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we don't pray for love

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we don't pray for love

»LEUTE, schaut sofort in den Gruppenchat. Klickt auf die PayPal-Aktion«, weckt Lanas Stimme mich am nächsten morgen, um halb acht.

Ich weiß nicht, wie viele Stunden ich geschlafen habe, ob ich überhaupt geschlafen habe. Ich weiß nur, dass mein Kopf wehtut und es eventuell sein könnte, dass sich die Pizza von gestern Abend in den nächsten Minuten ihren Weg durch meine Speiseröhre zurück ans Tageslicht bahnen wird.

Gestern habe ich den Rest des Abends mit dem Jungen aus meinem Semester verbracht und ihn kein einziges Mal nach seinem Namen gefragt. Irgendwie war das nicht wichtig. Wir haben uns auch so verstanden.

Ich werde in den nächsten Tagen definitiv Ausschau nach rabenschwarzen Haaren und smaragdgrünen Augen halten, denn er war mir wirklich sympathisch. Mit ihm an meiner Seite verging die Zeit wie im Fluge.

Müde reibe ich meine Augen und fische ein paar widerspenstige Strähnen, die sich in meinem Lippenstift, den ich mir gestern noch von Lana ausgeliehen habe, verklebt haben, aus meinem Gesicht. Ohne hinzusehen taste ich nach meinem Handy und schalte es an. Grelles Licht kommt mir entgegen. Ich verziehe das Gesicht und stelle die Helligkeit runter.

»Ich habe einen Kater«, verkünde ich dann miesepeterig.

Weil seit gestern Abend über hundert neue Nachrichten dazugekommen sind, tippe ich Sexschaukel in die Suchfunktion ein. Der Link zu der Spendenaktion erscheint auf dem Display und ich klicke ohne zu zögern darauf. Meine Augen weiten sich, als die Seite geladen hat. »Dreihundertvierzig Euro?«

»Wenn ich in diesem Semester nochmal jemanden jammern höre, dass man als Student in diesem Land verärmlicht, werde ich handgreiflich«, grummelt Hanna in ihr Kissen. Sie liegt am Fußende des Bettes, trägt noch immer das schwarz weiß gestreifte, rückenfreie Kleid von gestern Abend und versteckt sich unter den zahlreichen Decken, die sich mit uns die Matratze teilen.

Ich schüttele fassungslos den Kopf. »Jemand hat gestern Nacht ganze dreihundert Euro gespendet. Einfach so.«

»Da hat wohl jemand betrunken sein Bafög verballert«, lacht Valentina. Im ersten Moment bemerke ich gar nicht, dass sie zusammen mit zwei dicken Wolldecken auf dem Boden liegt. Dunkel kann ich mich daran erinnern, dass sich in der Nacht jemand über zu wenig Platz und zu viele Füße an Stellen, an denen man keine Füße haben möchte, beschwert hat.

»Die Nachricht, die er hinterlassen hat, wirkt relativ nüchtern«, entgegne ich. »Money is a tool. Used properly it makes something beautiful; used wrong, it makes a mess.
- Bradley Vinson.«

»Das hat er bestimmt aus dem Internet kopiert«, zweifelt Livi seine Zurechnungsfähigkeit an. »Hoffentlich ist er jetzt nicht blank für den Monat. Dreihundert Euro sind verdammt viel Geld.«

»Steht da ein Name?«, möchte Hanna wissen.

Ich nicke. »Yannik Schreiber.«

»Den kenne ich. Der kam am ersten Tag zu spät zu der Pflichtveranstaltung und in die Vorlesungen geht er gar nicht erst. Ich weiß nicht, was er überhaupt hier will. Der hat noch keinen einzigen sinnvollen Beitrag geleistet und ich bezweifele, dass er musikalisch was drauf hat.« Lana flechtet sich die Haare ohne Spiegel, während sie redet.

»Nur weil er zu spät kommt, ist er nicht gleich unmusikalisch«, werfe ich ein und erinnere mich schuldbewusst an die vergangenen Tage, an denen ich ebenfalls alles andere als pünktlich war.

»Außerdem kommt man hier doch ohne eine bestandene Eignungsprüfung gar nicht rein, oder sehe ich das falsch?«, pflichtet Hanna mir bei.

Lana zuckt mit den Schultern. »Wenn er was drauf hätte, hätte er das dann nicht inzwischen gezeigt? Kohle scheint er ja zu haben. Wer weiß, wen er damit bestochen hat.«

»Ist doch seine Sache«, höre ich Livi nuscheln.

»Genau!«, pflichtet Valentina ihr bei. »Wenn er unbedingt dreihundert Tacken in eine Sexschaukel investieren will, von der er überhaupt nichts hat, geht uns das herzlich wenig an. Und wenn er talentfrei ist, wird er früher oder später sowieso rausfliegen.«

Ich nicke zustimmend. Es mischt sich schließlich auch niemand in unsere Angelegenheiten ein.

»Ich mein ja nur«, verteidigt Lana sich beleidigt.

»Leute, könnt ihr bitte kurz meinen Hintern anschauen?«, wechselt Hanna das Thema.

Lachend werfe ich sie mit einem Kissen ab. »Wenn du angeben willst, hast du dir wirklich einen sehr ungünstigen Moment dafür ausgesucht.«

»Nein«, stöhnt sie genervt. »Irgendwie juckt es mich am Steißbein.« Sie zieht und zerrt an ihrem rückenfreien Kleid und schafft es tatsächlich, die betroffene Stelle freizulegen.

»Wenn du Bettwanzen hast, töte ich dich«, droht Valentina ihr mit einem warnenden Ton in der Stimme. Zum schlafen trägt sie ein weites, pinkfarbenes T-Shirt, das mit den Köpfen einer Kuh, eines Hundes und eines Schweins bedruckt ist. Darunter kann ich die Worte FRIENDS NOT FOOD entdecken. Allmählich beschleicht mich das Gefühl, dass Valentina ausschließlich bedruckte Oberteile besitzt, die für Veganismus werben.

»Beruhig dich, das sind keine Bettwanzen«, sage ich grinsend, sobald ich einen Blick auf ihren unteren Rücken erhascht habe. »Sondern heimliche Verehrer.«

»Hä?«, macht Hanna irritiert.

»Da steht eine Telefonnummer«, verkünde ich amüsiert. »Mit Edding.«

Augenblicklich brechen wir alle in schallendes Gelächter aus.

Ich lasse mich rücksichtslos wieder nach hinten in die Kissen fallen, schaue die weiße Decke an, von der eine kahle Glühbirne hängt, die in zahlreiche Kabel eingewickelt ist, und bin verdammt froh, mich für einen Neuanfang in Hamburg entschieden zu haben.

Wir gegen das ChamäleonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt