9. Kapitel

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Keylen

Mark stand mit einem Lächeln da und hielt uns die Tür auf. Wir hatten uns vor Jahren bei einem Rudel Treffen kennengelernt und seitdem immer mal wieder miteinander gesprochen. Normalerweise hatte ich bei solchen Treffen immer das Bedürfnis gehabt den anderen Wölfe den Hals umzudrehen. Die älteren Wölfe waren zu Stur um ihre Wege zu ändern, die jüngeren zu unerfahren um wichtige Entscheidungen für ihr Rudel zu treffen. In dem Moment wo die verschiedenen Altersgruppen dann aufeinander trafen war es meine Aufgabe einen Kompromiss zu finden, mit denen alle klar kamen. In den meisten Fällen läuft es dabei auf Kopfschmerzen hinaus. Mark ist nicht der Älteste, ist aber weiser als die meisten seines Alters. Er gehört zu den wenigen Leuten die mich wirklich interessierten. Natürlich kümmerte ich mich um Rudel Mitglieder und deren Probleme, wenn ein Rudel unter meinem Schutz stand beschützte ich es. Aber ich hatte mich schon vor langer Zeit vor anderen Gefühlen abgeschirmt. Ich fing am morgen an, erledigte meine Aufgaben, lief ein paar Kilometer im Wald und das wars. Keine Ablenkungen durch Gefühle, so lebte ich jetzt seit langer Zeit. Das hatte bis vor ein paar Wochen auch geklappt, bis eine kleine Wölfin mir die Tür ins Gesicht schlug. Meine Aufmerksamkeit auf Emma richtend die neben mir ging, fiel mir auf das sie ihre Augenbrauen zusammenzog. "Was ist?", fragte ich sie. Sie guckte mich nach einem Moment an und sagte dann, "Nichts." Stirnrunzelnd folgte ich Mark in ein Büro, wo er an eine Bar ging und sich ein Glas einschenkte. "Ich weiß ja dass du keinen Alkohol trinkst, aber vielleicht möchte deine Begleitung, die du mir nicht vorgestellt hast, auch etwas trinken?". Mark sah Emma dabei mit einem interessierten Blick an und lächelte. Mein Wolf knurrte leise in meinen Gedanken und ich sah ihn an. "Nein, will sie nicht. Das ist Emma Davidsen, Schwester von Alpha Davidsen. Black Sun Rudel", kam meine Zusammenfassung. Mehr brauchte er erstmal nicht zu wissen. Mit einem Nicken ging Mark zu seinem Stuhl und setzte sich. "Wenn das so ist, schön dich kennen zu lernen. Ich bin Mark Petersen, Alpha des Midnight Sun Rudels." Emma schüttelte seine Hand und setzte sich wieder. Er sah mich wieder an und sagte durch den Alpha Link zu mir, "Ich denke mal du erklärst mir nicht, was genau sie hier macht."

"Da hast du richtig gedacht" antwortete ich auf dieselbe Weise. Laut sagte ich dann, "Ich hatte dich ja über die Situation mit den Rogues aufgeklärt. Keine Angriffe, sie wurden nicht mehr gesichtet, nichts. Hast du was neues gehört?". Mark lehnte sich in seinem Stuhl zurück und legte die Hände übereinander. "Nein, nichts ungewöhnliches. Vor ein paar Wochen dachten wir wir hätten eine Spur, aber sie war so schwach das es sich um eine alte Spur gehandelt haben musste." Darüber nachdenkend sagte ich, "Ich möchte mir die Spur nachher einmal ansehen. Vielleicht habt ihr etwas übersehen. Aber jetzt zu was anderem. Ich brauche eine bestimmte Schriftrolle." Im Kopf fügte ich noch hinzu, " Die über die Entwicklung der Wölfe, jede die du hast. Meine sind zu alt, als das man da noch etwas finden könnte. Den Grund brauchst du nicht zu wissen." Nachdem Mark sich entschuldigt hatte um die Schriftrollen zu holen, drehte ich mich zu Emma. Sie hatte kein einziges Wort gesagt, seitdem wir hier waren. Ich hatte erwartet wenigstens eine Frage zu bekommen, was wir eigentlich hier machten. Aber Emma saß nur da, und wie ich ihren Gesichtsausdruck deutete, dachte sie nach. "Was ist los?", fragte ich sie aber bekam keine Antwort. "Emma?" sagte ich und berührte ihre Hand. Meine Hand fing an zu kribbeln und Emma schreckte auf. Sie sah hinunter auf unsere Hände und schob langsam ihr Finger zwischen meine. Ich spannte mich an, wollte meine Hand wegziehen, aber Emma drückte sie und sah mich an. Ihre Augen waren groß in ihrem Gesicht, die Nase leicht gebogen. Wir sahen uns in die Augen, und ich merkte wie das ungute Gefühl, das bei dem plötzlichen Körperkontakt in mir aufgestiegen war, sich langsam zurück zog. Sie sah wieder auf unsere Hände und fuhr mit ihren Fingern über meine Knöchel. Ich entspannte mich Muskel für Muskel und sah ihr dabei zu, wie sie mich berührte. "Glaubst du ich werde meine Wölfin je wiederhaben?". In ihrer Stimme konnte ich den Verlust und Sehnsucht hören, und ich verstand. Mark und ich hatten uns bevor er gegangen war, über die Rudel unterhalten. Wir sprachen auch über die Entwicklung der Krieger und über frisch verwandelte Wölfe. Emma aber hatte ihre Wölfin fast verloren und konnte sich nicht verwandeln. Mit meiner freien Hand hob ich ihr Kinn an und sagte leise, "Du wirst sie wieder haben. Ich werde mir was überlegen, du wirst lernen dich zu verwandeln und dann kannst du all das nachholen, was du je machen wolltest." Ich zögerte, bevor ich meine Hand an ihre Wange legte. Emma schloss die Augen und lehnte sich an meine Hand. So saßen wir, bis ich Schritte hörte und realisierte was ich hier tat. Ich ließ mich ablenken, ließ Gefühle zu. Das ungute Gefühl kam zurück und Bilder, wie meine Mutter blutend auf dem Boden lag, mein Vater über ihr. Mein Vater, wie er mich bestrafte, weil ich einen Wolf zu schnell umbrachte. Die Schmerzen der Berührung. Ich ballte die Hand und stand auf, weg von Emma. "Keylen?", hörte ich sie leise hinter mir sagen. Ich ging weiter, stellte mich mit dem Rücken zu ihr ans Fenster. Ich sah hinab auf meine Hände, die Erinnerung was ich getan hatte noch in meinem Kopf. Was mein Vater mir angetan hatte. Ich sagte nur leise "Nicht", bevor Mark die Tür aufmachte und mir die Schriftrollen gab.

Soul SavingWhere stories live. Discover now