alles so leid", murmelte er. Ich drehte mich um und sah ein glitzern in seinen Augen, bitte keine Tränen! "Ich wollte aufhören", sage er leise und nahm meine Hände, "Ich wollte es dir sagen, aber ich hatte Angst. Angst vor deiner Reaktion ich wollte dich nie verlieren" Er strich mit dem Daumen sanft über meine Hände, ich erschauderte. Ich musste mich entscheiden. Ich blickte in seine Augen, sie waren so braun wie Lebkuchen, sein Duft war tröstlich und ich wurde zunehmend schwächer. "Ich weiß nicht, ob ich das kann", flüsterte ich, "Ich weiß, ich habe auch Fehler gemacht, aber dieser Dezember... Dieser Dezember war einfach... ich habe keine Worte dafür. Ja, ich glaube ich kann dir verzeihen und auch mir, aber ich brauche Zeit. Wir brauchen Zeit. Vielleicht sollten wir es langsam angehen lassen und auf Abstand bleiben." Seine Augen wurden dunkel, so dunkel, dass ich Angst hatte hinein zublicken. Es war eine Spannung zwischen uns. Irdendwas verband uns, was nur wir spüren konnten. Er brachte keinen Ton heraus, ließ nur meine Hände los. Aufeinmal zog sich eine Kälte durch meinen Körper. Nein! Ich konnte nicht ohne ihn sein. Ohne darüber nachzudenken, überhaupt zu denken, ging ich einen Schritt auf ihn zu. Erschrocken sah er mich an, doch es war schon zu spät. Alle Last und der ganze Schmerz fiel von, als ich ihn küsste. Ich wollte ihn. Nur ihn.

"Ich dachte du wolltest es langsam angehen lassen", grinste Luca, als wir später die Kita abschlossen. Die Zeit hatten wir etwas vergessen, wir mussten uns beeeilen. "Naja...", sagte ich etwas verlegen, doch sein lächeln wrde nur breiter. "Keine Sorge, ich weiß ja, bei dir ist alles etwas komplizierter"

Weihnachtsabend

Ich drehte mich noch einmal vor meinem Spiegel. Das rote Kleid glitzerte golden im Licht meiner Zimmerlampe. Es war bodenlang, obenrum festanliegend und fiel dann weit bis auf den Boden. Mein Ballkleid! Meine Haare fielen mir in goldenen Locken über die Schultern. Ich war bereit. Von unten hörte ich Musik und Stimmen. Alle waren gekommen. Sie waren gekommen, um mit uns zu feiern.

Ich schlengelte mich durch die Massen, die Atmosphere war gigantisch. Bunte Lichter tanzten mit den anderen Menschen auf der Tanzfläche, die Musik lief klar durch die Lautsprecher und es roch schon nach Braten, Lachs und tausend anderen Leckereien. "Kayla", hörte ich Hertas Stimme. Ich drehte mich um, sie sah fabelhaft aus! Sie hatte tatsächlich ein schönes Tannengrünes Kleid an, ihre Augen leuchteten so hell, dass sie um Jahre jünger aussah. Ich ging auf sie zu und sie nahm mich kurz in die Arme. "Danke", flüsterte sie, "Du hast eine Menge alter Menschen sehr sehr glücklich gemacht" Ich schluckte, dass war das schönste Geschenk, was sie mir hätte machen können. Denn diese Worte ließen mich von innen heraus strahlen. "Und du hast mir einen großen Weihnachtswunsch erfüllt", hörte ich aufeinmal Hans, der auf uns zukam. Er trug einen Anzug und lächelte Herta an. "Darf ich um diesen Tanz bitten", sagte er und täuschte eine Verbeugung an. Herta kicherte und sie gingen zusammen zur Tanzfläche. Ich schaute ihnen nach, Liebe war einfach das schönste Geschenk zur Weihnacht. "Darf ich um diesen Tanz bitten", hörte ich eine Stimme. Ich drehte mich um, Luca. "Du bist da", flüsterte ich und ging auf ihn zu. Er lächelte mich an, im Hintergrund nahm ich seine Familie war, doch mein Fokus lag nur auf Luca. "Du siehst einfach toll aus", sagte er leicht und nahm meine Hand. Er führte mich zur Tanzfläche. "Du aber auch", lachte ich, "mit gekämmten Haaren fast nicht wieder zuerkennen"

Die Stimmung war magisch. Luca tanzte mit mir durch den Saal, ich sah die Senioren bei unseren Nachbarn, meine Freunde und meine Familie. Alle waren glücklich, ich war glücklich... Oh mist! "Was ist los", fragte Luca erschrocken, als er meine aufgerissenen Augen bermerkte. Mist, Mist, Mist! "Im ganzen Stress habe ich etwas komplett vergessen", rief ich bestürtzt. "Was denn", fragte Luca erschrocken. "Dein Wichtelgeschenk!", jammerte ich. Plötzlich lachte Luca. Er lachte so laut, dass sich alle im Raum nach uns umdrehten. "Du  bist so verdammt kompliziert", flüsterte er und kam näher. "Ich finde das gar nicht lustig", schmollte ich, "Jetzt habe ich kein Geschenk für dich" Er kam näher, "Du bist alles was ich mir je gewünscht habe", flüsterte er, zog mich an sich und küsste mich.

Es war das schönste Weihnachten, dass ich je hatte! Ich hatte Luca, die AG und der Kontakt zu den Senioren würde bestehen bleiben. Wir machten schon Pläne für Ostern. Aber das schönste war, auch wenn der Dezember alles andere als perfekt gewesen war, bereute ich nichts. Okay gut, ein paar Dinge hätten anders laufen können. Aber ich fühlte mich zum ersten mal so, als wäre ich angekommen und das war schönste Gefühl meines Lebens! Und jetzt entschuldigt, Luca wartet auf mich.

Bist du Santa?Where stories live. Discover now