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Tag 31 v.N.

Meine Hände zitterten. Das kalte Wasser fiel in Tropfen von meinen Händen. Meine Haare trieften.

Die Wachen hatten das Wasser einfach aus einem Eimer über meinen Kopf geschüttet.

Heute war der Tag, an dem ich vermutlich zum Tode verurteilt werden würde.

Zumindest war mir das gesagt worden.

Liam hatte ich nicht mehr gesehen.

Manchmal kam es mir nur so vor, als hörte ich ihn schreien.

Ich glaube, ich wurde verrückt.

Meine Gefühle waren nur noch abgestumpft. Ich fühlte keine Scham mehr, keine Demütigung. Mir war egal, was mit mir geschah.

Ich glaube, ich stand unter Drogen.

So fühlte es sich zumindest an.

Nicht einmal die Schmerzen konnte ich noch spüren. Die Schmerzen von den eisernen Fesseln um meine Hand- und Fußgelenke und meinen Hals. Die Haut darunter war aufgeschabt. Blutig.

Mein Gesicht hatte einige Blessuren. Schwellungen und blutige Kratzer von der Behandlung der Wachen.

Aber all das fand ich nicht schlimm. Nicht so schlimm zumindest.

Ich vermisste Kane. Thor.

Beide hatte ich nicht mehr gesehen.

Ich hatte sowieso niemanden außer den Wachen gesehen.

Und einmal Giselle.

Zumindest denke ich, dass sie es war.

Ich konnte mich nicht einmal mehr richtig an ihr Gesicht erinnern.

"Hey, Dark!" Mit einem Quietschen schwang meine Zellentür auf.

Eine Wache stand im Eingang.

Er hatte ein schmieriges Grinsen im Gesicht.

Ich glaube, er hatte mir zuvor ein paar Mal ins Gesicht getreten. Oder geschlagen. Aber ich wusste es nicht mehr sicher.

Es fühlte sich auch jetzt an, als sei mein Kopf in Watte gepackt.

Schwerfällig erhob ich mich auf die Füße.

Dann blieb ich stehen. Bemühte mich, nicht gleich wieder hinzufallen.

Die Ketten waren schwer und ich hatte keine Kraft mehr.

Vielleicht war es gnädig, einfach sterben zu können.

Ich wollte gar nicht mehr in diesem Körper sein. In diesem Zustand. Ich wollte nur noch, dass das alles endete.

Hinter der Wache tauchte noch eine Person auf. Eine Frau.

Sie kam langsam mit fast lautlosen Schritten auf mich zu.

Während sie meine Fesseln aufschloss, starrte ich ausdruckslos auf ihre langen, dünnen Finger, dann auf meine eigenen.

Ich glaube, ich hatte Hunger. Zumindest sollte ich es haben.

Seit zwei Tagen hatte ich nichts mehr gegessen.

Kane hatte immer darauf geachtet, dass ich etwas aß.

Ich vermisste Kane.

Sobald die Frau fertig war, huschte sie wieder aus der Zelle.

Der Wachmann stand plötzlich vor mir, packte mich grob am Arm und zerrte mich hinter sich her.

Sobald wir die bewachte Tür passiert hatten, ließ er mich los und stieß mich vor sich her.

Mein Schritte wurden immer holpriger und ich drohte fast zu fallen, fing mich aber wieder.

Bei jeden Schritt, den ich tat, fragte ich mich nur, wann ich denn endlich stehen bleiben konnte.

Dann endlich hielt der Wachmann mich fest.

Vor uns wurde eine Tür aufgestoßen und ich betrat mit zitternden Beinen den Gerichtssaal.

Das Königspaar saß auf einer Erhöhung. Knapp unter ihnen saß der Richter.

Kanes Brüder standen aufrecht neben ihren Eltern.

Kane war nicht da.

Dann entdeckte ich meine Stiefmutter.

Sie saß im Publikum und war ganz blass.

Meinem Blick wich sie aus.

In dem Moment wusste ich, dass ich verloren hatte.

Ich musste vor dem Richter stehen bleiben.

Stille breitete sich im Raum aus.

"Lyon Storm, Sie werden verdächtigt, einer illegalen Bewegung anzugehören. Außerdem wurden in Ihrem Besitz illegal gedruckte Bücher gefunden."

So ging die Anklage noch ewig weiter.

Ich durfte nicht einmal etwas dazu sagen.

Schließlich das Urteil.

Der Tod.

Natürlich, was auch sonst.

Ich wollte einfach nur noch in Kanes Arme. Auch, wenn ich dann sterben musste. Mehr wollte ich gar nicht mehr.

Derek, Kanes Bruder, beugte sich zu seinem Vater und flüsterte ihm etwas zu.

Der König nickte.

Derek trat zurück und verschwand aus meinem Sichtfeld.

Mit einem schmerzhaften Ruck an meinem Arm wurde ich wieder aus dem prunkvollen Saal gezerrt.

Dark and LightWhere stories live. Discover now