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Tag 70 v.N.

Noch an diesem Abend saß ich in meinem Zimmer. Tatsächlich in einem eigenen Zimmer in diesem Schloss.

Kane hatte darauf bestanden, dass ich mich ausruhen sollte.

Und sein Zimmer war direkt nebenan.

Sogar Essen hatte ich bekommen.

Dieses Zimmer war riesig. Kane hatte es als Gemach bezeichnet.

Ich hatte mein eigenes Bad, einen begehbaren Kleiderschrank, von dessen Inhalt ich jetzt aber nicht so überzeugt war, und einen eigenen Wohnzimmer- und Essbereich. Abgesehen davon waren die Wände - bis auf die Fensterseite - voll mit Bücherregalen.

Jetzt im Essbereich sitzend betrachtete ich all das Essen. Das war mehr, als ich alleine jemals hätte essen können.

Und ich hatte nicht einmal wirklich Hunger.

Diese Ungewissheit, dass ich nicht wusste, was passieren würde, machte mich verrückt.

Überhaupt alles hier machte mich verrückt.

Schnell sprang ich auf und griff mir eines von den Büchern aus dem Regal.

Die Zeichen, welche die Seiten bedeckten, hatte ich noch nie gesehen.

Stirnrunzelnd stellte ich das Buch zurück und griff mir ein anderes.

Diesesmal sahen die Zeichen anders aus. Sie erinnerten mich an Runen, aber sie waren irgendwie auch anders.

Das nächste Buch war in Hyroglyphen geschrieben. Teilweise konnte ich es auch lesen, aber es war schwierig.

Ich ging die Bücher durch. Eines nach dem anderen. Regal für Regal.

Bis ich schließlich ein Buch erreichte, dass in normaler Schrift geschrieben war.

Es war ein Roman. Seltsam. Auch die restlichen Bücher waren in normaler Schrift. Romane - sogar sehr viele - und Sachbücher.

Einige kannte ich schon.

Kein einziges der Bücher war in Runen geschrieben. Wieso nicht?

Ich meine, es gab Hyroglyphen und sonst noch komische Zeichen, aber keine Runen?

Irgendetwas war hier doch faul an der Sache.

Als ein Klopfen ertönte, zuckte ich erschrocken hoch. "Ja?"

Die Tür öffnete sich und Kane trat ins Zimmer.

Hinter ihm knallte die Tür wieder ins Schloss.

Unsicher sah ich ihn an.

Sollte ich jetzt etwas sagen?

"Können wir uns setzen?" Oh, okay, dann übernahm er halt das Kommando.

Ich nickte kurz.

Kane ging vor mir zu einer Couch, setzte sich und klopfte dann auffordernd neben sich.

Angespannt setzte ich mich hin.

"Was soll das werden?"

Kane seufzte. Mit so einer Frage hatte er wohl schon gerechnet.

"Es gibt morgen ein offizielles Bankett zur Feier unserer Verlobung. Ich dachte ..." Unmittelbar nach diesen Worten stockte er und schien nicht zu wissen, was er sagen sollte.

Ich betrachtete ihn nur. Er war so schön.

Stopp, geht weg, ihr Gedanken!

Was war nur los mit mir? Sonst war ich doch auch nicht so.

Obwohl, ich konnte es mir schon denken.

Allerdings hatte ich nie gedacht, dass dieses Seelenverwandt-Ding so weit ging.

Eigentlich hatte ich mir zu den Details sowieso keine großen Gedanken gemacht.

Jetzt fand ich es aber doch ziemlich furchteinflößend.

"Lyon?"

Mit finsterem Blick sah ich zu Kane. "Was ist?"

"Was ist los?", wollte er daraufhin nur wissen und wirkte sogar aufrichtig besorgt.

Wahrscheinlich wegen seines blöden Banketts.

"Alles bestens", erwiderte ich kühl.

Ehrlich gesagt wusste ich nicht, wie ich sonst antworten sollte.

Ich sollte ihn nicht zu nah an mich heranlassen, nicht wahr?

Hinterher würde er mir nur wehtun.

Kane wirkte unschlüssig. "Bist du dir sicher?" Dabei friemelte er an den oberen Ringen an seinem Ohr herum. Irgendwie süß.

Ich schwieg. Wenn ich ja sagte, würde ich lügen. Wenn ich nein sagte, würde er vermutlich nachfragen.

Dark and LightWhere stories live. Discover now