Kapitel 32

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Ich mag es nicht, wenn auf dem Wasser keine Rosenblätter verteilt sind. Es hat mir unheimlich viel Mut gekostet, mich vor Damien zu enthüllen. Ich möchte nicht, dass er meine Narben und Verletzungen anstarren kann -- wann immer er es will. Also spiele ich mit dem Schaum, der nach süßem Honig duftet und versuche, mich damit unauffällig zu bedecken.

"Ich weiß so wenig von dir, erzähl' mir mehr über dich." Es ist eine berechtigte Frage... aber was soll ich darauf schon antworten?  Ich bin so uninteressant wie der Dreck auf dem Asphalt. Über mich gibt es nicht viel zu erzählen...

"Ich bin nur eine Obdachlose, wie jede andere -- uninteressant." Ich beiße mir auf die Innenseiten meiner Wangen. Das wollte ich nicht sagen!

"Ich möchte nicht, dass du dich hinter diesem Image versteckst. Solange du bei mir wohnst, bist du nicht obdachlos." Verstecke ich mich?  In all den Monaten habe ich lediglich andere obdachlose Menschen oder Straßenkinder getroffen. Alfie ist der Einzige, mit dem ich mehr als zwei Sätze gewechselt habe. Meine Interessen kamen jedoch nie zu Wort. Und auch meine Vorlieben kennt niemand. Nicht einmal ich. Er hat recht -- Ich verstecke mich.

"Naja...ich bin kein Fan von roten Wein..." Augenblicklich schau ich in seine Augen. "Ich liebe heißen Kakao...und Musik, wenn ich die Möglichkeit habe, sie zu hören. Ich bin zwanzig Jahre alt, habe vor knapp einem Jahr meinen Bruder verloren, dreizehn Jahre zuvor meine Mutter. Meinen Vater kenne ich nur aus Erzählungen. Ich war zu jung, um mich heute noch an ihn erinnern zu können." Ich schlucke den Schmerz herunter. Ich möchte nicht vor ihm weinen. "Du kennst bereits alles andere, was es über mich zu erzählen gibt."

"Du magst also Musik?" Damien schmunzelt leise. Ich bin froh, dass er nicht auf die Schicksale meiner Familie eingeht. Er muss wissen, wie es ist, jemanden zu verlieren -- Er hat seine Schwester verloren.

"Ja...Dieses eine Lied, es geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich weiß aber nicht, wie es heißt." Er hört nicht damit auf, mich erwartungsvoll anzusehen. Auf gar keinen Fall!

"Kennst du den Liedtext?" Zögernd nicke ich. Ich werde auf gar keinen Fall für ihn singen!

"Ich erinnere mich nicht mehr an die Melodie-", lüge ich. "Aber ich glaube der Anfang lautet: 'I am a dreamer, but it's hard to sleep when your head's not in it. I've been restless, 'cause you disappeared and that's all that's missing'."

"Ist es nicht die Melodie, die einem nicht mehr aus dem Kopf geht?" Damien greift schmunzelnd nach einer durchsichtigen Flasche mit einer blauen, dickflüssigen Flüssigkeit und seift sich die Ober- und Unterarme damit ein. Der Duft ist derselbe, wie vor wenigen Tagen, als ich von dem Dampf der heißen Dusche umgeben war und Damien nur mit einem Handtuch um die Hüfte vor mir stand.

"Mag sein." Ich nehme die Flasche in meine Hände, doch Damien nimmt sie mir sofort wieder weg.

"Hier, nimm die.", sagt er und reicht mir ein anderes Duschgel. Das rosarote Gel gleitet über meine Unterarme und riecht nach Rosenblüten.

"Eigentlich ist das Shampoo. Also es war für deine Haare gedacht."

"Oh.", murmle ich perplex. Das wusste ich nicht...

Während ich den Rosenduft also auf meine Haare verteile, drehe ich den Spieß um: "Und nun erzähl' mir von dir.", lautet meine Bitte. Erschrocken hebt er seinen Blick. Ich glaube, er weiß, worauf ich hinaus will.

"Was möchtest du denn über mich wissen?" Mit dem Duschkopf der Wanne spült er langsam den Schaum von seiner Haut.Wir sind uns so nahe. Es dürfte nun kein Problem mehr für ihn sein, sich mich zu öffnen. Schließlich habe ich ihm bereits mehr über mich erzählt, als jemals einer anderen Person zuvor.

"Also...bist du wegen mir auf den Friedhof gegangen, um deine Schwester zu besuchen?", frage ich ihn und seine weit aufgerissenen Augen jagen mir einen Schauer den Rücken herunter. "Ich wollte dir wirklich keine Angst einjagen, als ich den Wein getrunken habe. Es tut mir unglaublich leid, dass ich dir ein Deja-vu auf den Hals gejagt habe." Damien greift nach meinen Händen.

"Ja.", lautet seine Antwort. Mein Herz hört auf zu schlagen. "Ja, ich habe meine Schwester besucht, weil du mich an sie erinnerst. Ja, dass du den Wein getrunken hast, hat mir einen Schrecken eingejagt. Aber, nein, es ist nicht deine Schuld. Es ist meine Schuld." Er holt tief Luft. "Es ist meine Schuld, dass sie gestorben ist. Es ist alleine meine Schuld."

Vorsichtig entgleiten meine Hände aus seinem Griff.  "W-Was redest du da, Damien?" Seine Augen fixieren sich auf unsere Hände, als würden tausende Gedanken gerade durch seinem Kopf schwirren. Hektisch atmet er ein und dann wieder aus.

"Birdie...ich wollte dein Held sein. Ich wollte der Held sein, den ich für meine Schwester nie sein konnte." Ich bin sprachlos. Er nimmt sich meine Hände ein weiteres Mal. "Bitte, ich brauche dich. Du musst mir nur beweisen, dass auch ich gebraucht werde." Zögernd lasse ich die Berührung zu. Plötzlich bin ich mir so unsicher und im Unklaren über Damien, wie in der ersten Nacht in seinem Apartment. Bin ich nur hier, um seine Schwester zu ersetzen? 

Mit "Damien..." fange ich meinen Satz an, und mit einem ängstlichen "Was ist mit deiner Schwester passiert?" beende ich meine Frage.


(Für die, die gefragt haben: Ich werde überwiegend Freitags Updates posten)

 


Million Dollars Between Us (Damien & Birdie - Trilogie #1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt